Das ZDF scheint sich zurückzuentwickeln. Der öffentlich-rechtliche Sender setzt bei neuen Sendungen auf Konzepte und Namen, auf Ideen und Personen, die in den neunziger Jahren populär waren - bei der privaten Konkurrenz. Als erste dieser nostalgisch umflorten Sendungen ging am 11. Mai Traumhochzeit 2008 auf Sendung. Es handelt sich um jene Show, die einst RTL aus den Niederlanden nebst der Moderatorin übernommen hatte, die wiederum die Schwester des Produzenten war. Auch diesmal stand der tränenseligen Veranstaltung Linda de Mol vor, wieder produziert von Endemol. John de Mol hatte Endemol zwar im Jahr 2000 für 5,5 Milliarden Euro an eine spanische Telefongesellschaft verkauft. Doch die wurde damit nicht glücklich, und so kaufte de Mol Endemol 2007 für etwas mehr als die Hälfte zurück.
Als zweite Idee recycelt das ZDF die Serie Der Bergdoktor. Die lief in den neunziger Jahren auf Sat.1. Produziert wurde die auf einem Groschenroman basierende Reihe von der Neuen Deutschen Filmgesellschaft (NDF). Sie wird auch die Wiederauferstehung produzieren. Die NDF gehörte Leo Kirch lange Zeit nur im Geheimen. Weil der einstige Filmhändler vor über 30 Jahren über ein gewisses Monopol beim ZDF verfügte, verleibte er sich Produktionsfirmen ein, die dann weiterhin als unabhängig galten. Irgendwann war die Geheimhaltung nicht mehr so wichtig, da Kirch mit seinen Sendern wie Sat.1 größere Geschäfte machte als etwa mit dem ZDF. Als er mit sieben Milliarden Euro in Konkurs ging, kauften die ursprünglich Inhaber samt den gegenwärtigen Geschäftsführern die NDF aus der Konkursmasse zurück.
Um Sat.1 wogte in den Zeiten von Traumhochzeit und Bergdoktor ein erbitterter Kampf zwischen Leo Kirch und dem Springer-Verlag, den das Zeitungshaus verlor. Springer blieb Mitbesitzer, beteiligte sich aber nicht am operativen Geschäft. Jahrelang muss man dort auf Rache für die von Kirch bereitete Schmach gesonnen haben. Die Chance bot sich 2002, als Kirch in Zahlungsnöte geriet. Nun kann man sich vorstellen, dass der in Konkurs gegangene Medienmogul wiederum Springer nicht wohlgelitten wäre. Die Deutsche Bank, die sich in der Konkurs-Affäre Kirch gegenüber ziemlich unfreundlich verhielt, verfolgt er jedenfalls unerbittlich.
Mit Springer scheint es sich anders zu verhalten. Indiz dafür ist die Rückkehr des Mannes der neunziger Jahre in die Öffentlichkeit: Helmut Kohl. Der 78-Jährige hat gerade eine 35 Jahre jüngere Frau geheiratet, die damals im Bundeskanzleramt gearbeitet hatte. Nun wäre das nicht der Rede wert, wäre es bei den dünnen Meldungen von der Hochzeit und einigen Tratschgeschichten in bunten Blättern geblieben. Doch kurz nach der Hochzeit druckte Bild eine Titelgeschichte.
Das Boulevardblatt, das die Hochzeit zwischen einem alten Mann und einer wesentlich jüngeren Frau normalerweise nur mit allen Invektiven vorzustellen vermag, die Männern dazu einfallen, säuselte am 15. Mai sanft: "Die Kohl-Hochzeit. Alle Fotos. Die Feier. Die Gäste. Die Reden." Und das exklusiv. Ursache dieser wechselseitigen Spezial-Behandlung war einer der beiden Trauzeugen des Paares: Bild-Chefredakteur Kai Diekmann. Er hatte Helmut Kohl des Öfteren zur Seite gestanden, umgekehrt war Kohl Trauzeuge, als Diekmann zum zweiten Mal heiratete. Nun dichtete der Bild-Chef: "Der Altkanzler - nach seinem schweren Sturz vor knapp elf Wochen noch im Rollstuhl - direkt vor dem wuchtigen Altar, zu seiner Rechten seine Braut."
Interessanter noch als Diekmann, der journalistisch gern nach unten tritt und nach oben buckelt, war der zweite Trauzeuge. Es handelt sich um den bereits ausführlich thematisierten Leo Kirch. Dass Kohl und Kirch miteinander befreundet sind, wusste man. Kirch hatte Kohl mit einem hoch dotierten Beratervertrag ausgestattet, als der Kanzler nicht mehr Kanzler sein durfte. Ob Kirch auch jener anonyme Spender war, der einst der CDU mehrere Millionen Mark hatte zukommen lassen, was den Ruf Kohls bis heute schädigt, weiß man nicht. Als Kohl die Geldstrafe, die seiner Partei wegen der illegalen Spende auferlegt wurde, bezahlen wollte, überwies Kirch ihm eine hohe Summe.
Wie Kohl, Kirch und Diekmann - die Troika aus Politik, Medien und Boulevardjournalismus - bei der Hochzeit beisammen saßen, das muss einem als finsteres Genrebild der neunziger Jahre erscheinen. Tatsächlich schafft Diekmann immer noch für das Haus Springer mit Bild das Geld heran. Kirch mischt wieder bei den Rechten um die Fußball-Bundesliga mit und scheint für dieses Geschäft Diekmanns Bild noch zu brauchen, weshalb er seine Rachegelüste gegenüber Springer zügelt. Bleibt die Frage: Sollte nach der Traumhochzeit nun auch der Altkanzler wieder aktiv werden?
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