Fragwürdiger Start der Freien Wähler Berlin

Wahlkampf Auf dem Nominierungspartei der Freien Wähler gab es neben einer spannenden Personalie Umstände, die den Autor zum sofortigen Austritt aus der Partei bewogen.

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Update 26.04.2021:

Mittlerweile wurden die auf dem Parteitag positiv auf Corona getesteten lt. Angaben des Parteivorstandes mithilfe eines PCR-Tests negativ getestet.

Der Autor weist darauf hin, dass er in der ehrlichen Absicht, sich politisch zu engagieren, zu dem Parteitag gereist ist. Die beschriebenen Umstände haben ihn dazu bewegt, den Artikel zu verfassen und ein sofortiges Austrittsgesuch einzureichen. Andersartige Verlautbarungen entsprechen der Unwahrheit.

Mittlerweile haben auch der Tagesspiegel und die Berliner Morgenpost über den Parteitag und die in diesem Beitrag erhobenen Vorwürfe berichtet.

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Nominierungsparteitag der Freien Wähler: Marcel Luthe neues Mitglied und Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl / persönliche Seilschaften der Mitglieder belasten Stimmung und Arbeitsweise / Bewusste Gesundheitsgefährdung der Mitglieder? Positivgetestete auf Parteiveranstaltung gelassen – Polizei äußert sich, bricht Veranstaltung aber nicht ab / Vorwürfe des strukturellen Rassismus bereits im Vorfeld des Parteitages

Es handelt sich hierbei um einen Erfahrungsbericht eines enttäschten Parteitagsteilnehmers. Der Autor hat sich noch am selben Abend mit seinem Austrittsgesuch an die Geschäftsstelle gewandt.

Im Funkhaus hielten die Freien Wähler Berlin an diesem Wochenende Ihren Nominierungsparteitag zur Abgeordnetenhauswahl ab. Die inhaltlichen Themen gerieten an diesem Tag jedoch in den Hintergrund.

Den rund 70 anwesenden stimmberechtigten Mitgliedern wurde durch den Vorsitzenden der Partei Marcel Luthe (ehemals FPD) direkt zu Beginn der Veranstaltung als neues Parteimitglied vorgestellt. In einer Vorstellungsrede macht dieser nicht nur auf sein Engagement zum Erhalt des Flughafens Tegel aufmerksam, sondern warf dem rot-rot-grünen Senat ebenfalls Desinformation in Bezug auf steigende Sexualdelikte in der Stadt vor. Diese, so Luthe, würden unter dem Deckmantel der angeblich sicherer werdenden Stadt verschwiegen. Marcel Luthe sorgte mit Anfragen an den Senat, unter anderem zur Kriminalitätsentwicklung, in der Vergangenheit immer wieder für Wirbel.

Im darauffolgenden Wahlgang zum Spitzenkandidaten wurde Marcel Luthe mit überragender Mehrheit gewählt, die Freien Wähler starten damit mit einem Spitzenkandidaten im Abgeordnetenhaus in ihren Wahlkampf.

Nach der Wahl von Marcel Luthe als Spitzenkandidaten sprach die Parteiführung dann davon, dass die Polizei vor Ort sei, um das Hygienekonzept zu überprüfen. Es wurden einige Minuten Pause ausgerufen. Nach etwa zehn Minuten wurde die Veranstaltung dann weitergeführt. Die Polizei, so die Parteiführung, sei zwar vor dem Haus nicht angetroffen worden. Wenn Sie noch einträfe, würde man aber selbstverständlich mit ihr zusammenarbeiten.

Im folgenden Wahlgang kam es dann jedoch schon während der Vorstellungsreden der Nominierten zur Unruhe. Parteifunktionäre verließen wiederholt hektisch den Saal. Zu diesem Zeitpunkt drohte, wie der Autor später erfuhr, bereits der Abbruch der Versammlung. Tatsächlich waren dann zwischenzeitlich 3 Polizeiwagen und ein Fahrzeug des Ordnungsamtes vor Ort, etwa ein halbes Dutzend Polizisten standen im Foyer des Versammlungsortes "Altes Funkhaus".
Den Beteiligten wurde von den Verantwortlichen weiterhin versichert, dass es sich hierbei um eine erwartbare Überprüfung des Hygienekonzepts handele.

