Wahrheit und Gewissen

Gewissen des Autors Die Gewissenbisse des Kommentators, der ein Autor werden könnte: Soll ich auch die Argumente aufzählen, die meiner Meinung widersprechen?

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Beim Lesen vieler Artikel zum NSA-Snowden-Komplex, gerade auch hier beim FREITAG, beschleicht mich das Gefühl, agitiert zu werden, dass also der Autor bewusst die Argumente der Gegenseite weglässt. Ich habe dann den Impuls, diese Argumente als Kommentar zu ergänzen, obwohl ich dem Autor in seiner Meinung folge, dass die Aufdeckung absolut richtig ist und dass man Snowden unterstützen muss.

Sollte ich nun diese Gegenargumente erwähnen? Bin ich Historiker oder bin ich Journalist, und macht das einen Unterschied? Puh, ich bin ja nur Kommentator. Das Wirkpotential des Autors ist einfach größer als das des Kommentators (ob das Potential sich überhaupt irgendwo auswirkt, sei mal offen gelassen). Aber wenn ich Autor eines Artikels wäre, was ändert das? Soll ich nach meinem Gewissen entscheiden und den Leser in die richtige Richtung lenken? Bin ich gewissenlos, wenn ich es nicht tue und die Argumente der Gegenseite aufzähle?

Ich finde die Gesamtheit der Argumente nicht so, dass ich ohne logischen Sprung zu einer Meinung kommen kann. Diesen Sprung kann ich nicht vermitteln.

In schneller Überdenkung sah ich den Journalisten bisher als den Faktenvermittler, der dem Leser seine Meinungsbildung offen lässt. Aber das ist quatsch, und das mit gutem Gewissen. Wenn ich nun aber Fakten lesen will, die mir die Meinungsbildung offen lassen, dann muss ich dem Journalisten das Thema geben, den es am wenigsten berührt. Das wiederum trifft sich wohl nicht mit der Berufsrealität – wer Nahostkorrespondent wird, der wird sich bestimmt schon länger für Land und Leute (einer Seite?) mit Sympathie interessiert haben, sonst hält er die Durststrecke am Berufsanfang nicht durch.

Auf den Syrienkonflikt will ich die These noch anwenden. Ich habe den Eindruck, dass die Journalisten der deutschen Medien in der Mehrheit für ein militärisches Eingreifen des Westens sind. Ich vermute, dass kommt daher, dass diese Journalisten sich auch schon vorher gerne in Syrien gerne aufgehalten haben, und dort haben sie in den bürgerlich liberalen Kreisen verkehrt, weil sie aus ähnlichen Kreisen ihrer Heimatländer kommen. Die bürgerlich Liberalen wollen, dass Assad abdankt, diese Meinung hat angesteckt. Wenn es nicht ohne Auslandsmilitär geht - dann eben mit.

Als Autor sollte ich weiter versuchen, diese Thesen mit Fakten hinterlegen. Das wird anstrengend.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dersu Usala

Gefangen im Bewusstsein des Unlösbaren, zu lösen nur durch Lösen vom Bewusstsein.

Dersu Usala

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