In der Welt von heute, die so gern als "Informationsgesellschaft" etikettiert wird, sind Informationen über wirklich wichtige Vorgänge - der andauernde Krieg gegen den internationalen Terrorismus gehört zweifellos dazu - spärlich und wohl sortiert. Man muss sich schon umtun, suchen und vergleichen, um wenigstens eine Ahnung davon zu bekommen, was eigentlich stattfindet: Der Staat, dessen Staatsbürger wir sind, befindet sich im Krieg. Das Meinungsbild dazu zeigt - trotz gewisser Schwankungen - seit Herbst 2001 eine erstaunliche Konstanz.
Vor wenigen Tagen, am 18. März 2002, meldete die Agentur Reuters: "Der US-Militäreinsatz Anaconda im Osten Afghanistans ist US-Angaben zufolge beendet, der Krieg gehe aber weiter. Dies sagte US-General Tommy Fra
gte US-General Tommy Franks, der die US-Truppen in Afghanistan befehligt. Es sei damit zu rechnen, dass künftige Operationen gegen Kämpfer von Taleban und al Qaida das gleiche Ausmaß hätten, wie der gerade ausgelaufene Einsatz in der Gebirgsregion Schahi Kot." Zuvor war von etwa 800 Toten bei den Gegnern die Rede. Nur wenig später berichtete dpa aus Islamabad: "Ein afghanischer Alliierter der USA hat den US-Angaben über einen Erfolg der Operation Anaconda im Osten Afghanistans widersprochen. Es seien immer noch al-Qaida-Kämpfer in den Bergen nahe der Stadt Gardes, sagte ein Kommandeur der afghanischen Nachrichtenagentur AIP ... Zudem seien bisher nur wenige Leichen von Talleban- und al Qaida-Kämpfern gefunden worden ..." Die Meldungen sind also nicht nur vage, sie sind auch widersprüchlich. Offiziell werden Erfolge verkündet, doch zugleich weitere Operationen in Aussicht gestellt. Am gleichen Tag kam auch diese Meldung: "Die USA schließen nach Berichten der BBC eine militärische Intervention in Somalia nicht mehr aus. In einem am Montag veröffentlichten Interview sagte US-Kommandeur Tommy Franks dem Sender während eines Besuches in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, es gebe nun eindeutige Beweise." Am folgenden Tag meldet dpa: "Präsident Bush hat seine Warnung an den Irak bekräftigt." Er werde "... es nicht zulassen, dass der irakische Staatschef Saddam Hussein andere Länder mit Massenvernichtungsmitteln erpresse." Er wird auch mit dem Satz zitiert: "Was ich über die Achse des Bösen gesagt habe, meine ich so." In der Öffentlichkeit haben diese Vorgänge eine bemerkenswerte Beiläufigkeit. Dass es um einen Umbau der Weltordnung mit unüberschaubaren Konsequenzen geht, wird in politikwissenschaftlichen Seminaren reflektiert und auf Friedens- und Gewerkschaftskongressen zur Sprache gebracht. Eine öffentliche Debatte oder gar harte politische Kontroverse gibt es in den Ländern der westlichen Welt zu diesen wahrhaft existenziellen Vorgängen bisher kaum. Führt dies dazu, dass sich die Bevölkerung an den "Militäreinsatz" genannten Krieg und seine Ausweitung gewöhnt? Dazu soll die Genesis der öffentlichen Meinung zu militärischer Gewalt und Krieg untersucht werden (*). Deutsche Soldaten im Kampf? Mitte Oktober wurde in den Medien darüber spekuliert, ob Bundeswehrtruppen bei den Kampfhandlungen in Afghanistan eingesetzt würden. Zu diesem Zeitpunkt waren nur knapp 40 Prozent der Deutschen für einen solchen Einsatz - reichlich 60 Prozent waren dagegen, im Westen etwa 55 Prozent, im Osten mehr als drei Viertel. Als Anfang November die Entscheidung des Bundestages über eine Truppenentsendung tatsächlich anstand, gab es in der Bevölkerung insgesamt immer noch