Männer, lernt mit Frauen reden!

Sexismus-Debatte Die am "Fall Brüderle" entzündete Debatte über alltäglichen Sexismus geht am eigentlichen Thema vorbei. Was schade ist, denn es geht vor allen Dingen um Kommunikation.

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An diesem Sonntag konnte man im Rahmen der notorischen Jauch-Runde noch einmal hervorragend beobachten, wie Männer und Frauen in der aktuellen Sexismus-Debatte aneinander vorbeireden und das eigentliche Thema immer wieder haarscharf verfehlen. Vorzuwerfen ist das letztlich den Vertretern beiderlei Geschlechts, aber ich schneide mir nichts ab (war das jetzt sexistisch?), wenn ich den Standpunkt vertrete, dass den Männern doch immer noch der überwiegende Vorwurf zu machen ist.

Nur dass es eben zum erheblichen Teil fehlgeht, den Vorwurf aus der Klamottenkiste der 50er-Jahre-Emanzipationsbewegung zusammenzustricken (war das jetzt sexistisch wegen "Stricken"??!!). Denn in der aktuellen Debatte geht es meines Erachtens gar nicht wirklich um Macht. Um männliche Kommunikationsrituale, mit denen das Weibchen auf seinen Platz verwiesen wird. Weder bei der nun aufgebrochenen gesellschaftlichen Debatte, für die der "Fall Brüderle" ja nur ein überfälliger Trigger war, noch im ganz konkreten Fall von Brüderle's dämlicher (war DAS jetzt sexistisch gegenüber Damen?!) Entgleisung. Schließlich stand Frau Himmelreich vom Stern in überhaupt keinem auch noch so mittelbaren Abhängigkeitsverhältnis zu dem Politiker. Angeprangert wurde nicht eine Unterdrückung der Frau, sondern ein für einen politischen "Hoffnungsträger" schlicht unsäglich schlechtes und geradezu erbarmungswürdiges Benehmen.

Wohl gemerkt: Damit sei in keiner Weise gesagt, dass es die Problematik männlicher Machtausübung und (überwiegend) männlichen Misbrauchs von beruflichen o.ä. Abhängigkeitsverhältnissen nicht mehr gäbe. Aber man muss nur einmal eine Weile in den zahllosen Leserbeiträgen auf diversen online-Medienseiten lesen, um zu erkennen, dass sich da keine selbstgefälligen Patriarchen zu Wort melden, die sich ihrer Rolle als Vater und Hausherr ganz traditionell sicher sind und nun aufmüpfige Weibchen an ihren Platz verweisen. Stattdessen finden wir bei den männlichen Beiträgen neben einigen wenigen vernünftigen Wortmeldungen unzählige zwischen Verzweiflung und blankem Hass abgestufte Beiträge, die immer wieder die gleiche Beschwerde artikulieren: Dass man nämlich als armer Mann ja gar nicht mehr wissen könne, wo die Grenze zwischen erwünschtem und willkommenem Kompliment/Flirt/Charme und als Übergriff empfundener dummer Anmache und Macho-Gehabe liege. Zwei anonyme Beispiele:

"(...) wie viele Prüfungen durch den Professor anders bewertet, weil man den richtigen Rock trägt ( eigene Erfahrung ). Wenn es dann nicht funktioniert, ist es Sexismus. Wie gestern beschrieben, wenn Beide es wollen, ist es ein Flirt, wenn nicht Sexismus. Die Entscheidung darüber wird h i n t e r h e r von der Frau getroffen. Ist es alter Sack, negativ, fühlt sie sich geschmeichelt, positiv (...)

