Vor zwei Wochen saß ihm noch Susanne Osthoff gegenüber, traumatisiertes Entführungsopfer irakischer Terroristen. Seine Art, sie zu befragen, war von der Grünen-Politikerin Antje Vollmer als "kalt und schmierig" bezeichnet worden, von Hans Leyendecker, Journalist bei der Süddeutschen Zeitung als "einfühlsam". Jetzt kündigen schneidige Fanfaren eine neue Sendung Reinhard Beckmanns an, und er scheint in seinem Element zu sein. Gäste: Die Mediengeburt Verena Pooth, früher Feldbusch, der Sprachpfleger Bastian Sick und die neue Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen. Ein melting pot nach dem Motto der meisten bundesdeutschen Fernsehtalkshows: Was Westler sich zu sagen haben. Kein Neid, Ossis, bei so was nicht dabei zu sein, ist kein Manko.
In solchen Sendungen ist das Fernsehen von heute ganz bei sich, in dieser Mischung aus Trash und Politik, dem Gemenschel, der völligen Abwesenheit von Distanz. Als "Männertraum und Supermutter der Nation" wird Verena Pooth herbeitrompetet. Ironie hat heute schulfrei. "Verona, Du siehst bezaubernd aus", schleimt der Moderator. Eigentlich hat er Recht. In ihren weißen Kleidern, dem glänzenden schwarzen Haar macht Pooth eine bella figura. Wenn da nicht die ewige Plapperstimme mit dem Timbre einer Polizeisirene wäre. Wir erfahren einiges aus dem Leben des jungen Paares Pooth/Pooth und seines kleinen Sohnes Diego. "Bei uns ist es wie bei vielen Familien, wir haben ein schönes Haus am Rhein." Kaviar für alle! Nun kommt der zweijährige Sohn ins Spiel, seine feinmotorischen Fähigkeiten. "Wie leidenschaftlich Du darüber erzählst, es ist wahnsinnig spannend." Mit diesem Urteil dürfte der Moderator ziemlich allein dastehen. Aber gut. Nachdem wir noch ein bisschen über Veronas Verhältnis zu Dieter Bohlen erfahren haben und über ihr Berufsbild ("Ich bin eine Mischung aus Moderatorin, Schauspielerin und Modedesignerin"), beginnt im Hintergrund der Sohn zu knetern. "Er hat meine Stimme gehört". Was bei der Lautstärke keine Überraschung ist.
Aber eigentlich ist Verona Pooth ja geladen worden, weil sie nicht deklinieren kann. Wir wissen schon, "hier werden Sie geholfen". Und jetzt kommt der Philologe und Buchautor Sick ins Spiel, sein Beststeller heißt Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Beckmann fragt Pooth, die gerade als Susi Schnatter in dem Film Himmel und Huhn Synchronisationsaufgaben abgeschlossen hat: "Hast Du den Genitiv lieb gewonnen?" "Ich weiß gar nicht, was ein Genitiv ist", die prompte Antwort. Eigentlich witzig. Jetzt macht Beckmann unter der Assistenz Sicks ein Spiel mit ihr. Sie soll entscheiden, ob es im Sommer "diesen Jahres" oder "dieses Jahres", "wegen schlechten Wetters" oder "wegen schlechtem Wetter", "das ist sinnvoll", "das macht Sinn" oder "das hat einen Sinn" heißt. Fragen, die sich die Fernsehmitarbeiter lieber selbst stellen sollten. Verhunzen sie doch unsere Muttersprache durch tagtäglichen Missbrauch, durch Falschbetonung, den Gebrauch falscher Fälle mehr, als eine arme Verona Pooth es je schaffen könnte.
Wer hat denn solche Schwachsinnswörter wie Interessensvertretung (die Vertretung von Interessens?) Schadensersatz oder Schadensfreude kreiert? Wer hat denn Filmtitel wie Die Wunder des Nil erfunden? Dürfen Eigennamen nicht mehr dekliniert werden, und wenn ja, warum nicht? "In Köln hat der Genitiv keine Chance", teilt uns der Rheinländer Beckmann mit. Vielleicht ist er deshalb aus den Sendungen verschwunden, weil so viele Menschen aus NRW in den Sendern hocken. Von den permanenten Falschbetonungen der Ortsbezeichnungen wollen wir schweigen. Sie dienen nur dazu, im falschen Moment richtig aufzufallen.
Womit wir beim dritten Gast von Beckmanns Talk wären, der Familienministerin. Nachdem Pooth und Sick, fleißig assistiert vom Moderator, für ihre Produkte geworben haben, nachdem die Klippschule der Nation ihre Arbeit getan hat, kommt Frau von der Leyen. Und natürlich betont Beckmann ihren Namen auf dem Von, für ihn offensichtlich der wichtigste Teil. Adel verpflichtet. Dass sie gleich noch das epitheton ornans "neuer Stern am Politikhimmel" umgehängt bekommt, geschenkt. Frau von der Leyen, wie bekannt, Mutter von sieben Kindern, teilt mit, dass ihre Familie in Niedersachsen bleibt und fügt beruhigend hinzu, dass "genug Flieger nach Hannover gehen". Dem Linguisten verschlägt es nicht die Sprache. Denn Flugzeug zu sagen, ist nicht mehr modern. Als Reinhard Beckmann die Ministerin fragt, was an Neuem auf dem Gebiet der Kinderbetreuung und an finanziellen Verbesserungen zu erwarten ist, als er hinzufügt, dass "Verona das auch wissen möchte", ist es Zeit, endlich abzuschalten. Soviel Herzigkeit der kapitalistischen Menschengemeinschaft ist einfach nicht zu ertragen. Da kann Sie wirklich nicht mehr geholfen werden.
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