Freiheit und das Lob der Jugend

Der Gauck in mir Wer in Freiheit das Glück finden will, der laufe ihm nach. Oder lasse es bewusst sein.

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Viele Jahre lebte ich einer Stadt, in der der Weg von der Jugend zur Freiheit über Lenin führte. Jedenfalls wenn man schnell sein wollte und die direkte Straßenbahnverbindung wählte. Die Zeiten haben sich geändert, die Staatsangehörigkeit der Bewohner und die Gesellschaft nebenbei auch. Real existieren: Abwanderung, Männerüberschuss, Lohngefälle, Mindestlohn. Die Chancen, in eine unzufrieden machende Lebenssituation zu geraten, sind größer als im Westen. Neenee, das soll jetzt keinesfalls heißen, als Wessi sei man zufriedener. Besser dran? Nein, auch nicht, denn die Freiheit haben wir alle. Die Chance der Freiheit ist das Weggehen, in Freiheit das Glück finden kann vornehmlich der, der dem Glück nachläuft. Wohin aber? Schauen wir noch mal auf die Daten oben: im Westen sind die Frauen, im Westen ist der bessere Lohn, im Westen ist die Arbeitslosenquote geringer. Der Westen hört in Aachen natürlich nicht auf, da gibt es noch Amerika, dahinter China.

Der freie Weg ist eine Chance, und er ist eine Zumutung. Eine Zumutung, wenn er von etwas weg führt, was ein Verweilen wert erscheint. Das ist auch gar nicht zu bemängeln, es möge verweilen, wer dem den entsprechenden Wert beimisst, und man lebt ja schließlich nicht in einer sozial leeren Welt, ohne Freunde und Familie. Hoffentlich. Da in der Jugend die lokalen Familienbande nicht so wichtig sind, der Weg an neue Orte leicht fällt und gewollt ist, ist leicht verständlich, dass das Lob auf die Jugend in der freien Gesellschaft so groß ausfällt, manchmal zu groß. Aber: wer die Zumutungen der Freiheit ablehnt, lehnt auch ihren Segen ab. Eine soziale Marktwirtschaft, die diesen Namen verdient, muss die Zumutungen entschärfen können, ohne die Freiheit abzuschaffen. Zumutungen abschaffen, muss sie das? Ja wohl nicht. Also liebe Dresdner und Zuschauende, wer demonstriert und fordert, möge bedenken, ob die Forderungen die Zumutungen der Freiheit bekämpfen sollen, oder die Freiheit.

Der Leninplatz heißt heute Marienplatz.

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Geschrieben von

Dersu Usala

Gefangen im Bewusstsein des Unlösbaren, zu lösen nur durch Lösen vom Bewusstsein.

Dersu Usala

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