Die Journalisten irrten am Eröffnungstag um das metallene Haus herum und suchten mühsam den Eingang. Eine durchaus stimmige Metapher für das Jüdische Museum im Berliner Bezirk Kreuzberg, in das sich jeder seinen Zugang suchen muß, diesen genialen Libeskind-Bau, den der Bausenator ebenso irritiert wie zutreffend als »vertrauten Ordnungsformen widersprechend« charakterisierte. Zum Glück. Daniel Libeskind hat ein Gebäude mit dem Grundriß eines zerbrochenen Davidsterns hingesetzt, das es buchstäblich in sich hat. Weitgehend fensterlose Räume mit schmalen, teils aufsteigenden, teils fallenden Sehschlitzen erzeugen beim Besucher klaustrophobische Gefühle. Mit seinen verwinkelten Treppenhäusern und den versetzten Wänden wirkt das Gebäude wie ein expressionistisches Kabinett des Doktor Caligari. Noch ist das Museum ohne Inventar, und das soll bis weit ins nächste Jahr so bleiben. Vielleicht sollte es überhaupt leer sein als hermetischer Ort der Sammlung im anderen Sinne des Wortes, des Nachdenkens darüber, welcher geistige und materielle Reichtum deutschen jüdischen Lebens auf immer vernichtet worden ist. Als Betrachtung des nicht mehr Vorhandenen, wie in Stefan Zweigs Novelle »Die unsichtbare Sammlung«. Der von Libeskind geschaffene Bau eignet sich nämlich auf kongeniale Weise nicht dafür, museale Erinnerungsstücke museumsgerecht zu präsentieren. Diese Aufgabe sollte der benachbarte barocke Bau des ehemaligen Berlin-Museums übernehmen. Das neue Haus hat keine dienende Funktion, es ist eine offene Wunde.
Bei der Einweihung verwies der Architekt auf die Raumsituation und verband sie mit der Frage, was Berlin in Zukunft für eine Rolle spielen werde. Im Januar vor 66 Jahren war in der deutschen Hauptstadt zum letzten Mal ein jüdisches Museum eröffnet worden, sechs Tage vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten.
Jetzt ist Berlin wieder Hauptstadt. Am Tag nach Museumseröffnung traf sich beim Galadinner in den leeren Sälen an weißgedeckten runden Tischen eine Festgesellschaft, zu der auch der Kanzler gern hingegangen war. Eine ebenso noble wie ungewöhnliche Versammlung der Berliner Republik beim fund raising. (siehe auch Seite 2). Und in Abendkleid und Smoking vielleicht schon eine Performance dieses Museums in lebenden Bildern.
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