In Demut vergraben

Fehler Ein offener Brief an die Riege der hiesigen Politik

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Ihre Freitag-Redaktion

Liebe Politikerinnen und Politiker,

Sie gehören mittlerweile zu einer aussterbenden Rasse, sind laut Meinung vieler Wähler zu einem abgehobenen Stand parteiinterner Querelen geraten, dessen einziges Ziel Lug und Betrug am Gemeinwohl zu sein scheint. Es sieht so aus, als ob Sie in einer Parallelwelt leben, in der die Sorgen und Nöten der Bevölkerung keine Rolle spielen. Zu sehr haben Sie ein Stadium der inneren Einkehr und Demut erreicht, diese größtenteils unsachlich-polemische Kritik zu untergraben und einfach so weiter zu machen. Aber ein Augen-zu-und-durch führt nur in eine Sackgasse!

Was wird denn aus unserer heutigen Demokratie – dem hochgelobten Staatssystem deutschen Bestehens überhaupt -, wenn sich niemand mehr um deren Pflege der Grundmauern kümmert, die schleichend aber kontinuierlich im latenten Wut der Menschen zerfressen werden. Es ist so, als säße die gesamte Politik in einem großen Haus, der Kamin überheizt den als kalter Schauer im Nacken sitzenden Atem des Volkes, nebenbei schwatzt man in gemütlicher Runde über Betreuungsgeld, Praxisgebühr und Krümmungsgrad der Gurke, während draußen in schmuddeligen Nass die schönen großen Säulen der prächtigen Fassade, die den Stolz des nach 1945 geschaffenen eigentlich repräsentieren sollen, akribisch von der nun mal für eine Demokratie fundamentalen Meinung des Volkes zerstückelt werden. Die Politik müsste sich allein wegen der stetig sinkenden Wahlbeteiligung endlich mal an der eigenen Nase fassen und das Geschäft von Gesetzentwurf und Rede interessanter präsentieren. So kann es nicht weitergehen!

Wir Deutsche, wie wir eben sind, nehmen uns viel zu wichtig – das geht vielen auf die Nerven. Hierzulande muss man aufpassen bei einem länger als zwei Minuten redenden Politiker nicht einschlafen zu müssen. Der Anspruch an die Kunst der Rede ist aus Furcht vor Ihrer Verführung, die sich auf grausamste Weise in unserer Geschichte zeigte, bis heute nicht wahrzunehmen.

Die USA haben uns just wenige Wochen zuvor auf düpierende Weise vorgemacht, wie man ein Wahlvolk an die Urne bringt: Auch wenn dort der Anspruch von Politik wohl eher als Partyveranstaltung denn als argumentative Werkstatt von Technokraten und Möchtegernstrebern verstanden wird, greift dieses Konzept. Im Jubel und Trubel grölender Anhänger beider Lager, die entweder „four more years“ oder „four more days“ skandieren, fällt die Wahl zwischen A und B, Schwarz und Weiß, Demokraten und Republikanern zugegebenermaßen viel leichter.

Immerhin ist dies das Konzept der ältesten Demokratie auf Erden.

Herzlich,

Ihr Kultureinflößer.

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Geschrieben von

Der Kultureinflößer.

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