Die zweite Amtszeit

Medientagebuch Harald Schmidt kommt zurück, freut sich die ARD und muss sich fragen lassen, wie das zu bezahlen ist

Am Tag, an dem sich entscheidet, ob George W. Bush 43. Präsident der USA bleibt, schreibt sich das Medientagebuch dank des Redaktionsschlusses von ganz alleine. An die Stelle der Spekulation, ob all die bösen im Internet präsentierten Karikaturen und Videoclips Wahrheit werden, in denen die Wahlmaschinen und Computer Bush von ganz alleine wählen, während die Stimmen für den Herausforderer Kerry automatisch auf dem Müll landen, tritt die viel wichtigere Frage: Kehrt er zurück oder nicht?

Das Gerücht, dass Harald Schmidt eine neue Fernsehshow vorbereite, ging in Köln, wo er bis Ende 2003 die Harald Schmidt Show für SAT 1 werktäglich produziert hatte, schon seit einigen Wochen um. Ausgelöst wurden sie von Bauarbeiten im Studiogelände, das im ehemaligen Industrieareal von Köln-Mülheim liegt, wie von juristischen Streitigkeiten, die zu einer Veränderung in der Gesellschafterstruktur seiner Produktionsfirma Bonito führen sollten. Schmidt selbst ließ sich nach seiner kabarettistischen Bädertour im Sommer nur angelegentlich sehen und reiste statt dessen mit Familie durch die Welt. Seine Vertretung in der üblichen Semi-Öffentlichkeit übernahm sein Adlatus Manuel Andrack, der die Popularität zweiter Hand gerne genießt und der - wie man sich bei seinem Auftritt in der Halbzeitpause der Live-Übertragung des Zweitligaspiels zwischen Greuther-Fürth und seinem Lieblingsverein 1. FC Köln auf Premiere überzeugen konnte - in der Zwischenzeit kräftig zugenommen hat.

Wo würde Harald Schmidt aber landen? SAT 1 hatte er mit seiner kurzfristigen Verweigerung, seinen Vertrag zu verlängern, vor einem knappen Jahr in eine mittlere Krise gestürzt. Damals konnte zwar der neu installierte Geschäftsführer des Senders, Roger Schawinski, Anke Engelke als Ersatz aus dem Hut zaubern. Doch das Experiment, die Komödiantin das stark von Schmidt geprägte Format übernehmen zu lassen, scheiterte. Vor wenigen Wochen wurde Anke Late Night eingestellt.

In einer der letzten Sendungen hatte sich die Redaktion zum ersten Mal getraut, aus dem übergroßen Schatten von Schmidt zu treten. Christoph Maria Herbst, angestammter Partner von Engelke in Ladykracher und gerade mit der wirklich guten Serie Stromberg (Pro Sieben) gestartet, persiflierte präzise das doch schmale Gestenrepertoire des großen Harald Schmidt. Dass Andrack wiederum auf die Frage des Premiere-Reporters, ob er etwas zum Ende der Engelke-Show sagen wolle, nur die Mundwinkel verzog, als ekele ihn allein der Gedanke, beweist, dass man Köln keine Dschungelshow veranstalten muss, um niederste Instinkte zu wecken. Es ist das Fernseh-Geschäft selbst, dass diese auch bei Menschen hervorruft, die sich sonst als pflegeleicht und sympathisch geben. Die Zeiten sind härter geworden. Und das vermiest die Stimmung - auch unter den berufsbedingt lustigen Zeitgenossen.

Da SAT 1 als neuer Auftraggeber nicht infrage kam, blieb zunächst RTL in der engeren Wahl. Aber der Kölner Sender lag bis zum Amtsantritt des neuen Geschäftsführer Marc Conrad am 2. November in mittlerer Duldungsstarre. Jedwede wichtige Programmentscheidung wurde den Sommer über vertagt und verschoben, geschweige denn, dass etwas Neues angeschoben oder entwickelt wurde. Hier hätte Schmidt nur schwer unterkommen können. Das ZDF wiederum hat sein Programm am späten Abend der Talkshow von Johannes B. Kerner mit Gedeih und Verderb ausgeliefert, so dass für Schmidt beim besten Willen kein Platz wäre. So blieb die ARD als einziger Arbeitgeber für den pausierenden Schmidt übrig, die ihm ja auch nicht fern steht. Im WDR hatte der Kabarettist 1988 seine Fernsehkarriere begonnen. Und hier hatte er sich in unterschiedlichen Formaten (MAZ ab!, Pssst...!, Schmidteinander) ausprobiert und sich selbst zu jenem Markenzeichen entwickelt, das dann über sieben Jahre zu einem Aushängeschild von SAT 1 wurde.

Die ARD wollte denn auch nicht dementieren, dass sie mit Schmidt in Verhandlungen stehe. Er werde, wenn alles gut gehe, mittwochs und donnerstags je eine halbe Stunde in unmittelbaren Anschluss an die Tagesthemen auf Sendung gehen: Solo, ohne Gäste, ganz auf den kabarettistischen Kommentar konzentriert. Tatsächlich bestand die große Qualität der Harald Schmidt Show weniger in den netten Spielchen und den harmlosen Gästegesprächen als in dem Eröffnungsmonolog, in dem sich Schmidt des Unsinns, den der Medienbetrieb ihm ins Haus spülte, so liebevoll annahm wie für gewöhnlich ein Metzger einer Schweinshälfte.

Noch ist der Vertrag der ARD mit Schmidt nicht unterschrieben. Schon wird über das Geld gesprochen, das er kosten wird. Schmidt ist nicht billig. In den letzten Jahren bei SAT 1 hatte er auf der einen Seite die Produktionskosten seiner Show durch Verzicht auf Einspielfilme beispielsweise kräftig gesenkt, auf der anderen Seite hatte er sein persönliches Honorar stark erhöht. Da nun auch, wie man in Köln hört, sein alter Spezi Fred Kogel mit der Fernsehtochter der Constantin an der Produktion und damit an dem nicht kleinen Gewinn beteiligt werden soll, ist davon auszugehen, dass die neue Show teuer werden wird. In seinem unbändigen Wunsch, nach Beckmann und Pilawa den dritten Flüchtling von den privaten Sendern zurückzukaufen, scheut sich der ARD-Vorsitzende und NDR-Intendant Jobst Plog nicht, Harald Schmidt zur öffentlich-rechtlichen Grundversorgung zu erklären.

Damit kokettiert er mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auf eine Weise, wie er es in den Tagen nach der politisch mehr als unschicklich verlaufenen Gebührendebatte nicht tun sollte. Statt dessen sollte Plog klipp und klar erklären, zu wessen Lasten er die Gelder sparen möchte, die Schmidt kostet. Dass die ARD für ihn beispielsweise auf eines der unzähligen UEFA-Cupspiele verzichtet, glaubt kein Mensch. Von den Terminen stehen die Verlierer jetzt schon fest. Die politischen Dokumentationen am Mittwoch und der ungewöhnliche Fernsehfilm am Donnerstag werden, sollte die neue Schmidt-Show kommen, weiter in die Nacht geschoben.

Harald Schmidt jedenfalls würde diese Vorabreklame jeder anderen Sendung und jeden anderen Senders mit hübschen Schmähvokabeln versehen, so wie er die Fernseh-Erscheinung des 43. (oder vielleicht doch des 44.?) US-Präsidenten in diesen Tagen auf das präziseste in Worte fassen würde. Was beweist, dass er uns doch gefehlt hat.



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