Das Leben der Selben

Stille Post Kolumne

Um zwei Filme geht es in diesem Text. Beide spielen im Geheimdienstmilieu, der eine in Ostberlin, der andere in Köln - doch zu dem später. In Warschau ist am vergangenen Wochenende der deutsche Beitrag Das Leben der Anderen mit dem Europäischen Filmpreis für Drehbuch und Regie ausgezeichnet worden. Sein Protagonist Ulrich Mühe wurde als bester Schauspieler Europas geehrt. Er spielt einen Stasioffizier, den sein böses Tun derart belastet, dass er heimlich mit den Verfolgten sympathisiert. Und das schon zu DDR-Zeiten. Genauso ist es gewesen, sagen die einen Zuschauer. Völliger Blödsinn, die haben gewissenlos ihren Job gemacht, so das Urteil der anderen.

Um so überraschender jetzt die Nachricht, dass in der Stasiaktenburg - vormals Gauck-, jetzt Birthler-Behörde genannt - noch 52 hauptamtliche MfS-Leute und zwei IMs wirken. Das musste die Chefin Marianne Birthler kleinlaut einräumen. Da ihr Vorgänger diesen Helfern der Aufklärung unbefristete Arbeitsverträge spendiert hatte, sei auch arbeitsrechtlich nichts zu machen. Das wird Menschen wie den stasibelasteten Eislauftrainer Ingo Steuer trösten. Die vermutlich gut bestallten Mitarbeiter versehen ihren Dienst hoffentlich gewissenhaft und nicht gewissenlos wie einst. Auf den Lippen stets das Lob des Opportunismus ihres einstigen Feindes Wolf Biermann: "Nur wer sich ändert, bleibt sich treu." Das Leben ist ein Film.

Als ich vor zehn Jahren mit einer befreundeten Kollegin die Pforten der Behörde betrat, um Akteneinsicht zu beantragen, hatten wir bei den Leuten vom Einlass bestimmte Assoziationen. Ein allzu bekannt strenger Ton. "Stasi seitenverkehrt", so das Urteil von A. in lapidarer Kürze. Stasi, Seiten gewechselt, wäre korrekter gewesen. Aber wer konnte das ahnen? Als ob im Haus der Wannseekonferenz noch das alte Wachpersonal säße. Vergleiche hinken. Andererseits, wer Ernst Klees profundes Personenlexikon Wer war was vor und nach 1945 liest, wird den Vergleich nicht abwegig finden, zumindest, was die oberen Etagen der alten Bundesrepublik betrifft. Es schien gar nicht genug Verdienstkreuze für wieder in Amt und Würden befindliche Blutrichter und Gestapo-Leute zu geben - von Professoren, Kulturmenschen und "Leistungsträgern" aus der Wirtschaft zu schweigen. Es ging nicht um Täter und Opfer, sondern Äther und Topfer.

Über den Betreuer beim Studium jener Spitzelakten, die meinen Lebenslauf rund 20 Jahre begleiteten, kann ich mich nicht beschweren. Er hatte Humor, konnte also unmöglich bei der "Firma" gewesen sein. Und auch nicht einer jener Funktionäre des DDR-Innenministeriums oder anderer Bereiche des Apparates, die nach der Wende in recht üppiger Zahl bei Gauck und Co. die Akten verwalteten und verwalten, wie der sächsische Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Michael Beleites, jetzt scharf kritisierte. Für sie alle gilt das schöne deutsche Sprichwort: "Wer auf der Fliegenklatsche sitzt, wird nicht getroffen". Oder F.W. Bernsteins Feststellung: "Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche."

Womit wir endgültig beim heiteren Teil wären. Kölner Verfassungsschützer haben auch einen Film gedreht, der vermutlich keinen Preis bekommen wird, auch kein Bundesverdienstkreuz. Die Abteilung 6 des Verfassungsschutzes - zuständig für Islamismus und islamistischen Terrorismus - soll spätestens 2009 mit allen 250 Mitarbeitern nach Berlin kommen. Diese existenzielle Zumutung hat bei den Schlapphüten kreative Kräfte geweckt, die sich in dem Drei-Minuten-Streifen vor allem in einem leidenschaftlichen Bekenntnis zum Kölner Karneval und weniger zum Dienstherrn Innenminister Schäuble manifestieren. Schnüffler als Funkenmariechen und Jecken. Die perfekte Tarnung! So an der Spree leider nicht möglich. Deshalb: Kein Karneval, kein Umzug. Vielleicht können statt ihrer die Berliner Ex-Profis einspringen Traurige Zeiten?


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