"(...) Wie wäre es, wenn die Frauen demnächst total nervös sind, weil eie nicht wissen, ob sie gleich einen Korb bekommen oder Erfolg haben? Wie wäre es denn damit, liebe Damen? Oder wie wäre es mal, wenn sich deutlich weniger Frauen für absolute Machos mit den ekelhaftesten Sprüchen und Motiven entscheiden würden? Ich behandel Frau mit Respekt und wurde dennoch in der Vergangenheit mit Körben überschüttet. Seit ein paar Jahren verweigere ich mich der Methodik des ersten Schrittes. Ergebniss: Dauersingle. Während all die hardcore Machos weiterhin abschleppen was das Zeug hällt. Solange Frauen diese Sonderrolle genießen, wird sich am generellen Zustand nichts ändern."

Man merkt es schon: Da melden sich keine erhabenen Patriarchen sondern zutiefst verunsicherte Männchen (ja, das war jetzt mit Absicht sexistisch) zu Wort, die Frauen offensichtlich nicht mit souveräner Geringschätzung an den Herd verbannen, sondern ihnen vielmehr mit nackter Angst(!) gegenüberstehen wie gefährlichen, unberechenbaren Aliens. Ein falsches Wort und schon hast du 'ne Anzeige wegen sexueller Belästigung am Hals, aber wenn's der Clooney wäre, fände sie's total geil. - So ein widerlicher, abstoßender Quatsch!

Sicher versteht der geneigte Leser jetzt besser, weshalb der Verfasser zu Beginn immer wieder diese blöden Klammersätze (ist das jetzt sexistisch?) eingestreut hat. Wie soll man denn jetzt auch wissen, wo die Grenze verläuft? Auch in der Jauch-Runde wurde leider an diesem Punkt immer wieder von "Gratwanderung" und "fließenden Grenzen" gesprochen, was auf eine Weise ganz wahr ist und doch eben im Zuge dieser Diskussion ganz ungünstig und kontraproduktiv.

Denn es ist überhaupt gar nicht schwer. Und auch überhaupt gar nicht kompliziert. Viel zu viele Männer haben es nur einfach immer noch nicht gelernt.

Und das ist Sexismus. Und zwar von der übelsten Sorte. Denn die gleichen Männer wissen im Gespräch mit einem anderen Mann in aller Regel sehr wohl, welche Äußerungen je nach der Art ihrer Beziehung und den Umständen der Situation angemessen sind oder eben total daneben. Das haben sie nämlich sehr eifrig gelernt, um im Leben voranzukommen. Aber wenn es um Frauen geht und zwar gerade in jenem "Grenzbereich", in dem die Möglichkeit intimer Annäherung am Horizont aufscheint, ist das wohl der Mühe nicht wert.

Und warum auch? Man(n) weiß doch, wie das Spielchen läuft. Aussehen wie der Clooney und dann den richtigen Spruch parat haben, klick, schon wird sie feucht. Denn Frauen sind ja alle gleich, weiß man ja (aus Filmen? Büchern? Wohl eher aus Gesprächen mit anderen Geschlecherkampfgenossen. - Ganz sicher nicht aus Gesprächen mit Frauen). Wenn ich abblitze, dann weil ich nicht die immergleichen Attribute komplett habe, deshalb rede ich auch sonst und überhaupt gar nicht mehr mit Frauen. Solche Feiglinge, man(n) muss sich schämen.

In der Jauch-Diskussion gab es einen spannenden Moment von mehreren, als die wirklich umwerfend attraktive Silvana Koch-Mehrin mit ihrem Zitat aus der Stern-Fotoserie konfrontiert wurde: "Ich sehe gut aus, ich wäre dumm dies nicht einzusetzen." Leider fiel die Antwort zu ausweichend aus, es bleibt as Verdienst von "Stern"-Chefredakteur Osterkorn, zumindest eine Essenz zu retten: Dass nämlich in Hinblick auf die Fotos, Frau Koch-Mehrin eben selbst bestimmt(!) habe, was sie zeigt. Aber darum ging es in dem Moment natürlich nicht. Sondern um alles Andere. Um eine attraktive Frau, die wohl ein Dirndl... (nein, lassen wir das), die in der Politik Karriere macht. Ha! Schreit da mein verängstigter, beleidigter Mitmann: Da sieht man es wieder, sie setzt es ein, wie es ihr gefällt. Wenn ein hohes Tier sie angräbt, lässt sie's sich bestimmt gerne gefallen, aber ich bin gleich der Sexist.

