Soll nun die Homo-Ehe den Anlass sein, das Ehegattensplitting abzuschaffen? Im Hinterkopf muffelt das Scheinargument: Wenn die jetzt auch heiraten dürfen, dann ist die Ehe eh nichts mehr wert. Oder etwas anderes?
Redakteur Jochen Bittner von Zeit.de formuliert diesen Quatsch: „Warum sollen Frau Merkel und Professor Sauer steuerlich besser dastehen als eine junge Familie, die überteuerte Windeln kaufen muss? Tja, das ist die Frage.“
Rechnen wir mal nach: Frau Merkel verdient ca. 200000 Euro im Jahr. Was ihr Mann Prof. Sauer verdient, weiß ich nicht wirklich, aber nehmen wir mal ein hohes Professorengehalt an, also ca. 100000 im Jahr. Welchen Splittingvorteil macht das im Jahr, also wie viel Steurern sparen sie im Jahr im Vergleich dazu, wenn sie eine wilde Ehe führen würden? Anwort: Null Euro. In Zahlen: 0. Diese Erkennnis habe ich der Wikipedia-Grafik entnommen.
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6d/ESt_D_Auswirkung_Splitting.png
Gegenrechnung junge Familie, Einkommen 25000
Fall1: Verdient einer alles, zahlen sie nach der Heirat ca. 2500 Euro weniger Steuern im Jahr.
Fall2: Verdient einer 70%, der andere 30%, zahlen sie nach der Heirat ca. 400 Euro weniger Steuern im Jahr.
Also: bei Ungleichverteilung der Einkommen ergibt sich ein größerer Steuervorteil.
Aber: das verfügbare Einkommen ist in Fall 1 und 2 am Ende gleich. Die Veränderung durch die Heirat ist anders, das Endergebnis nicht.
Es bleibt die Wahrheit: Ehe bringt in vielen Fällen einen Steuervorteil gegenüber Nicht-Ehe. Stehen dem vielleicht auch Nachteile gegenüber?
1 - Unterhaltspflicht. Wenn ein Partner nichts verdient, kann er nicht direkt staatliche Unterstützung beantragen, an erster Stelle verpflichtet ist der Ehepartner.
2 - Im Trennungsfall wird der materielle Zugewinn aus der Ehezeit geteilt. Zugewinngemeinschaft. Weil der Zugewinn jedem nur zur Hälfte gehört, versteuert jeder auch nur die Hälfte (plus die Hälfte vom anderen Einkommen).
3 - Die Rentenansprüche werden beim besser verdienenden Partner natürlich höher. Aber – die werden auch bei Scheidung geteilt. Bei Nichtscheidung gehört das Geld permanent beiden.
Mein Fazit: Die standesamtliche Ehe ist eine Verpflichtung, die teilweise staatliche Pflichten ersetzt. Für diese Verpflichtung gibt es Steuernachlass. Das könnte man alles weglassen, dann aber bitte beides: Verpflichtungen und Rechte, Vor- und Nachteile. Ich höre immer nur was Abschaffung der Vorteile, dass Nachteile abgeschafft werden sollen, höre ich nicht. Solange das so bleibt, ordne ich die Antisplitting-Front bei den Neoliberalen ein.
Und wenn ich jetzt hier irgendwas falsch gerechnet habe, dann haut es mir um die Ohren. Aber nicht mit solchen Falschsätzen wie „Warum sollen Frau Merkel und Professor Sauer steuerlich besser dastehen…“
Diskussion zum Thema gab es auch schon hier: https://www.freitag.de/autoren/katja-doerner/zeitpolitik-und-geschlechtergerechtigkeit
Kommentare 14
An zwei Stellen (1, 2) sah ich gerade die Anregung, die Lebenspartnerschaft, wie sie bisher in der Ehe organisiert ist, auf alle möglichen Personenpaare auszudehnen.
Warum eigentlich nur Paare, warum nicht 3 Leute? Gemeinsame Veranlagung, gegenseitige Unterhaltsverpflichtung...
