Houellebecq im Interview

Prophezeiung Im aktuellen Spiegel ist ein super Interview mit Michel Houellebecq zu finden, geführt wurde es von Romain Leick. Als ich den Namen des Interviewers sah, frohlockte ich.

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Leick schafft es regelmäßig, seinen Interviewpartnern nahrhaften Gedankensaft zu entlocken. Die Interviewführung zu analysieren wäre sicher auch interessant. Hier Auszüge und Gedanken dazu:

Houellebeq: Ich glaube, dass ein historischer und politischer Zyklus, der mit der Französischen Revolution 1789 begann, sich dem Ende zuneigt. […]

Der Rationalismus wird von immer mehr Menschen als erstickend empfunden. Es gibt eine spirituelle Macht, die noch aktiv ist und sogar wieder erstarkt. Das lässt sich am Erfolg gewisser Bücher und Filme wie „Herr der Ringe“ ablesen. Der Atheismus weicht zurück, er stirbt an seinen eigenen Zweifeln. Ich teile die Ansicht des Philosophen Auguste Comte, dass eine Gesellschaft ganz ohne Religion nicht fortbestehen kann. Ihr droht die völlige Desintegration. Religiöse Werte und Normen, die soziale Ordnung stärken, wirken angstlindernd und entlastend auf den Einzelnen.

Kommentar Dersu: Die Religion der Demokratie hieß zuletzt immer „Fortschritt“. Das funktioniert gerade nicht. Gentechnik, Kernkraft, Freihandel – wir glauben nicht daran, dass uns das hilft. Neben „Herr der Ringe“ als Beleg für zunehmende Spiritualität könnte ich Star Trek als Beleg für den schwindenden Positivismus anführen. Neulich versuchte ich „Star Trek – Into Darkness“ zu schauen – Terrorschlag, ballernder Bösewicht usw., ich hielt es nur eine halbe Stunde aus. Die humanistischen Monologe des Ex-Captains Jean-Luc Picard (1987-94) hingegen trieften von hoffnungsvoller Botschaft.

Wenig später schwenkt das Thema im Interview von dem, was schwindet, zu dem, was dafür kommt. Wiederkommt.

Leick: Konfrontiert mit der Welt der Natur und dem gestirnten Himmel über Ihnen, fühlen Sie sich dem Schöpfer nahe?

Houellebeq: […] in der Stadt sind wir nicht so intensiv in Berührung mit der Schöpfung, wie das am Anfang vorgesehen war. Die Erfahrung der Einsamkeit im Angesicht der Schöpfung führt uns auf eine ganzheitliche Betrachtung des Universums und auf eine theistische Vision der Welt zurück.

Kommentar Dersu: Da es uns zurück führt, kann ich ein Zitat aus Astrid Lindgrens Bullerbü anführen: „Ich lag noch so lange wach und hörte, wie es im Wald rauschte. Es rauschte nur etwas. Und kleine Wellen schlugen gegen den Strand, leise, ganz leise. Es war alles so seltsam – plötzlich wusste ich nicht, ob ich traurig war oder froh. Ich lag da und versuchte zu fühlen, ob ich traurig oder froh war, aber ich bekam es nicht heraus. Vielleicht wird man vom Schlafen im Wald ein wenig wunderlich.“

Ja, das kennen wir, ist das nun wunderlich oder normal?

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Geschrieben von

Dersu Usala

Gefangen im Bewusstsein des Unlösbaren, zu lösen nur durch Lösen vom Bewusstsein.

Dersu Usala

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