Die Schöne und das Biest

Medientagebuch Medienwirksam: Das bayerische Schauspiel von Bigotterie, Machtehrgeiz und Bauernschläue

Als Edmund Stoiber an diesem Tag das Haus aufsuchen will, in dem sich traditionsgemäß Mitte Januar die CSU-Landtagsfraktion trifft, muss er sich durch einen Pulk von Kameraleuten, Fotografen und Reporter quetschen. In Kreuth, das den Zusatz "Wildbad", wie zu zeigen sein wird, nicht umsonst trägt, liegt nur wenig Schnee. Wenige Tage zuvor, als sich hier ebenso traditionell die Bundestagsfraktion der CSU traf, waren Dächer, Wiesen und Wege schneebedeckt. Auch damals war der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Stoiber demonstrativ vor den laufenden Kameras den Weg zur Versammlungsstätte hinaufgegangen. Doch damals war zwar das Klima eisig, aber nicht die Stimmung. Die ist nun definitiv umgeschlagen.

Stoiber hat es schwer, den Pulk der Medienvertreter zu durchqueren. Erst seinen Personenschützer, allesamt junge Männer mit der Figur von Panzerschränken, gelingt es, ihm einen Weg zu bahnen. Im Gedrängel fällt einer der Fotografen hin. Die anderen verwackeln zwangsläufig ihre Bilder. Stoiber selbst sagt nur einen einzigen Satz, dass er für seine Ziele, für den Erfolg Bayerns und den Erfolg der CSU kämpfen werde. Dann beschließt er seine äußerst knappe Stellungnahme in die vielen Mikrophone, die ihm entgegengereckt werden, mit dem Hinweis: "Und jetzt rede ich mit meinen Parteifreunden!" Wie immer sagt Stoiber, wenn er unter Druck gerät, ungewollt die Wahrheit. Schon die Hierarchie der Ziele ist eindeutig. Stoiber kämpft in diesen Tagen für sich; das Land Bayern und die Partei CSU sind dem Primärinteresse nachgeordnet. Und der Schwung, mit dem er das Gespräch beendet, ist nichts als die Autosuggestion, dass er nun mit den "Parteifreunden" redete und nicht viel mehr diese mit ihm.

Der kurze Auftritt, den viele Fernsehzuschauer am 15. Januar in den Nachrichtensendungen von ARD und ZDF bestaunen konnten, markiert einen weiteren Höhepunkt in jenem Bauerntheaterstück, das Stoiber und die CSU seit Ende des letzten Jahres vorführen. Es ist ein Stück voller Intrigen, plumpen Bösartigkeiten, schlecht gespielten Freundschaften und peinlichen Eitelkeiten. Dass es so erfolgreich läuft, und dass es die Nachrichtensendungen bestimmt, mag der politischen Situation geschuldet sein. In Zeiten einer großen Koalition, in der die Kompromisse nicht um der Sache willen, sondern um der Stabilität der Regierung willen ausgehandelt werden, rücken die Themen in den Hintergrund. Statt dessen treten die Personalien in den Vordergrund.

Nun hat es das aktuelle bayerische Bauernstück um Edmund Stoiber auch in sich. Denn der Mann ist wirklich kein Mann der offenen Bühne. Seine Fähigkeiten als Redner sind bescheiden. Vor Fernsehkameras wirkt er stets gehemmt. Seine rhetorischen Fehlleistungen sind berüchtigt. Erinnert sei daran, dass er Sabine Christiansen als "Frau Merkel" ansprach, womit er ungewollt die Szene vorwegnahm, in der die Talkshowmoderatorin zusammen mit der Verlegerin Frieda Springer die Wahl von Merkel zur Bundeskanzlerin auf der Tribüne des deutschen Bundestags feierte. Verwiesen sei auf die witzigste Pressekonferenz des letzten Jahres, in der Stoiber sich verhaspelnd und versprechend den Begriff "Problembär" erfand, den dann bayerische Jäger wenig später im Namen seiner Landesregierung erschießen durften.

Dass nun ausgerechnet er von Gabriele Pauli herausgefordert wird, der die Medien den Titel "die schöne Landrätin" umhingen, ganz so wie man sonst einen besonders kräftigen Schlachtochsen preist, ist schon eine gute Ausgangsbasis. "Die Schöne und das Biest" wurde aber nur deshalb ein Hit, weil sich die gute Frau, natürlich ebenfalls Mitglied der CSU, robust gegen jene Machenschaften wehrte, die in der CSU seit ihrer Gründung üblich sind. Nirgendwo anders sind Personalentscheidungen auf der soliden Basis von finsteren Intrigen und übler Nachrede gegründet worden als in dieser bayerischsten aller bayerischen Parteien. Entscheidend war aber nicht, dass sich Gabriele Pauli gegen das Auskundschaften ihrer Person wehrte (und man sieht es förmlich in den Augen der Parteifunktionäre blitzen, wenn sie über ihr Sexualleben spekulieren), sondern wie sie es tat.

Sie ging frühzeitig in die Medien und setzte ihre Medienpräsenz geschickt ein. Mit einem Male konnte Stoiber sie nicht so wegwischen wie andere männliche Kontrahenten, die gegen ihn aufbegehrten. Die Kälte, in der Stoiber seine Gegner schockfriert, war gegen Pauli ein untaugliches Mittel, nur dass es Stoiber nicht oder zu spät merkte. Als er sich entschied, die Landrätin zu ignorieren, begab er sich auf die Talfahrt seiner Karriere. Daran änderte auch spätere für die Medien inszenierte Gesten nichts wie die gespenstische Begrüßung von Gabriele Pauli beim Neujahrsempfang, bei der sich der ordensgeschmückte Pfau, der Stoiber natürlich auch ist, und die herausgeputzte Frau mit den roten Haaren im schwülstigen Pomp der Münchner Staatskanzlei für handgestoppte 17 Sekunden die Hände schütteln und guten Tag sagten.

Das Personal stimmt also. Auch die Fallhöhe ist angemessen, denn Stoiber fiele wie sein Vorgänger Streibl, den er einst eiskalt abserviert hatte, ins Bodenlose, müsste er von seinen Parteifreunden nettest überredet von seinen Ämtern zurücktreten. Und selbst für Nachschub ist gesorgt, doch die, die Stoiber nachfolgen werden, sind ihm in Vielem und damit auch in Schlechtem ähnlich. Die Mischung aus Bigotterie, Machtehrgeiz und Bauernschläue bleibt medial explosiv. Mit Politik hat das, wie gesagt, wenig zu tun. Aber medienwirksam ist es wie kaum etwas anderes.



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