Wo ist Mukila?

Geheimsprache Innerfamiliäre Verständigung

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Eine alte Freundin aus Kindertagen sprach im zarten Alter von ca. drei Jahren Xhosa, das muss so gewesen sein. Sie konnte das Wort „Knopf“ nicht aussprechen, sondern benutzte stattdessen dafür einen Klicklaut, der stark an das „Q“ der Xhosa erinnert.

Knöpfe bereiteten damals auch anderen so ihre Probleme, meine Schwester benannte die allerorts als „Druckknopf“ bekannten Verschlüsse kurzerhand in „Knuckdropf“ um. Der Staubsauger hörte bei ihr auf den schönen Zweitnamen „Saugstauber“. Diese Verdreher waren mir selber zu nachvollziehbar, weshalb ich im entsprechenden Alter dazu überging, Gegenständen komplett neue Namen zu verpassen. Schuhe hießen beispielsweise „Doddeldoddel“. Diese kreative Namensgebung ist im elterlichen Haus weiter in Verwendung, kommen die Kinder zu Besuch, schallt einem nicht selten als Begrüßung „Zieh die Doddeldoddel aus!“ entgegen. Und wird auch verstanden. Aber auch Knuckdropf und Saugstauber heißen weiterhin so.

Als mein Sohn noch sehr klein war, hatte er die Angewohnheit - Marotte trifft es wohl eher - jedes Wort mit der schönen Nachsilbe –la oder zumindest mit einem angefügten -a zu verfeinern. So wurde aus dem Buggy, seinem fahrbaren Untersatz, der „Baggila“, aus dem Lieblingsplüschtier, dem Paulchen Panther wurde „Päuia“.

In dieser Zeit fuhren wir in Urlaub, eine lange Strecke quer durch die Alpen, naturgemäß von Tunneln durchsetzt. Diese Tunnel waren mit ihrer Dunkelheit und ihrem gelblichen Licht wohl eine komplett ungewohnte Optik, vielleicht gar unheimlich. Die Verwunderung des Kindes darüber machte sich in einem andächtig, ehrfürchtig gehauchten „oooouh, dukila!“ Luft. Dies wiederholte sich bei jedem weiteren Tunnel und hieß übersetzt „oh, dunkel“.

Der Ausruf hat den innerfamilären Sprachschatz nachhaltig erweitert. Wer mit unserer Familie im Auto mitfährt, hört an manchen Stellen einen - anderen Menschen - völlig unverständlichen Ausruf. Immer, wenn es auf Tunnel zugeht, ruft der ganze Trupp mit ehrfürchtigem Unterton: „Oooouh, dukila! Oooouh, dukila!“

Päuia war natürlich überall dabei, wurde in puncto Unersetzlichkeit nur vom Schmusekissen übertroffen, das auf den schönen Namen Mukila hörte (Muki= Abk. für Schmusekissen plus das unvermeidliche –la). Ohne Pronomen, also nicht „das Mukila“, sondern schlicht „Mukila“ als Eigenname. War der Zwerg verzweifelt und brauchte Trost, schallte ein weinerliches „Päuia Mukila!“ durch die Wohnung, und wehe, Paulchen plus Schmusekissen wurden nicht schnell genug herangeschafft, wandelte sich der Ruf in ein ohrenbetäubendes „PÄUIA MUKILA!!“. Später verlor Päuia seine Unersetzbarkeit, Mukila allerdings existiert noch heute, ist nach wie vor als Kissen im Einsatz. Werden heute die Koffer gepackt, lautet die wichtigste Frage vor der Abfahrt „Hast Du Mukila eingepackt?“

Wo ist Mukila? Diese Frage wird bei Google so beantwortet, die Koordinaten unseres Mukila zu bestimmen, dafür ist Google allerdings nach wie vor zu doof. Mukila liegt im Wohnzimmer.

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Geschrieben von

Diander

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