Gottes Stimme an der Türschwelle

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Das letzte Mal, als ich an der Haustür mit Menschen auf deren Wunsch hin über Gott sprach, wohnte ich in einer großen Stadt in Norddeutschland. Das ist über 10 Jahre her. Gestern machte Gott einen weiteren Versuch, meine Seele zu retten und schickte zwei seiner Jünger an meine Türschwelle.

Ich war gerade dabei mich für ein wenig winterlichen Feierabendsport bereit zu machen, als meine Klingel läutete. Das wunderte mich, denn bei mir klingelt nie jemand. In der Gegensprechanlage erklang die Stimme einer Frau, die mir sagte, sie wäre gerade dabei, herauszufinden, wie man es in der Nachbarschaft mit der Evolution halte. Ob man eher an die Wissenschaft glaube oder an eine Schöpfung. Die Nachbarschaft sei da gespalten, wie denn meine Ansicht dazu sei. ‘Die Arme’ dachte ich ‘die hat keine Ahnung, bei wem sie gerade geklingelt hat’. Ich bat um einen Moment Geduld und kündigte mein Erscheinen an.

Sportiv gekleidet, um der Tätigkeit nachzugehen, für unsere Spezies evolutionär geformt wurde, begrüßte ich freundlich eine Dame und einen Herren, der sich als der Vater der Dame vorstellte. Meine Exitstrategie, sollte mir das Gespräch zu lange dauern, war, durch mein Zittern an ihr christliches Mitgefühl zu appellieren, damit sie mich trotz missionarischen Eifers vor dem Kältetod bewahrten und ziehen ließen.

Die Dame muss das geahnt haben, verlor keine Zeit und fragte mich, ob ich an die Existenz eines Schöpfers glaube. Ich sagte, dass ich eine solche Entität für sehr, sehr unwahrscheinlich halte, aber natürlich nicht beweisen könne, dass es sie nicht gibt. Außerdem sagte ich, als neugieriger Mensch, sei für mich “Gott” oder “der Schöpfer” eine langweilige Antwort, weil danach keine Fragen mehr gestellt werden könnten. Das fand sie interessant, sagte sie und fragte gleich weiter ob der Mensch denn alleine mit seinen Problemen sei oder auf das Einwirken des Schöpfers hoffen könne, sie jedenfalls täte das.

Was für Probleme sie denn meine, so etwas wie den Klimawandel? Zum Beispiel, sagte sie und ihr Vater ergänzte, Umweltverschmutzung, Tierschutz und den um sich greifenden moralischen Werteverfall. Auf letzteren Punkt wollte ich lieber nicht eingehen, sonst hätte er mir sicher seine Meinung zu Verhütung, unehelichem Sex und gleichgeschlechtlicher Partnerschaft gesagt, worauf ich ihm hätte sagen müssen, dass ich seine Meinung für totalitäre Kackscheisse halte. Das Gespräch hätte dann vielleicht eine unglückliche Wendung genommen.

So aber plauderten wir weiter und ich fragte, als sie sagte, alles hätte einen Sinn weil Gott dafür sorge, wie sich die Dinosaurier wohl zu dieser Aussage positioniert hätten. Die Dinosaurier, sagte sie, als wäre damit alles gesagt, seien aber doch Tiere (was bedeutet, für Tiere ergeben Dinge keinen Sinn und Dinosauriern wurden von Gott vom Tierschutz exkommuniziert. Vielleicht hatten sie zuviel unehelichen Sex). Meine Gesprächspartnerin spekulierte noch, die Dinosaurier könnten ja vielleicht bei der Sintflut ums Leben gekommen sein, lies sich jedoch auf meinen Einwand ein, dass diese dafür 65 Millionen Jahre zu spät stattgefunden habe.

Als ich sie fragte, wer eigentlich den Schöpfer erschaffen habe, verwies sie auf die Bibel, die besage, Gott habe kein Anfang und kein Ende. Natürlich, wenn es in der Bibel steht (Wahrscheinlich denkt sie auch, dass man Hauselfen keine Kleidung geben darf). Und außerdem sei es doch komisch, dass aus so etwas chaotischem wie dem Urknall, so etwas geordnetes wie unser Universum entstanden sei, mit all den schönen und für uns Menschen guten Naturgesetzen. Auf die Frage nach einem Beispiel nannte sie die Schwerkraft, worauf ich von meiner Oma erzählte, der durch den Einfluss von Schwerkraft, der Oberschenkelhals gebrochen sei. ‘Gottes Wege sind unergründlich’, sagte sie natürlich nicht.

Plötzlich sprach der Vater und meinte, vielleicht müsse man noch einmal wiederkommen, mit einer konkreten Bibelstelle um sich, gut vorbereitet, darüber zu unterhalten. Wann ich denn da sei. Man bedankte sich für meine Offenheit und das Gespräch und zog weiter zur nächsten Klingel. Und kurz bevor ich mir die Kopfhörer aufsetzte glaubte ich aus ihrer Richtung leise zu hören:

Eloi, Eloi, lama sabachtanei?”

[Dieser Text ist zuerst erschienen auf Diaphanoskopie]

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diaphanoskopie

"...im Gegenlicht der Wirklichkeit." - Ich hab' mal jeden Scheiß geglaubt. - @diaphanoskopie

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