Tatsächlich waren jedoch 5 Mitglieder der Partei trotz positiven Schnelltestergebnisses in den Saal gelassen worden. Dies bestätigte auch ein anwesender Beschäftigter der Polizei. Dem Vernehmen der anwesenden Polizisten nach müsse die Veranstaltung aber nicht abgebrochen werden, da die Teilnehmer den Parteitag nach Aufforderung verlassen hätten. Somit bestehe aktuell kein weiterer Handlungsbedarf. Zudem sei zusätzlich von den zuvor auf dem Parteitag positiv getesten auf Nachfrage ein negativer Schnelltest von einem Berliner Testcenter vorgelegt worden.

Dem Vernehmen von Parteimitgliedern nach handelte es sich bei allen positiv getesteten um Angestellte einer Firma. Demnach habe ein Mitglied aus Tempelhof-Schöneberg bis zu 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seiner Firma in die Partei geholt, ihnen auch die Mitgliedsbeiträge gezahlt. Das ganze offensichtlich, um einen entsprechenden Einfluss und Erfolg bei den parteiinternen Wahlen zu sichern. Bei fünf dieser Angestellten hatten die Schnelltests vor der Tür positive Ergebnisse gezeigt, ihnen war der Eintritt deshalb verweigert worden.
Kurze Zeit später seien diese fünf Personen jedoch mit negativen Testergebnissen eines Testcenters zurückgekommen. Mit diesen sei Ihnen dann die Teilnahme gestattet worden.
Was bleibt, sind offenen Fragen. Da das Hygienekonzept Schnelltests vorsah – zusätzlich zu den Mindestabständen und FFP2-Masken – ist es ein Rätsel, warum eventuell infektiöse Personen dennoch in den Saal gelassen wurden. Wurde das positive Testergebnis etwa zur Sicherung eigener Mehrheiten ignoriert? Wurden die vorgelegten Schnelltests durch die Verantwortlichen verifiziert? Im Anbetracht der allgemein bekannten Fehleranfälligkeit der Schnelltests der scheint es nicht zu verantworten, bereits am selben Tag positiv getestete auf die Veranstaltung zu lassen. Ebenfalls fraglich erscheint der Umstand, dass alle 5 getesteten Personen erst positiv, dann negativ gewesen seien sollen.
Mehrere Mitglieder verließen den Parteitag nach diesen Vorkommnissen in Rücksicht auf die eigene Gesundheit. Auch der Autor, der sich nach Durchsicht des Hygienekonzepts trotz seines Asthmas zur Teilnahme entschied.
Das Gefühl, dass vorliegend Gesundheitsgefahren billigend in Kauf genommen wurden, um machtpolitische Ambitionen durchzusetzen, bleibt.

Der Eintritt des Autors war erfolgt in der Hoffnung auf Politik, die sich nicht im ideologischen Fahrwasser jahrzehntelanger Parteiauseinandersetzungen bewegt, sondern mit neuer Sachlichkeit die Probleme des Landes löst. In dieser Hoffnung zeigt sich der Autor – wie auch andere junge Mitglieder, mit denen er auf dem Parteitag sprechen konnte – tief enttäuscht.

Schon im Vorfeld des Parteitages hatte es Vorwürfe gegen die Arbeitsweise der Parteiführung gegeben. Demnach seien Mitgliedsanträge verschleppt und Neumitglieder alleine aufgrund ihres Namens, welcher auf einen Migrationshintergrund hindeutete, nicht aufgenommen worden. Ein solcher struktureller Rassismus wäre nicht nur rechtlich bedenklich, sondern würde ebenfalls kein gutes Licht auf die Freien Wähler Berlin für die kommenden Wahlen werfen.

Wer unideologische und sachliche Politik machen will, sollte vielleicht auch dafür Sorge tragen, dass persönliche Seilschaften und Machtspielchen nicht die Gesundheit anwesender Mitglieder gefährdet, die Arbeitsweise beeinträchtigt und die Mitglieder zermürbt. Viele der Parteimitgliederinnen und Parteimitglieder zeigten sich während und im Nachgang des Parteitags tief enttäuscht von den Geschehnissen. Der Autor hat die Konsequenzen aus dem gestrigen Tage bereits gezogen, sich noch am selben Abend mit seinem Austrittsgesuch an die Geschäftsstelle gewandt.

Was bleibt, ist die Hoffnung, dass die Freien Wähler Berlin die Missstände abstellen und frischen Wind in die Hauptstadtpolitik bringen.

Denn frische Köpfe, eine neue unideologische Sachlichkeit und neue, innovative Ideen hat diese Stadt nötiger denn je.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

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