Sonderlich beliebt sind die Kriege der USA und eine eigene Beteiligung daran in Deutschland nicht. Es gibt einen harten Kern von Kriegsgegnern, der 42 bis 45 Prozent der Bevölkerung umfasst, keine Mehrheit, aber doch ein erhebliches Potenzial. Der mit großem propagandistischem Aufwand zelebrierte Aufmarsch der US-Truppen am Golf wird in den Medien breit reflektiert, das wiederum ruft die Meinungsforscher auf den Plan. Emnid hat seit Anfang Januar in mehreren Erhebungen in dichter Folge entsprechende Fragen gestellt.
Eine solche deutliche Mehrheit gegen einen von den USA geführten Krieg gab es seit dem 11. September 2001 noch nie: 72 Prozent halten eine kategorische Absage für richtig, eine Minderheit von 26 Prozent deutet sie als falsch. Noch mehr, 77 Prozent, sind es, die erwarten, dass es bei dieser Ablehnung bleibt und Deutschland sich in keiner Weise aktiv an diesem Krieg beteiligt.
In der deutschen Politik sind die Positionen anders verteilt. In einer Talkschow im ZDF hat Volker Rühe (CDU) unumwunden erklärt, der Krieg müsse sein, wenn der Irak nicht vollends die Auflagen der UN-Resolution 1441 erfülle. Wolfgang Schäuble war zu einer direkten Stellungnahme nicht bereit und übersandte dem Freitag stattdessen ein Positionspapier, das er mit Friedbert Pflüger und Christian Schmidt (CDU/CSU-Fraktion) verfasst hat. Dort heißt es: "Ein völkerrechtlich legitimierter militärischer Einsatz kann allerdings als allerletztes Mittel nicht ausgeschlossen werden." (*)
Wolfgang Gehrcke (PDS) kommentiert hingegen: "Hoffentlich haben diese mehr als 70 Prozent Recht!". Und Hans-Christian Ströbele (Bündnis90/Die Grünen) sagt zum eingangs zitierten Meinungsbild: "Die Ablehnung entspringt der Information, dass es einsichtige Gründe für diesen Krieg nicht gibt. Die Meinung, dass es bei einer Ablehnung bleiben sollte, hat etwas mit der Erwartung zu tun, dass Wahlversprechen eingehalten werden."
Eine Mehrheit in Deutschland rechnet allerdings damit, dass es zu einem Krieg gegen den Irak kommt. Fast 70 Prozent glauben, dass er unmittelbar bevorsteht. 28 Prozent glauben das nicht. In diesem Punkt scheinen die Politiker mit der Bevölkerungsmehrheit einig, allerdings mit gegensätzlichen Wertungen. Im Schäuble-Papier heißt es, "... dass notfalls militärische Mittel eingesetzt werden müssen, um die Gefahr, die von Massenvernichtungsmitteln in den Händen Saddam Husseins für den Frieden ausgeht, zu beseitigen." Hier wird der Krieg erwartet und zugleich gerechtfertigt.
Christian Ströbele kommentiert die Mehrheitsmeinung so: "Unabhängig davon, wie die Befunde der Waffen-Inspektoren ausfallen, sind die USA - besonders Präsident Bush - entschlossen, diesen Krieg zu führen." Und Gehrcke sagte dazu: "Die Mehrheit ist realistisch. Ein Krieg kann abgewendet werden, wenn Deutschland bei seinem Nein bleibt, in Berlin und im Sicherheitsrat." Auch aktuelle Aussagen von Kanzler Schröder laufen darauf hinaus, dass seine Positionen mit den Mehrheitsauffassungen in der Bevölkerung übereinstimmen.
So weit die Erwartung verbreitet ist, dass der Krieg kommen wird, so verbreitet ist auch die Angst davor. Es sind insgesamt drei Viertel der Deutschen, die Angst haben vor dem Ausbruch eines Krieges gegen den Irak, ein Viertel fühlt sich von dieser Angst frei. Die CDU/CSU vertritt die Meinung, dass es die Bundesregierung sei, die "...Ängste in der Bevölkerung geweckt" habe. Ströbele setzt die Nuancen anders, er meint, die Koalition habe zur Sensibilisierung beigetragen, indem sie darauf hinwies, "welche Gefahren mit diesem Krieg verbunden sind".
