Das Ego als Maß der Dinge

Normalität - ein Wort, das in aller Munde ist. Doch wir missbrauchen es zur Befriedigung des innersten Egos.

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Wer sind wir? Was machen wir hier auf diesen Planeten – gemeinsam oder gegeneinander? Sind wir ein viel beschworenes System der ineinandergreifenden Zahnräder, ein internationaler Mechanismus, in dem jedes Glied seine Bedeutung hat und keines aus der Rolle tanzen darf? Müssen wir uns diesem um den Zweck seines Funktionierens beugen und den Deckmantel des geradezu abstrakten Begriffes der „Normalität“ um uns legen lassen, den zwar (fast) jeder in den Mund nimmt und andere daran herunterzieht, doch niemand ihn zu definieren weiß. Ein Versuch


„Normalität“ ist eine von jedem individuell definierbare Maßeinheit, die es uns ermöglicht die Welt unter subjektiven Aspekten einfacher zu machen, sie in gewisser Weise in Schwarz und Weiß einzuteilen, um sich Urteile über alles und jeden leisten zu können, die den Urheber selbst nie in kritischen Dimensionen treffen können, da das von sich ausgehende, zentrierte Ego individueller Integrität von Beginn an das exemplarische Maß aller Dinge ist. Die Erstellung eines Musters der Normalität dient somit auch zur instinktiven Abwehr eines Menschen, seine Taten als das unumgängliche Übel zwischen den zwar idealistisch anmaßenden, letztlich aber für die Sicht des eigenen Egos nichts als utopische Hirngespinste darstellenden Wegen der anderen.


Zudem drückt „Normalität“ auch eine Angst aus, die eigenen Ideen in Konkurrenz mit anderen zu verlieren, entgeistert zu werden und seine Basis des bisherigen Lebens aufgrund von vielleicht richtiger aber umso schmerzvollerer Einsicht zu verlieren. Es ist die Angst vor der Wahrheit, alles in dieser doch so gewachsenen Welt auf sich wirken lassen zu müssen, möglicherweise nicht mit diesen fertigwerden zu können und seine (konservativen) Traditionen und Gewohnheiten zugunsten einer unbekannt langen Brücke der Zurückhaltung und Bescheidenheit in Wort und Tat fallen lassen zu müssen.
Veränderung ist der „Normalität“ offiziell fremd – woran soll sich diese auch orientieren? -, sie bleibt eine heilige Kuh eines jeden von uns, die wir Orientierung an Werten und Maßstäben für die Bewertung des sich stetig beschleunigenden Alltags suchen, der es unmöglich macht, von Situation zu Situation flexibel zu entscheiden. Progress ist nur mit Eigenschutz vor der gewaltigen Kraft unseres schlechten Gewissens, uns selbst innerlich betrogen zu haben, möglich. Sonst wird unsere ureigene Sehnsucht nach Orientierung die Kraft finden unserer inneren Justitia die Augenbinde abzulegen und ihr den Zauber der ewigen Werte einreden, was uns närrisch an längst vergangene Werte binden wird.


Der innere Schweinehund kann nur in Unwissen sterben.

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Geschrieben von

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