Zwischen Halloween und Bonfire

Unterwegs Halloween war diesmal gut vorbereitet: Alle Bäcker boten Kekse in Form von Fledermäusen und Gespenstern an. Bei den Nachbarn leuchteten Kürbisse im ...

Halloween war diesmal gut vorbereitet: Alle Bäcker boten Kekse in Form von Fledermäusen und Gespenstern an. Bei den Nachbarn leuchteten Kürbisse im Erkerfenster. Am Nachmittag strahlte die Sonne von blauem Himmel. Ein leuchtend rosa Sonnenuntergang folgte, bevor der dicke gelbe Mond sich durch die eine Wolke schob und den sternklaren Himmel erklomm. Perfekt, so musste es sein. Ein einziges Wesen lief noch die beleuchtete Straße an der Nordsee entlang, schmal, groß, in einen langen schwarzen Mantel gehüllt, mit spitzem Samthut auf dem Kopf. Und die Nase - gebogener, gruseliger und zauberhafter konnte sie gar nicht sein. Der Mantel wehte, der Zauberer kämpfte gegen den Wind.

Es war Halloween. Und bei mir lagerte hinter der Eingangstür, gleich an der Garderobe ein Berg von Süßigkeiten, die sich gut teilen ließen, Schokoriegel, eingewickelte Bonbons und solche Sachen. Zu genau erinnerte ich mich an den letzten Abend des Oktober im vorigen Jahr. Ich hatte nicht an Halloween geglaubt und dann klopfte es doch energisch, unerwartet, nach Einbruch der Dunkelheit. Geister standen vor der Tür. Trick or treat, ich wusste nicht mal, was ich darauf antworten sollte. Aber ich musste mich freikaufen, klar, ich holte eilends meine Vorräte und war großzügig. Zu großzügig, denn es klopfte immer wieder. Dracula gab sich die Ehre, winzige Hexen kamen, die sogar für mich sangen und diverse andere Kleingeister, maskiert oder geschminkt, in schwarzen Umhängen und feuerroten Kapuzen. Viel zu schnell war auch das letzte Gummibärchen verteilt, war die letzte Schokolade in einen schwarzen Sack geworfen. So ging es im vorigen Jahr. Ich fühlte mich heimisch. Zu wem die Geister gehen, der ist zu Hause. Diesmal war ich auf das Fest vorbereitet. Sie sollten nur kommen!

Halloween ist in Großbritannien öffentlich präsent, nicht nur beim Bäcker und durch die Mengen von Kürbissen in den Schaufenstern. Die Daily Soaps feiern den Tag. Ein Leserbrief erregte sich im Independent über die Unsitte der Süßwarenbettelei; zwei Jungen antworteten am nächsten Tag an derselben Stelle, sie würden im Gegenzug auch für die Nachbarn Plätzchen backen. Ein Kommentator beschrieb Halloween im Pub, wo alle Erwachsenen, die gerade an diesem Abend so gern kommen, die immer gleiche Diskussion führen, jedes Jahr wieder. Hauptargument: Kürbis schmecke nun wirklich nicht, aber vor allem sei Halloween nichts Englisches, sondern ein blöder Import aus Amerika. Gegenstimme: Doch, dies sei vielmehr eine keltische Tradition, am letzten Tag des keltischen Jahres liefen die Hexen und Magiere draußen herum. Die Christen hätten den Termin dann zum Vorabend für Allerseelen gemacht. Dass der 31. Oktober auch Reformationstag ist, fiel niemandem ein. Debattiert wurde dann, ob man alles lieben müsse, was aus den USA käme. Eine brisante Frage, gerade in Großbritannien, sie beschränkte sich aber - laut Independent-Autor - auf McDonald´s, Coca-Cola, die TV-Serie Friends und andere harmlose Sachen. Meine Freunde meinten nach dem Lesen des Kommentars, sie wollten lieber amerikanische Feiertage als amerikanische Politik übernehmen und kauften Konfekt.

Der Abend kam, es wurde schnell dunkel, es konnte losgehen. Wir hatten alle Fenster zur Straße hell erleuchtet; hier waren Gespenster willkommen. In den Herbstferien angereiste Gäste aus Deutschland hielten neugierig Ausschau. Und dann - klopfte niemand. Lag das Haus zu weit am Ende der Straße? Auch bei den Freunden erschien kein einziger Geist. Hatten die Gespenster schon zu viele Süßigkeiten zu Hause oder untersagten die Eltern den Raubzug diesmal? Zu viel Amerika, auch ohne Halloween? Zum Glück war ein paar Tage später Guy-Fawkes-Day, eine rein britische Erfindung, der Tag mit Feuerwerk und Bonfire an vielen Orten, Lagerfeuern.

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