Ich selbst habe weniger Furcht vor Frauen und traue Frau Koch-Mehrin auch zu, dass sie mit etwas mehr Zeit die wichtige richtige Antwort gefunden hätte: Dass WENN und soweit eine Frau ihre weiblichen Reize spielen lässt (ja, es ist ein Spiel, keine Schlacht), dann bin ich als Mann auch eingeladen, mitzuspielen. Aber das beginnt nicht bereits dort, wo eine Frau einen kurzen Rock anzieht. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit muss man(n) schon aufbringen, und darüber sollten wir sprechen. Wir Männder und Frauen.

Also, zum Abschluss zum Anfang zurück:

"wenn Beide es wollen, ist es ein Flirt, wenn nicht Sexismus. Die Entscheidung darüber wird h i n t e r h e r von der Frau getroffen."

Nein.

Was eine Frau wünscht und was nicht, und ob sie an einem Flirt interessiert ist, oder es gerne lieber sachlich halten möchte, das kommuniziert sie in der Regel gleich und in jedem Augenblick. Und das ist auch ganz leicht zu empfangen, zu verstehen, zu entziffern, vorausgesetzt, dass man Frauen überhaupt mit Aufmerksamkeit und Respekt begegnet als einem anderen Menschen und Individuum. Dass die meisten Frauen höchstens noch enttäuschter wären, wenn ihnen der sprichwörtliche George Clooney plötzlich ansatzlos einen schmierig-anzüglichen Spruch vor den Latz knallen würde, versteht sich dann eigentlich schon von selbst.

Also, Hand auf's Herz, all ihr beleidigten und permanent von Belästigungsklagen bedrohten ratlosen Mitmänner:

Wie oft und wieviel Zeit habt ihr in eurem ganzen Leben eigentlich damit verbracht, mit Frauen darüber zu reden, was sie eigentlich wünschen, was ihnen wichtig ist, worauf sie Wert legen, was ihnen bei Männern gefällt? Ohne Flirt. Mit Kolleginnen, Verwandten, Freundinnen, die euch so selbstverständlich Freunde sind, wie männliche?

Es gibt in Deutschland noch viele Überbleibsel des klassischen patriarchalischen Sexismus, der Frauen auf eine bestimmte gesellschaftliche Rolle zurückdrängen und begrenzen möchte, und auch darüber muss weiter gesprochen werden.

Viel schlimmer finde ich aber die Realität, dass eine große Anzahl (vermutlich eine Mehrheit) von Männern Frauen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zwar resigniert achselzuckend akzeptieren, aber weder respektieren noch gleichwertig behandeln. Und damit sind wir nicht in den 50er Jahren sondern im Prä-Paläolithikum. Wo nämlich die Frau überhaupt nur als Sexualobjekt begriffen werden, wo man sich von ihnen ängstlich-abergläubisch fernhält und lieber als Männer unter sich bleibt (und über Frauen redet), und sich ihnen überhaupt nur für den einen Zweck nähert, sie zum Sex zu bewegen. Klar, dass man dann eine Keule einpacken muss.

Wo Frauen vielleicht sehr gerne flirten würden, da spulen Männer nur vorbereitete Maschen ab und wundern sich dann, wenn das nicht greift. Vergesst mal die Sprüche, liebe Mitmänner. Flirten beginnt mit Zuhören. mfG, derkrieger

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Geschrieben von

derKrieger

Julian M. Freiburg, Zirkuskind. - Mich treibt zumeist um, was im blinden Fleck der Debatten bleibt &/oder unhinterfragt vorausgesetzt wird.

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