Seelenfrieden gegen Ebola

Religion Mit Ebola für die Moral!

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Christopher Hitchens neigte dazu, darauf hinzuweisen, dass, wenn es um die von Religionen ausgehende Gefahr gehe, nicht die Radikalen unser Problem sind, sondern die Moderaten, die offiziellen Vertreter etablierter Kirchen. Als ein Beispiel nannte er die vom iranischen Ayatollah ausgesprochene Fatwa gegen Salman Rushdie. Dieser hatte in seinem Roman "Die satanischen Verse" angeblich den Islam beleidigt und war daher für vogelfrei erklärt worden. Das Ganze wäre einfach nur skurril, wenn es nicht tatsächlich Anschläge auf sein Leben gegeben hätte. Und wenn nicht tatsächlich Menschen, die an der Verbreitung des Buches beteiligt waren, aufgrund der Fatwa getötet worden wären. Hitchens zeigte, wie die Vertreter christlicher, gesellschaftlich anerkannter Kirchen, wenn sie sich zu dem Thema äußerten, nicht etwa die Fatwa, einen Aufruf zum Mord aller an der Verbreitung des Buches beteiligten, kritisierten, sondern den Autoren. Ähnliches war im Rahmen der in dänischen Zeitungen gedruckten Mohammed-Karikaturen zu beobachten.

Der Gedanke, bei HIV handele es sich um eine "Strafe Gottes, dürfte jedem Leser dieses Textes lächerlich erscheinen. Dabei vergisst man, dass auch hier Bischöfe, eines großen christlichen Gottesclubs unter denjenigen waren, die diese Idee unter die Leute brachten. Es ist nur schon einige Jahre her. Josef Ratzinger meinte, man müsse nicht von einer Strafe Gottes sprechen, es sei die Natur, die sich wehre. Das klingt wie eine Art moralisch motivierter infektiologischer Animismus.

Und nun ist es wieder soweit. In Liberia verkündeten verschiedene hochrangige Vertreter christlicher Glaubensgemeinschaften, an der derzeitigen Ausbreitung von Ebola seien (u.a.) Menschen schuld, die sich sexuell gleichgeschlechtlich orientieren. Wie man diese Aussage und die Tatsache, dass das erste Opfer wahrscheinlich ein zweijähriger Junge war, zusammenbringt, dafür muss man wahrscheinlich auch seine Tage in einem Talar verbringen. Bisher habe ich noch nichts davon gehört, dass Franziskus seinen Erzbischof berichtigt hätte. Wozu ist Unfehlbarkeit eigentlich da, wenn man nicht mal den Bullshit der eigenen Untergebenen richtigstellen darf. Man könnte fast meinen, der Papst sei mit den Worten der Kollegen einverstanden.

Führende Glaubensvertreter sind nur so weltoffen, wie sie sein müssen. In vielen Staaten Europas geben sie sich nett und freundlich, tolerant und kuschelig, doch damit folgen sie einer durch gesellschaftliche Kräfte erkämpften Linie, nicht ihren eigenen Dogmen. Doch dort, wo sie mehr Macht haben, sind sie weniger zurückhaltend. Sie zeigen sich lebensfeindlich und totalitär. Gerade in afrikanischen Staaten wird jede Gelegenheit genutzt, um gegen Menschenrechte, die sich (angeblich?) nicht mit dem Wertekodex der Kirchen decken lässt, zu kämpfen. Ohne auch nur annähernd behaupten zu wollen, alle oder auch nur die Mehrzahl ihrer Anhänger seien damit einverstanden, bleibt doch die Frage, warum die offiziellen Vertreter dem Treiben nicht endlich Ende setzen?

Für diese Glaubensvertreter wünscht man sich fast die Existenz des jüngstes Gerichts. Wenn die Idee nicht so scheiße wäre.

Weiterlesen: Anti Gay Bill kippt - Der Hass bleibt

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Geschrieben von

diaphanoskopie

"...im Gegenlicht der Wirklichkeit." - Ich hab' mal jeden Scheiß geglaubt. - @diaphanoskopie

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