Argumente, dass die aktuelle Position der Bundesregierung dem internationalen Ansehen - etwa in der UNO - schadet, zeigen eine gewisse Wirkung. Den Umfrageergebnissen zufolge ist mehr als die Hälfte der Deutschen, nämlich 52 Prozent, der Meinung, dass sicherheitspolitisch kein Vertrauen in der UNO verspielt wurde. Immerhin 43 Prozent teilen die Auffassung, genau das sei geschehen.
Für die Christdemokraten gilt der Vertrauensverlust als ausgemacht. Die Politik der Bundesregierung habe "... unserem Ansehen bei unseren Partnern und Verbündeten schwer geschadet". Wolfgang Gehrcke hat Verständnis für die gespaltene Meinung der Bevölkerung, "weil die Bundesregierung in der Vergangenheit allzu schnell bereit war, außenpolitisches Gewicht militärisch zu definieren". Und Ströbele: "Die Haltung von Regierung und Koalition entspricht der Meinung der meisten Völker. Lediglich bei einigen Regierungen, vor allem der in Washington, scheint unser Ansehen gelitten zu haben."
Inzwischen hat es aus der Bundesregierung relativierende Aussagen gegeben, die eine zuvor formulierte kategorische Ablehnung abschwächen und auf eine Zusage indirekter Unterstützung hinauslaufen. So schreibt Peter Struck in der Zeitschrift Europäische Sicherheit: "Im Falle einer militärischen Operation gegen den Irak gibt es keinen Zweifel darüber, dass Deutschland den USA und anderen NATO-Mitgliedsstaaten sowohl Überflugrechte und Transit als auch die Nutzung ihrer Einrichtungen in Deutschland ermöglichen wird."
Die Demoskopen haben auch danach gefragt, ob eine indirekte Unterstützung der USA im Falle eines Krieges einen Wortbruch darstelle. Dazu sind die Meinungen klar geteilt. Jeweils knapp die Hälfte der Deutschen hält Zusagen der zitierten Art für Wortbruch beziehungsweise für keinen Wortbruch.
Da für CDU/CSU klar ist, dass die Zusagen der Bundesregierung längst nicht weit genug gehen, ist im Papier von "blankem wahltaktischem Opportunismus" die Rede. Ströbeles Kommentar fällt differenziert aus: "Unterstützung des Krieges, auch indirekte, wäre Wortbruch, eine Erfüllung internationaler Verträge ohne Unterstützung nicht, wobei die Abgrenzung schwierig ist." Er fügt sehr klar hinzu: "Es kann nicht in Betracht kommen, dass die Fuchs-Panzer, die in Kuwait stationiert sind, sich in irgendeiner Weise an diesem Krieg beteiligen." Wolfgang Gehrcke ist in dieser Frage skeptischer: "Die Liste der Zusagen an die USA ist lang. Diese Zusagen verstoßen gegen Verfassung und internationales Vertragsrecht." - "Eine Regierung, die Wortbruch begeht, ist am Tiefpunkt angelangt."
Die Gegnerschaft zum Krieg ist gegenwärtig deutlich stärker als je zuvor, und die Deutschen sind sich bemerkenswert einig, erhebliche Unterschiede zwischen West und Ost gibt es nicht. Das Fazit einer Gegenüberstellung von Volks- und Politikermeinung zeigt, dass sie derzeit näher bei einander sind als bei vergleichbaren früheren Fällen. Ob der Krieg gegen den Irak noch verhindert werden kann, ist offen. Hoffnung kann man haben, dass es bei der deutschen Absage bleiben wird. Allerdings: Auf Anfrage äußerte ein Sprecher des Bundesministeriums der Verteidigung: "Das sind interessante Zahlen. Es ist nicht die Aufgabe des Ministeriums, zu Befindlichkeiten der Bevölkerung Stellung zu nehmen." Man kann nur hoffen, dass es dabei nicht bleibt.
(*) Auch aus der SPD-Fraktion war eine Stellungnahme zugesagt. Bis Redaktionsschluss lag sie leider nicht vor.
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