Herbert Kubicek:
Wenn es um politische Transparenz geht, dann sollte eine Behörde, die von den Bürgern oder Nichtregierungsorganisationen kontrolliert werden soll, nicht nach Lust und Laune selbst entscheiden dürfen, welche Daten sie zur Kontrolle freigibt. Dafür müssen Bürger oder auch Journalisten einen Anspruch erhalten, Verträge und weitere Daten einsehen zu können. Nur so ist Transparenz im Sinne von demokratischer Kontrolle wirksam – inklusive des Kampfs gegen Korruption.
Open Government Data hat ja zwei Ziele: Die Transparenz der Verwaltung im Sinne politischer Kontrolle und die Erzeugung von informationellem Mehrwert, den die Verwaltung nicht selbst erzeugen kann. Unternehmen, aber auch Nichtregierungsorganisationen können Rohdaten der Verwaltung besser aufbereiten und mit anderen Daten verknüpfen. Es stimmt: Mit einer Novellierung des von 2006 stammenden Gesetzes könnte eine Anpassung an die Ziele des Regierungsprogramms „Vernetzte und transparente Verwaltung“ mit dem Projekt „Open Government“ erfolgen. Das wäre ein Fortschritt.
Was muss dafür getan werden?
Ein neues Informationsfreiheitsgesetz des Bundes müsste zwei Punkte beinhalten, die in einzelnen Bundesländern schon verbessert wurden: Erstens die Verpflichtung zur proaktiven Veröffentlichung bestimmter Dokumente und Dateien und den Zugang über ein zentrales Register – wie etwa in Bremen. Zweitens darf „Anspruch auf Zugang zu den Dokumenten und Dateien“ nicht nur Kenntnisnahme bedeuten, sondern muss auch die Weiterverbreitung erlauben – wie dies etwa in Hamburg geregelt ist.
Aber nutzen zum Beispiel die Bremer Bürger ihre vergleichsweise weitgehenden Rechte überhaupt?
Wir haben mit der Forschungsgruppe Wahlen eine repräsentative telefonische Umfrage durchgeführt. Bemerkenswert war, dass nur die Hälfte der Bremer das Gesetz kannte und davon die Hälfte das Gesetz mit der Meinungsfreiheit verwechselte. Das nach diesem Gesetz geschaffene Zentrale Informationsregister kannten allerdings sehr viel mehr Befragte, und es wird auch gut genutzt. Experten reden offenbar über Etiketten, die im Alltagsbewusstsein nicht so präsent sind. Aber das, was de facto geschaffen wird, kommt durchaus bei der Bevölkerung an.
Sollten die Menschen auch Zugang zu Datenbanken in Firmen bekommen?
Es kommt darauf an, um welche Art von Unternehmen es sich handelt. Es gibt Verkehrsbetriebe, Gas-, Wasser-, Energieversorger, die mal kommunal und mal in einer Aktiengesellschaft betrieben werden. Wenn es um öffentliche Aufgaben geht, dann muss man die Aktiengesellschaften so behandeln wie Verwaltungen. Wenn aber ein Unternehmen nur in einem Teilbereich staatliche Subventionen bekommt – etwa für ein Projekt –, dann kann man daraus nicht ableiten, dass alle Daten dieses Unternehmens transparent gemacht werden sollen. Hier ist nur eine partielle Transparenz für den öffentlich finanzierten Anteil geboten.
Aber was geschieht, wenn das Unternehmen selbst in diesem Bereich mauert und sich auf Betriebsgeheimnisse beruft?
Früher war das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ein häufig angeführter Grund, den Zugang zu Informationen zu verweigern. Nach den neuen Informationsfreiheitsgesetzen in Berlin und Bremen müssen „Verträge der Daseinsfürsorge“ aber zugänglich gemacht werden. Die betroffenen Unternehmen können sich dann nicht mehr auf Geschäftsgeheimnisse berufen. Die große Bedeutung von Verträgen müssen wir in der Open-Data-Diskussion noch deutlicher machen. Da ist meistens nur von Rohdaten im xml-, cvs- oder sonstigen Dateiformaten die Rede, die die Weiterverarbeitung erleichtern. Für die Transparenz finde ich aber einen Vertrag im pdf-Format – das selbst nicht offen ist – politisch natürlich viel relevanter.
Das geht so sicher nicht. Es handelt sich um einen Prozess mit vielen Komponenten. So ist in Bremen etwa eine eigene Gesellschaft für Geodaten gegründet worden, die die Auflage hat, Daten kommerziell zu verwerten. Es muss also an verwaltungsinternen Richtlinien und dem Haushalt gearbeitet werden.
Könnte eine solche Entwicklung auch den in Deutschland verankerten Datenschutz unterlaufen?
Das Prinzip des deutschen Datenschutzes ist, dass Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie erhoben werden. Das war damals beim Volkszählungsurteil das Problem: Daten wurden für die Volkszählung erhoben, aber die Verwaltung wollte sie auch zu Planungszwecken verwenden. Das hat das Bundesverfassungsgericht untersagt.
Open Data zielt aber gerade auf die beliebige Verwendung bereitgestellter Daten, weil man nicht vorab wissen kann, auf welche kreativen Ideen ein Unternehmen oder eine Organisation kommt, um einen Mehrwert aus den Daten zu erzeugen. Da sehe ich einen grundsätzlichen Konflikt. Wenn eine Verwaltung Daten zur Verfügung stellt, muss dies allen Beteiligten schon bei der Erhebung bekanntgegeben worden sein, und die Betroffenen müssen die Möglichkeit gehabt haben, darauf zu verzichten. Oder aber der Gesetzgeber befindet, dass hier das öffentliche Interesse stärker wiegt.
Herbert Kubicek, Jahrgang, 1946, ist Professor für Angewandte Informatik an der Universität Bremen sowie wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Informationsmanagement Bremen und der Stiftung Digitale Chancen in Berlin. Kubicek war einer der maßgeblichen Berater des Bremer Senats bei der Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes dort.
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