Religiöses Erlebnis im Apple-Store

Apple Unfehlbarkeit im Silicon-Valley

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Religiöses Erlebnis im Apple-Store

Foto: JEFF PACHOUD / AFP / Getty Images

Apple sei, so sagen es vor allem Menschen, die sich mit Schnickschnack nicht abgeben, weniger ein Unternehmen als eine Religion. Anders sei es nicht zu erklären, warum, ansonsten vernunftbegabte Menschen, Jahr um Jahr völlig überteuerte Geräte kaufen und in einem abgeschlossen Softwareökosystem leben, abhängig von der Gnade der Priester aus Cupertino. Design, intuitive Benutzeroberfläche, keine Viren und “es funktioniert” lauten die, als rationale Argumente getarnten, Rechtfertigungen.

Nachdem ich überlegt hatte, dieses Ökosystem zu verlassen und festgestellt habe, wieviel Arbeit und kosten ein Umstieg kosten würde, habe ich beschlossen, ewig bei Apple zu bleiben. Die Geräte sind hervorragend designt, haben eine intuitive Bedienoberfläche, es gibt keine Viren und es funktioniert einfach. Nach 13 Jahren Apple zeige ich klare Anzeichen des Stockholm-Syndroms.

Weil ich auch Papier aus meinem Leben verbannen möchte, war ich auf der Suche nach einem Stift, damit ich auf meinen Tablet handschriftlich Notizen machen kann. Und da ich mich bei solchen Dingen gerne beraten lasse, ging ich in den Apple-Store, meinen Tempel vor Ort. Dort suchte ich einen der Priesterseminaristen auf und fragte, wo ich denn die Stifte fände. Sein Blick traf den meinen, sein Zögern besagte nichts Gutes und er holte tief Atem.

Diese Stifte, so der junge Padawan, würden sie nicht führen. Auf meine Frage, ob die alle so schlecht seien, dass man sie den Kunden nicht zumuten wolle, schüttelte er den Kopf. “Nein”, gab er mir zurück, “Unser Chef, also unser ehemaliger Chef, war der Ansicht dass der Mensch nicht umsonst zehn Finger hat.” Darauf fiel mir nichts ein. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch nie ein solch unangenehmes Schweigen in einem Verkaufsgespräch erlebt. Nachdem ich mich gesammelt hatte, fragte ich zur Sicherheit nochmal nach: “Steve Jobs wollte nicht, dass das iPad mit einem Stift bedient wird?” “Richtig, dafür sind die Finger da und es gibt ja auch eine Tastatur”

Steve Jobs, im Oktober 2011 gestorben, hat einmal gesagt, für Tablets benötige man keine Eingabestifte und im Jahr 2014 bekomme ich aus genau diesem Grund noch immer keinen solchen Stift im Apple-Store. Sowas schafft nur ein wahrer Messias. Seine Worte prägen die Entscheidungen ihrer Nachfolger noch aus dem Grab. Allerdings nur bis 99,- Euro. Da beginnt der Preis für Stifte, mit denen man auf Papier schreiben kann und das Geschrieben per Funk an das iPad übertragen wird. Auch die Worte eines Messias sind Auslegungssache.

Der Apple-Mensch gab mit noch die Information, die Stifte, die ich suche, gäbe es bei Saturn. Ich habe natürlich keinen gekauft. Nicht dass ich noch exkommuniziert werde.

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Geschrieben von

diaphanoskopie

"...im Gegenlicht der Wirklichkeit." - Ich hab' mal jeden Scheiß geglaubt. - @diaphanoskopie

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