Ha, wieder was gelernt. Dass Du auch immer ans Geld denken musst, Mr. pragmatic Splittingchampion? Brrrr. Ehrlich, ist das alles was es zum Thema Homoehe zu sagen gibt? Komm schon. Wo bleibt die Liebe?
Fragt sie, versackt zwischen Exceltabellen und Finanzierungsplänen, versunken in fiktiven Konstrukten, nichts als kreativen Zahlengebäuden, leider. Das Grauen, naja, irgendwie ist es auch ein ganz kleinbisschen geil, das mit den Zahlen. Da kann eine*r sich voll einen runterholen, so, »mein Ergebnis ist besser als Deines«, ha, »take that sucker« ... sozusagen im, öhm, Controllingrausch. Alles Hypo-these.
Die Idee mit 3er, oder auch 4er Lebens-Heiratsgemeinschaften finde ich wahnsinnig zivilisiert, übrigens. Die supi supi Idee, ich schwör'. Sollte definitiv als nächstes auf die Agenda, als, wie nennt man das doch gleich: partnerschaftlichromantisierte Zugewinngemeinschaften? Zwischen mehr als zwei Akteuren! Weil, so ist das ja im richtigen Leben auch: Mensch hört in der Regel ja nicht plötzlich auf sich um den Anderen zu kümmern, wenn die Beziehung irgendwann den Bach runter geht und die Liebe weg ist. Verantwortung bleibt. Kümmern tut man sich auch danach immer noch, weil verbunden durch Kinder etc., das bleibt ... und sollte steuerlich – als erweiterte Lebens- und Liebesgemeinschaft – geltend gemacht werden können, finde ich. Na gut. Oder auch nicht, dann wären wir ja schon bei Houellebecq, Soumission.
Spannend übrigens die Tabelle der Splittingauswirkungen. Irre eigentlich, wie unausgewogen sich die Vorteile verteilen, oder? Hätten Merkel & Sauer beispielsweise ein etwas höheres (500T) Einkommen, dann gäbe es für sie doch tatsächlich wieder einen Splittingvorteil, wenn ich das richtig verstanden habe?
Mehrpersonenpartnerschaft (die Montagsdresdner verkürzen das dann bestimmt auf Vielweiberei), genau, Ehe ist doch Kommunismus im Kleinen, der Zugewinn gehört allen, weil er eben im Wesentlichen daran hängt, dass es das gemeinsame System überhaupt gibt. Nationalstaat als Superehe, das ist Kommunismus, Zugewinngemeinschaft mit allen. Statt den kleinen Kommunismus zu erweitern, soll er der Gleichstellung wegen für alle abgeschafft werden.
Liebe und Homo-Ehe? Natürlich sollen sie, alle, was soll dazu noch sagen? Liebe braucht nicht die Gesetze, die Anerkennung und Akzeptanz darf aber schon in Gesetz gemeißelt werden, soll sogar, nicht dass es sich jemand wieder anders überlegt.
Zurück zu den Zahlen:) Wenn sie 400T€ verdiente, er weiter 100T€, dann würden sie ca. 4000 Euro sparen durch Splitting. Wenn sie nun 300000 verdienen täte und er 200000, dann würden sie durch das Splitting per Ehe ca. 1300 Euro an Steuern sparen gegenüber dem unverheirateten Zustand. Skandalös, nicht wahr? Und die junge Familie muss sich das Geld für überteuerte Windeln vom Munde absparen – was für eine Gedankenkette! Dass die Splitting-Streichung dem jungen Paar mal eben schnell das Doppelte kosten könnte, da muss man ja nicht drüber sprechen. Wie viele 500000er-Paare gibt es, wie viele 25000er?
Jo Janto, deinem Kommentar bei JuLöff stimme ich zu. Den Begriff „Scheinargument“ finde ich auch nicht recht passend, aber mir fiel nichts Besseres ein. Die Durchsichtigkeit des Manövers finde ich allerdings nicht gegeben. (Neoliberale) Vereinzelung der Wirtschaftsubjekte hinter Homophobie zu verstecken macht das Manöver doch nicht unsichtbarer, außer für die rechtskonservativen vielleicht. Aber warum man das gerade vor denen verstecken müsste, offenbart sich mir nicht.
