Internationaler Schmortopf

KULTURPROGRAMM Der neue Chef der Berliner Festspiele hat große Pläne

Eine leise Stimme könne sehr beharrlich sein, hat in einem Zeitungsinterview der frischgebackene Intendant der Berliner Festspiele GmbH, Joachim Sartorius, mitgeteilt, dessen Qualifikation für dieses Amt von manchem angezweifelt wird. Still und leise ging die Inthronisation vonstatten. So still, dass der Rat der Künste, der sich als Findungskommission eines Nachfolgers für den scheidenden Intendanten Ulrich Eckardt verstand, laut wie vergeblich protestierte. Die Mitglieder des Rates hatten vermutlich übersehen, dass die Berliner Festspiele zu jenen Einrichtungen zählen, die künftig voll vom Bund übernommen werden. Wer zahlt, bestimmt bekanntlich sowohl Musik wie Dirigenten und kann deshalb auf die Übernahme der Berliner Philharmoniker großzügig verzichten. Die Personalie Sartorius wurde hauptsächlich von Kulturstaatsminister Michael Naumann über die Bühne gebracht, der sich Schritt für Schritt ein System von kooperativen Sympathisanten schafft, wozu wohl auch der gerade erst ernannte Berlinale-Chef Dieter Kosslick zählen dürfte.

Eckardt, der die Festspiele die fast biblische Zahl von 28 Jahren erfolgreich geleitet hatte, äußerte sich noch Wochen zuvor nicht gerade schmeichelhaft über seinen designierten Nachfolger, den er als ein »typisches Westberliner Eigengewächs« disqualifizierte. Sein Favorit in der Nachfolge war der weltläufige Salzburger Festspielintendant Gerald Mortier, der sich jedoch ausgebremst sah, falls er überhaupt die Absicht gehabt haben sollte, nach Berlin zu gehen. Es sieht so aus, dass Michael Naumann entsprechende Gespräche mit ihm recht halbherzig geführt hat.

Eckardts Verdiktum vom Berliner Eigengewächs beschreibt dagegen eher eine Kontinuität von Karrieren. Ein Ostberliner Eigengewächs, falls es das noch in erkennbaren Größenordnungen innerhalb der hauptstädtischen Kulturlandschaft geben sollte, von Volksbühnenchef Frank Castorf einmal abgesehen, hätte a priori null Chancen. Erwünscht sind die Garanten des Gewohnten. Das schien wohl auch Ulrich Eckardt warnend vor Augen zu stehen, der sich in seiner Amtszeit vor und nach dem Mauerfall für Ost wie West engagierte. Beispielsweise war die Festspiele GmbH 1987 an der großzügigen Präsentation von DDR-Kunst in den ehemaligen AEG-Hallen beteiligt. Eckardts erfolgreiche Bemühungen, mit seinen Programmen den Deckel vom Westberliner Schmortopf zu nehmen, waren ebenso erfolgreich wie umstritten. Es bleibt abzuwarten, wie die Festspiele GmbH unter ihrem neuen Chef dazu beitragen wird, das abzuschaffen, was der CDU-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Klaus Landowsky, kürzlich als »Westberliner Identität« bezeichnete. Landowsky verwendete den ideologisierten Begriff im Zusammenhang mit dem geplanten Abriss der Deutschlandhalle, die nach seiner Meinung keine Westberliner Identität besaß. Ulbricht und Honecker, die solange von der besonderen politischen Einheit Berlin (West) träumten, hätten ihre späte Freude an derartigen Frontstadt-Markierungen gehabt.

Joachim Sartorius, der zur Zeit mit der Fusion von Goethe-Institut (München) und Inter Nationes (Bonn) zu tun hat, will die Berliner Festspiele internationalisieren. Da befindet er sich vermutlich in Übereinstimmung mit Naumann und dem Berliner Kultursenator Christoph Stölzl. Ob ihm diese ambitionierten Pläne gelingen und ob er es schafft, dem Unternehmen neue Akzente zu geben, steht auf einem anderen Blatt. Interessant war in diesem Zusammenhang die Eile, mit der der Präsident des Goethe-Institutes, Hilmar Hoffmann, bereits am 12. Juli den Wechsel seines Generalsekretärs öffentlich machte. Vielleicht wollte Hoffmann damit ein Signal an Inter Nationes geben, das am 14. Juli über die Fusion beriet. Nach dem geplanten Zusammenschluss beider Institutionen im September 2000 könnte ein Generalsekretärsposten für den bisherigen IN-Chef, Peter Sötje (SPD), frei werden. Was die Bereitschaft von Inter Nationes erhöhen könnte, der Fusion zuzustimmen. Joachim Sartorius indessen begrüßt womöglich bald das fusionierte Goethe-Institut in Berlin, denn der Wechsel von der Isar an die Spree ist noch nicht vom Tisch.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden