Plagiat oder nicht? Luc Tuymans verurteilt.

Kunst Der belgische Maler Luc Tuymans benutzt Fotografien als Vorlagen für seine Bilder. Viele Künstler tun dies. Doch nun wurde er von einer Fotojournalistin verklagt.

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Der belgische Maler Luc Tuymans wurde schuldig gesprochen mit seinem 2011 entstandenen Gemälde “A Belgian Politician”, ein Porträt des rechts-libertären belgischen Politikers Jean-Marie Dedecker, ein Bild der Fotojournalistin Katrijn Van Giel plagiiert zu haben. Die für den flämischen "De Standaard" arbeitende Fotografin hatte den berühmtesten lebenden Maler Belgiens auf eine Schadenssumme von 50.000 Euro verklagt, nachdem sie das Bild in einem Katalog entdeckte. Das Gericht befand Tuymans für schuldig und verfügte, dass jeder weitere Verstoß gegen Van Giels Urheberrechte mit einer Strafe von 500.000 Euro zu belegen sei. Das beinhalte auch das Ausstellen des Gemäldes, welches sich im Besitz des amerikanischen Sammlers Eric Lefkofsky befindet.

Nicht nur, weil die richterliche Entscheidung somit auch einen Dritten betrifft, ist dieses Urteil problematisch. Wenn das Beispiel Schule macht, könnten sich die Arbeitsbedingungen für realistisch arbeitende Künstler drastisch verändern. Seit der Erfindung der Fotografie, benutzen Künstler das Medium zum Erstellen ihrer Werke. Nicht nur fotorealistische Arbeiten, auch weniger originalgetreue, von der künstlerischen Handschrift stärker geprägte Werke könnten betroffen sein. Arbeiten, wie auf Pressefotos beruhende Werke eines frühen Gerhard Richter, könnten demnach durch ähnliche Plagiatsvorwürfe bedroht werden. Tuymans' Gemälde trägt seine eindeutige Handschrift. Allerdings gibt es Übereinstimmungen, die den Vorwurf der Nachahmung nicht so leicht vom Tisch wischen lassen. Denn sowohl Bildausschnitt, der nur den oberen Teil des Kopfes zeigt, wie auch die Betonung der Schweißperlen auf der Stirn, lassen sich im Original wiederfinden, welches wegen der originellen Bildgestaltung gleichfalls Kunstanspruch erheben könnte. Dennoch lässt sich die künstlerische Handschrift aus Tuymans Werk eher Herauslesen als aus der Arbeit der Fotografin. Ob es sich nun um ein Pressebild oder ein Werk der Fotokunst handle, wäre demnach vielleicht ein zu klärender Punkt gewesen. Für die Entscheidung des Gerichts hätte er im Bezug auf die Kunst Tragweite gehabt, denn es hätte sich demnach um das Plagiat eines anderen Kunstwerks gehandelt.

Ob Tuymans durch seine Anwälte gut beraten war, als er sich zu seiner Verteidigung auf das Recht zur Parodie stützte, ist fraglich. Seine Malerei zeichnet sich gerade durch große Ernsthaftigkeit aus. Es fällt indes schwer, dem zum Streitobjekt gewordenen Bild humoristische Züge abzugewinnen. Dennoch ist die Bildbefragung mit dem Werkzeug der Bildkunst eine schützenswerte Freiheit der Kunst, gerade in einer Mediengesellschaft. Die wenig komplexe Urteilsbegründung des Antwerper Richters, Tuymans Bild sei nicht mehr und nicht weniger als eine Kopie des Pressefotos, bleibt eine offene Frage. Luc Tuymans kündigte Berufung an.

Luc Tuymans, geboren 1958 in Morstel, gilt als einer der profiliertesten belgischen Künstler der Gegenwart. Der Belgier wurde unter anderem durch seinen Auftritt auf der Documenta IX bekannt. Der Maler mit der reduzierten Farbpalette erregte mit seinen Neuinterpretationen von Medienbildern aufsehen und provozierte mit politischen Inhalten. Seine Bilder über die belgische Kolonialzeit stießen in seiner Heimat auf heftige Reaktionen. Als Maler vertritt er eine der einflußreichsten Positionen der 1990er Jahre.

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Diego Castro, (*1972) ist bildender Künstler, freier Kritiker und Sänger der Kreuzberger Garage-Punk-Band Black Heino.

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