Howdi Schwuggi, schau mal, hier ein sehr persönlicher Text von Frau Taz über die Bedeutung des Heiratens. Fand schön, was sie über die soziale Bedeutung und Wahrnehmung als Paar sagt. (Mir wurde beim Lesen aber auch wieder klar, zum heiraten fehlt mir irgendwie ein Gen. Geht gar nicht. Ich brauch' die Tür. Also, eine Tür, die würde ich heiraten, jederzeit.) :-]=
Eigentlich unglaublich finde ich aber, dass es rechtlich keine Gleichstellung gibt. Vor allem, dass dies natürlich überhaupt nicht zu begründen ist. Eigentlich müsste das ein Verstoß gegen das GG sein, oder, gegen den Gleichbehandlungsparagraphen?
Als Mitglied eine Minderheit, mehrerer sogar, fand ich aber diesen Kommentar noch wichtig: “Here’s the thing about rights – they’re not actually supposed to be voted on. That’s why there’re called rights.” (A referendum is not the way to go when it comes to gay rights or minority issues, Saeed Kamali Dehghan.)
... ey, der Kommentar ist natürlich meschugge. Aber was liest Du seine Kommentare auch? Selbst schuld. Ich sag nur L a t t e n s c h u ß. :-O####
Ehe - als rechtlicher (und somit steuerlicher) Konstrukt soll ausnahmslos jedem offen stehen, unabh. der Kombination der Geschlechter. Von mir auch auf mehr als 2 Personen bezogen. Also eine Art "vorgefertigter Solidarvertrag von >= 2 Menschen)
EhegattenSplitting soll so oder so abgeschafft werden. Denn es ist mehr als Steuerbevorteilung gg. Nicht-Ehen, sondern verstärkt sich je unterschiedlicher die beiden Einkommen, wie Ihr Beispiel oben gut zeigt.
Der Umwandlung von Ehegattensplitting in Partnersplitting stehe ich positiv gegenüber.
Wie ich ausführte, stehen der Steuerbevorteilung aber auch Pflichten gegenüber, die es ohne Ehe/Partnerschaft nicht gibt. Wenn die Übernahme dieser Pflichten im Sinne des Gemeinwohls ist, dann sehe ich einen Steurvorteil als angemessen an. Und dann: der Gewinn während der Ehezeit gehört jedem nur zur Hälfte. Warum soll dann einer alles versteuern?
Es stimmt schon, warum sollte eine finanzielle Gemeinschaft mehr versteuern als ein Einzelner. Dann aber müsste man es nicht nur für "Ehen" ermöglichen (ob hetero, homo, etc.), sondern für jede finanzielle Gemeinschaft, z.B. auch eine "Kommune der Milliardäre", wo jeweils die Summe aller Einzel-Einkommen versteuert wird. Ansonsten ist es die Bevorzugung der "Familien" gg. anderen "Gemeinschaften" (weil man sich "mehr Kinder" erhofft für die Renten). Das wäre rechststaatlich eine Diskriminierung.
Hinzu kommt, ich zitiere Ihr Beispiel:
"Wenn sie 400T€ verdiente, er weiter 100T€, dann würden sie ca. 4000 Euro sparen durch Splitting. Wenn sie nun 300000 verdienen täte und er 200000, dann würden sie durch das Splitting per Ehe ca. 1300 Euro an Steuern sparen"
daß das derzeitige Splitting nicht nur die Summe der Einzeleinkommen versteuert, sondern ermöglicht, daß man die Steuerstufen tauscht: der Hochverdiener darf dann mit der Stufe des Niedrigverdienenden versteuern, während der die hohe Steuerstufe des ersteren "opfernd" übernimmt. Also, wie in Ihrem Beispiel, ist bei gleicher Gesamtsumme der Einkommen die Steuerersparnis je größer, je größer der Unterschied der beiden Einzeleinkommen ist. Das ist doch Humbug und Trickserei!
