Das serielle Glück abseitiger Fernsehkanäle

Medientagebuch The West Wing und nun auch Boardwalk Empire: Wie US-Serien, deren Ton und Tempo man im Programm der Hauptsender vergebens sucht, andernorts zum Segen werden

Zu den Segnungen mancher Pay-TV- und Kabelverträge, die einem neben viel Geld (ob fragwürdiger Nebenbestimmungen im Kleingedruckten) bisweilen auch viel Geduld abringen können, gehören Sender wie Fox, TNT-Serie oder 13th Street. Es handelt sich um Abspielstationen großer US-Medienkonzerne, die hier ihre selbstproduzierten oder weltweit vertriebenen Serien für Deutschland verwerten - Folge einer geänderten Marktstrategie, nachdem alle anderen Versuche der US-Konzerne scheiterten, offensiv mit eigenen Voll- oder Informationsprogrammen in den hiesigen Fernsehmarkt einzusteigen. Selbst der Versuch der Partizipation an deutschen Firmen war nicht sehr erfolgreich. Derzeit ist nur Rupert Murdoch (News Corporation), zu dessen Imperium auch der Serienkanal Fox zählt, am Pay-TV-Sender Sky entscheidend beteiligt.

Dem deutschen Zuschauer aber bescheren diese Abspielkanäle ungeahnte Funde. Denn die erwähnten Sender zeigen neben vielen Wiederholungen alter Produktionen auch Serien, die von der deutschen Konkurrenz übersehen oder ignoriert wurden. So ging dieser Tage die siebte und letzte Staffel von The West Wing (deutscher Untertitel: Im Zentrum der Macht) auf Fox zu Ende, eine Serie, die besser in die Verfahren, Strategien und Intrigen der US-Politik einführt als zig Dokumentationen zusammen. Verblüffend für den deutschen Zuschauer im Frühjahr 2011 war, dass der Präsidentschaftskandidat der Republikaner in der letzten Staffel in Schwierigkeiten gerät, als es zu einem schweren Zwischenfall in einem US-Atommeiler kommt, für welchen der Politiker einst die Trommel rührte. Die fiktive Betreiberfirma verharmlost den Zwischenfall auf eine ähnliche Weise wie zur Sendezeit der reale Konzern Tepco anlässlich der Katastrophe von Fukushima. The West Wing – produziert in den USA von 1999 bis 2006 – wurde von ARD und ZDF zuvor als „zu spezifisch amerikanisch“ abgelehnt, auch den kommer­ziellen Sendern war das Risiko eines Ankaufs zu groß. Auf Fox konnte man sie endlich sehen. Hier liefen seit Juli 2010 auch die ersten beiden Staffeln von Mad Men, also jener Serie aus der Werbewelt der sechziger Jahre, die später dann auch von ZDFneo ausgestrahlt wurde. Mit dem Unterschied, dass der Zuschauer auf Fox auch die Originalfassung anwählen kann.

Zu den Höhepunkten des derzeitigen Angebots zählt Boardwalk Empire, eine TNT-Serie, deren Pilotfolge von Martin Scorsese inszeniert wurde. Erzählt wird die Genese des amerikanischen Gangstertums aus der unheiligen Allianz von Prohibition und Kapitalismus während der zwanziger Jahre. In der Hauptrolle glänzt Steve Buscemi, und die Produktionsfirma scheute keinen Aufwand, um die Epoche von der Architektur bis in die Details des Dekors lebendig werden zu lassen. Dem gegenüber fällt die neue Sciene-Fiction-Serie Falling Skies (TNT Serie), soweit man das nach der ersten Folge beurteilen kann, deutlich ab. Es handelt sich um eine Endzeitstory, in der sich ein versprengter Haufen von Menschen jeden Alters, Geschlechts und jeder Abstammung gegen die In­vasion von überlegen wirkenden Außerirdischen wehrt. Hyperrealistisch erscheint im Vergleich dazu die englische Serie Skins, die Fox zeigt und die in Großbritannien vom Channel 4 in Auftrag gegeben wurde. Sie spielt unter Jugendlichen und handelt in immer wieder zugespitzten Episoden von ihren Konflikten, Nöten und Ängsten. Drastisch im Ton, präzise gespielt und von einem umwerfenden Tempo. Gemessen daran sind die meisten Serien, wie sie RTL, Pro Sieben oder Vox ausstrahlen, eher müde zu nennen.

Dietrich Leder ist Professor an der Kunsthochschule für Medien in Köln

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