eine Mehrheit gegen den Einsatz, aber sie war allein dem Meinungsbild im Osten zu verdanken, im Westen hielten sich Befürworter und Gegner eines militärischen Engagements inzwischen die Waage. Anfang März waren diese Einsätze knapp zwei Monate im Gange. Der Nachrichtenlage nach waren dort eingesetzte Bundeswehrangehörige mit Schutz- und Sicherungsaufgaben betraut, über Verwicklungen in Kampfhandlungen wurde nichts bekannt. Entsprechend hatte sich das Meinungsbild in der deutschen Öffentlichkeit verändert. Nunmehr stimmte 58 Prozent der Deutschen dem Afghanistan-Einsatz zu und 42 Prozent lehnten ihn ab - mehrheitliche Akzeptanz somit bei gleichzeitig recht starker Abneigung. Parallel dazu divergierten die Auffassungen zwischen Ost und West recht auffällig: Im Westen stimmten knapp zwei Drittel den Einsätzen zu, im Osten lehnten sie ebenso viele ab. Kurz darauf gab es die ersten toten und verwundeten deutschen Soldaten in Afghanistan. An den Relationen im Meinungsbild änderte sich jedoch wenig, nunmehr stimmten noch 56 Prozent den Einsätzen zu, die Ablehnung war um zwei auf 44 Prozent gestiegen. Der Rückgang der Befürworter war in West und Ost etwa gleich, die Grundrelation zwischen beiden Regionen verschob sich nicht. Im folgenden dokumentiert Diagramm 1 die Situation, nachdem bekannt wurde, dass deutsche Soldaten auch an Kampfhandlungen beteiligt sind. Diagramm 2 zeigt vor dem gleichen Hintergrund die Entwicklung ablehnender Meinungen, wobei hier auch die Reaktion auf den 6. März einbezogen ist, als deutsche Soldaten bei einer Raketen-Entschärfung ums Leben kamen. Wie die Übersichten erkennen lassen, gab eine deutliche, aber keine umwälzende Veränderung im Meinungsbild. Es ist insgesamt eine sehr knappe Mehrheit von 51 Prozent der Befragten, die den KSK-Einsatz richtig findet, 45 Prozent lehnen ihn ab, vier Prozent haben sich dazu offenbar noch keine Meinung gebildet. Im Westen ist die Zustimmung mit 53 Prozent leicht höher, im Osten ist die Ablehnung mit fast 60 Prozent deutlich stärker. Mit einiger Vorsicht lässt sich aus den bisher referierten Daten eine Zeitreihe bilden, bezogen auf die Phase zwischen dem 4. und dem 15. März. Die Ablehnung von Kampfeinsätzen der Bundeswehr hat in diesen Tagen leicht zugenommen, im Westen fällt die Zunahme sogar etwas stärker aus, ohne allerdings das Niveau im Osten zu erreichen. Zumindest kann festgehalten werden: Während die politischen Eliten der Bundesrepublik voll darauf setzen, dass sich die Bundeswehr am "Anti-Terror-Krieg" beteiligt, der ein Krieg für eine veränderte Weltordnung ist, können sie sich damit in der Bevölkerung nur auf eine sehr dürftige Mehrheit stützen. Mit zwischen 40 und 45 Prozent haben die Gegner von Militäreinsätzen gleichfalls starke Positionen.Feldzug gegen den Irak? Deutlicher konturiert ist das Meinungsraster zur Frage einer Ausweitung des Krieges. Nach der jetzigen Datenlage würde eine Beteiligung Deutschlands an US-Operationen gegen den Irak auf überwiegende Ablehnung stoßen. Anfang März standen nur 15 Prozent der Deutschen einer solchen Option positiv gegenüber, 85 Prozent lehnten sie ab. Dabei war der West-Ost-Unterschied nicht groß: im Westen waren 84 Prozent dagegen, im Osten sogar mehr als 88. Mitte März hatte sich das Bild graduell verändert. Nunmehr waren 21 Prozent der Deutschen für eine Teilnahme an einem Krieg gegen den Irak, die 77 Prozent der Ablehnenden bildeten allerdings noch immer die klare Mehrheit, aber sie war