Die Bevorzugung der Ehegmeienschaft ohne Bezug zu (den gemeinschaftlich erwünschten) Kindern ist fragwürdig, stimmt. Abmildernd kommt aber die (gemeinschaftlich erwünschte) Übernahme der fianziellen Fürsorgepflicht dem Ehepartner gegenüber.
Die Gemeinschaft der Milliardäre darf sich gerne bilden, wenn sie eh alle Spitzensteuersatz zhlen, dann sparen sie nichts. Wenn sie sich ein paar arem Kirchenmäuse mit reinnehmen, sparen sie Steuern – aber die Kirchenmäuse verdienen auch mit. Als diese Kirchenmäuse werden gerne die Blondinen angesehen, die an der Seite der Milliardäre auftauchen.
„der Hochverdiener darf dann mit der Stufe des Niedrigverdienenden versteuern, während der die hohe Steuerstufe des ersteren "opfernd" übernimmt.“ – Nein, stimmt nicht. Die Einkommen der Ehepartner werden addiert, jedem die Hälfte zugerechnet, jeder mit Steuerklasse 4 versteuert. Was Sie wohl meinen ist die Aufteilung in Steurklassen 5und 3, einer zahl viele Prozent Steuern als Sofortabzug auf dem Lohnzettel, der andere weniger. Aber das wird am Jahresende mit der Steuererklärung ausgeglichen, es kommt also wieder so hin, als ob beide Steuerklasse 4 hätten. Ein kleiner Zinsgewinn ergibt sich vielleicht durch die spätere Zahlung von Steeurn, aber das ist fast nix.
@"Was Sie wohl meinen ist die Aufteilung in Steurklassen 5und 3, einer zahl viele Prozent Steuern als Sofortabzug auf dem Lohnzettel, der andere weniger. Aber das wird am Jahresende mit der Steuererklärung ausgeglichen,"
Vielen Dank für die Korrektur, dann wurde ich halt von anderer Stelle falsch informiert (Steuerklassen 3 & 5). Wenn es so ist, dann spricht nichts gegen "Ehegattensplitting" - wenn es denn für alle und nicht nur für Mann-Frau-Ehen zur Verfügung stünde. Aber, wie gesagt, es wäre rechtlich auch fair, wenn dieser Vorteil anderen Gemeinschaften (Großfamilie, Kommune, WG etc.) zur Verfügung steht - sofern wie bei Ehe nachgewiesen ist, daß es keine "Scheingemeinschaft zur Steuervermeidung" ist, sondern eine echte Finanzgemeinschaft.
fair, wenn dieser Vorteil anderen Gemeinschaften (Großfamilie, Kommune, WG etc.) zur Verfügung steht – das sehe ich auch so. Dieser Vorteil, verbunden mit den Nachteilen/Verpflichtungen wohlgemerkt. Wobei ich nicht glaube, dass das realpolitisch denkbar ist, oder es muss raffiniert formuliert sein. Ansonsten kann damit natürlich auch die Mehrfrauenehe eingeordnet werden, was Pegida und Co einen Schub geben würde, den ich nicht brauche. Ich sehe es aber auch nicht ein, dass um der Vermeidung dieses Schubes wegen die staatliche Förderung der kleinen Sozialgemeinschaft abgeschafft werden soll, es gibt da nämlich viel mehr 25000er-Ehen, die 2000 Euro verlieren, als 500000er Ehen, die 1000 Euro verlieren.
Da muss die Ehe also bleiben und die Homo-Ehe dieser gleichgestellt werden. Mehr Option sehe ich nicht.
einer autobahnmauthaften Diskussion über die Vor- und Nachteile des ... Ehegattensplittings
Sososo. Aber einer muss es tun. Sonst wird ein nächstes Mosaikchen vom sozialen Staat gekappt, und die davon Betroffenen gehen in die Diskussion mit falschem Verständnis. Merken es gar nicht. Legomännchen und Holzböcke poste ich natürlich lieber. (;
Whoopsi, ertappt. :-))))
Bin doch da ganz bei dir, finde es sehr wichtig. Und großartig wie anschaulich du es machst.