Eine App zum »Ankommen«

Willkommenskultur digital »Ankommen« will Flüchtlingen ein Wegbegleiter für die ersten Wochen in Deutschland sein

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Eine App zum »Ankommen«

Foto: John MacDougall/AFP/Getty Images

Die App informiert über das Leben in Deutschland, über Asyl, Ausbildung und Arbeit und stellt einen Basis-Deutschkurs bereit. Sie ist in fünf Sprachen verwendbar: in Arabisch, Farsi (Persisch), Englisch, Französisch und Deutsch. Eine nähere Betrachtung ihres Nutzwerts überzeugt durchaus!

»Guten Tag! Sie haben eine lange und beschwerliche Reise hinter sich. Aber jetzt sind Sie in Deutschland angekommen. Ankommen bedeutet im Deutschen aber noch viel mehr«, heißt es im Begrüßungstext der App. Nämlich: Ankommen in der Gesellschaft. Hierbei soll die App helfen; hierfür haben das Goethe-Institut, der Bayerische Rundfunk (BR), die Agentur für Arbeit und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge »Ankommen« entwickelt.

Anknüpfungspunkte

Es geht um praktische Orientierungshilfe, etwa bei Fragen zum Asylverfahren, zur Unterkunft oder zur Mobilität, die die App leisten möchte. Sie fordert die Ankommenden auf, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Der digitale Deutschkurs sowie die Vermittlung von hierzulande geltenden Werten und Regeln sind daher zentral. Die Perspektive von Zugewanderten wird auch eingenommen. In der Rubrik »Typisch deutsch?« stellen Frauen und Männer aus Syrien, der Ukraine, Griechenland sowie weiteren Ländern ihre Sicht auf Deutschland vor. Zum Beispiel berichtet Ferhad aus Syrien von seinem Erstaunen, als bei einem Besuch im Landratsamt die Unterschrift seiner Frau ausreichte: »Das hatten wir nicht in Syrien, da unterschreibt immer der Mann.«

»Als praktischer Wegbegleiter in der Hosentasche soll die App ›Ankommen‹ helfen, mit Sprach-, Kultur- und Wertevermittlung sowie praktischen Tipps für den Alltag«, benennt Ulrich Wilhelm, Intendant des BR, in der Pressemitteilung vom 13.01.2016 das Ziel der App.

Leichter Zugang

Die App steht im PlayStore und App Store kostenlos zur Verfügung. Nach der Installation kann sie auch offline genutzt werden, womit eine wahrscheinliche sowie entscheidende Barriere – ein nur begrenzter Zugang zum Internet – genommen ist. Bei der erstmaligen Verwendung öffnet sich als Erstes ein Sprachauswahl-Dialog, in dem zwischen den fünf Sprachen (s.o.) gewählt werden kann.

Die Menüführung ist intuitiv und zunächst sprachunabhängig. Selbsterklärende Piktogramme geben Aufschluss über die Inhalte hinter den Bedienelementen. Ein kleiner Button mit Zahnrad weist auf weitere Funktionen hin, worunter auch die Spracheinstellungen fallen. Auf der Ebene der Kategorien und Artikel basieren die Bedienelemente vorrangig auf Text und Pfeilen. In der arabischen und persischen Sprachausgabe ist die Menüführung der Leserichtung von rechts nach links angepasst. Die Wischrichtung verläuft entsprechend nach links und die Navigationspfeile befinden sich oben rechts.

Die Anmutung der App wirkt dynamisch. Ausdruck und Aussage korrespondieren, d. h. die Gestaltung transportiert den Inhalt. Hinter den gestalterischen Elementen steht zudem fast immer eine Funktion.

Im Englischen wie im Deutschen verzichtet die App auf Fremdwörter und Schachtelsätze. Rechtliche Termini, die beispielsweise im Zusammenhang des Asylverfahrens stehen, werden konkret hinsichtlich dessen erklärt, was sie für die Lebenssituation der Flüchtlinge bedeuten.

Etwas veralbernd mag einem das Belohnungssystem vorkommen. Für das Lesen der Texte und Machen des Deutschkurses werden Medaillen verteilt und in einer Erfolgsliste gesammelt. Die finale Kronen-Medaille kürt einen wohl nicht zum König von Deutschland.

Deutsch als Tor zur Gesellschaft

Der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe, sagt Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, sei Sprache. »Wir leisten mit dieser App und dem Sprachkurs des Goethe-Instituts einen wesentlichen Beitrag für die kritischen ersten Wochen nach der Ankunft in Deutschland. In diesen ersten Wochen werden Weichen gestellt, die das Leben der Flüchtlinge dauerhaft bestimmen.« Der Deutschkurs beinhaltet interaktive Hörverstehens-, Schreib- und Leseübungen. Er arbeitet mit Fotos und Audios und setzt App-spezifische Anwendungen ein. Zum Beispiel können Satzglieder per Finger oder Stift in die richtige Reihenfolge gezogen werden. Die Übungen sind abwechslungsreich und beziehen sich auf lebensnahe Themen wie einer Begegnung in der Cafeteria oder alltäglichen Dingen am Arbeitsplatz.

Nutzwert?

Ja: Der App gelingt es, die unmittelbaren Lebensbedürfnisse der Ankommenden aufzugreifen und den rechtlichen wie auch sozialen Rahmen für erste Schritte in Deutschland zu vermitteln. Sie ist in jeder Hinsicht leicht zugänglich: Sie kostet nichts, kann offline verwendet werden und hat eine intuitiv bedienbare sowie kulturell anpassbare Menüführung. Vor allem spricht sie die Sprachen vieler Flüchtlinge. Der Deutschkurs gibt durch seine interaktive, abwechslungsreiche und thematisch lebensnahe Aufbereitung vielfältige Lernanreize.

»Ankommen« soll in erster Linie durch die Vertretungen staatlicher und kommunaler Behörden und die Hilfsorganisationen vor Ort Flüchtlinge erreichen.

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