geschrumpft. Der West-Ost-Vergleich zeigte, dass im Osten die Relationen stabil geblieben sind. Im Westen war die Billigung eines deutschen Engagements hingegen signifikant auf nunmehr 23 Prozent gewachsen. Dennoch scheint es zunächst dabei zu bleiben: In der Öffentlichkeit gibt es ein klares Votum gegen eine Eskalation. Gewiss wird der weitere Meinungstrend maßgeblich davon abhängen, ob die politische Klasse auch künftig verhindern kann, dass über diesen Krieg und seine Wucherungen zu viel in die Öffentlichkeit dringt.Die Parteien im Wahljahr Ein Blick darauf, wie sich in den Wählerschaften der einzelnen Parteien Befürworter und Gegner der Bundeswehreinsätze verteilen, zeigt, dass alle Parteien gute Gründe haben, sich moderat zu geben. In Westdeutschland gibt es nur bei der SPD- und der FDP-Anhängerschaft eine leichte Mehrheit für eine Teilnahme der Bundeswehr. In der Wählerschaft von CDU/ CSU zeichnet sich hingegen eine leichte Majorität für ein Nein ab. Bei Bündnis 90/Die Grünen halten sich Befürworter und Gegner so ziemlich die Waage. Eine deutliche Ablehnung gibt es im politischen Umfeld der PDS. Bei den bisher noch Unschlüssigen überwiegen die Ablehnenden, bei potenziellen Nichtwählern im Westen dominiert die Ablehnung deutlich. Im Osten ist die Lage derzeit anders. Eine leichte Mehrheit für die Bundeswehreinsätze gibt es eigentlich nur bei den CDU-Wählern, aber auch diese fällt mit 53 Prozent schmal aus. Bei allen anderen Parteien überwiegt die Ablehnung deutlich, bei der Klientel von Bündnis 90/Die Grünen ist sie im Osten flächendeckend, bei den Anhängern der PDS sind es 86 Prozent und bei denen der SPD 70 Prozent (FDP: 67 Prozent), die sich gegen die Einsätze aussprechen. Weiterhin sind 81 Prozent derer dagegen, die am 22. September nicht zur Wahl gehen wollen. Bei dem Krieg der NATO 1999 gegen Jugoslawien hatten die politisch dominierenden Eliten ihre Deutungsmacht eingesetzt, um in der Bevölkerung Zustimmung zu erreichen, dennoch blieb den Luftangriffen seinerzeit mehrheitliche Akzeptanz versagt. Gegenwärtig sieht es - bei leicht gegenläufigen Tendenzen - so aus, als sei die jetzt gewählte Taktik des Nichtinformierens, des Beschwichtigens und der Verharmlosung erfolgreicher. Zwischen dem Herbst 2001 und dem Frühjahr 2002 hat sich - wie oben gezeigt - eine leichte Mehrheit gegen Bundeswehreinsätze in eine leichte Mehrheit dafür verwandelt. Allmähliche Gewöhnung und die weitgehende Vermeidung spektakulärer Informationen haben die Akzeptanzschwelle gesenkt. Diese Taktik des Verschweigens und des Gewöhnens war vorwiegend im Westen erfolgreich, im Osten blieben analoge Effekte aus. Nach wie vor liegt es außerhalb jeder öffentlichen Erörterung, wie etwa die aktuellen Vorgänge um den Irak oder am Horn von Afrika mit dem Kampf für eine Weltordnung zusammenhängen, in der die westlichen Metropolen alles kontrollieren. Obwohl es genügend aussagekräftige Daten darüber gibt, wie in der deutschen Öffentlichkeit Zustimmung und Ablehnung der Bundeswehreinsätze verteilt sind, wird darüber nur wenig publik. Schließlich müsste dann ja auch mitgeteilt werden, dass sich mit 40 bis 45 Prozent eben auch ein erheblicher Teil der Bevölkerung dagegen positioniert.(*) Die verwendeten Zahlen stützen sich auf die täglichen Umfragen des Meinungsforschungsinstituts EMNID. Ergänzende Literatur: s. Dietmar Wittich, Wahlzeiten, Kriegszeiten, andere Zeiten, VSA-Verlag Hamburg 2001.
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