Kunst kommt von Geld

Medientagebuch Arte ist, zumindest auf dem Papier, 20, alle lieben Arte, aber Arte ist auch eine merkwürdige Konstruktion – wie man an der Serie "Im Angesicht des Verbrechens" sieht

Die Zuschauerzahlen für den Zehnteiler Im Angesicht des Verbrechens von Dominik Graf, den das Erste Programm seit kurzem ausstrahlt, fallen nicht berauschend aus. Mit 2,31 Millionen Zuschauern, die eine Quote von acht Prozent ergeben, liegen sie unter dem ARD-Durchschnitt.

Eine Ursache dieser schwachen Akzeptanz ist hausgemacht. Nach der Premiere bei der Berlinale lief die Serie im Frühjahr auf Arte. Der deutsch-französische Kulturkanal hatte mitfinanziert, deshalb stand ihm die Erstausstrahlung zu, bei der Im Angesicht des Verbrechens 280.000 Zuschauer erreichte. Dieser Erstausstrahlung allerdings wurde fast die gesamte Berichterstattung zuteil. Es gab Artikel zum Werk, zum Regisseur, zu den Schauspielern – zumeist Hymnen.

Diese missliche Konstruktion, bei der die Aufmerksamkeit in der Vorabberichterstattung zwischen Arte und der ARD, aber auch dem ebenfalls am Kulturkanal beteiligten ZDF geteilt wird, ist kein Zufall. Sie verdankt sich der Entwicklungsgeschichte von Arte. Denn der Sender, der dieser Tage sein 20-jähriges Jubiläum feiert (1991 wurde der Staatsvertrag unterzeichnet, ge­sendet wurde erst zwei Jahre später), verdankt seine Existenz nicht der deutsch-französischen Versöhnung, wie in den Jubiläumsschriften geraunt wurde. Arte ist vielmehr eine Notgeburt.

3sat war schon

Als der französische Präsident ­François Mitterrand den größten öffentlich-rechtlichen Sender seines Landes (TF 1) privatisieren ließ, gründete er 1986 gleichsam als Entschädigung für die Kulturnation Frankreich einen Kultursender, der unter dem Namen La Sept höchste Ansprüche formulierte. Doch La Sept erwies sich schon nach den ersten Probeausstrahlungen als zu teuer. Ohne einen finanzstarken Partner war er nicht aufrechtzuerhalten. So ging Mitterrand auf den damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl zu, den angesichts des Programms des von ihm geförderten deutschen Privatfernsehens vielleicht auch ein schlechtes Gewissen beschlichen haben konnte. Gemeinsam riefen sie das Projekt Arte ins Leben.

In Deutschland mussten im folgenden nicht nur die medienpolitisch zuständigen Ministerpräsidenten überzeugt werden, sondern auch die Intendanten von ARD und ZDF, die den neuen deutsch-französischen Sender zusammen mit La Sept auf französischer Seite veranstalten sollten. In den deutschen Sendern herrschte große Skepsis dem Projekt gegenüber, hatte man doch (und hat immer noch) einen eigenen Kulturkanal 3sat, der ja ebenfalls transnational mit der Schweiz und Österreich betrieben wird. Ein zweiter Kulturkanal schien also überflüssig.

Überzeugungskraft leistete erst das Geld. Da seinerzeit mal wieder über die Höhe der Rundfunkgebühr diskutiert wurde, lockten die Ministerpräsidenten, die nicht zuletzt wegen der französischen Skepsis bezogen auf die deutsche Wiedervereinigung Kohls Idee befürworteten, ARD und ZDF mit einem finanziellen Angebot. Zur ohnehin anstehenden Erhöhung sollten noch einmal 75 Pfennige dazukommen. Damit sollten die Sendungen finanziert werden, die ARD und ZDF Arte zu­liefern würden. Indem sich beide die Wiederholungsrechte für ihre eigenen Sender sicherten, gewannen sie also aus dem deutsch-französischen Deal beträchtliche zusätzliche Mittel. Und handelten sich so die ­missliche Konstruktion ein, unter der nun Im Angesichts des Verbrechens ­leidet, wenn man ihn allein an den Quoten misst.

Aber nur an den Quoten messen – das will ja keiner in der ARD. Oder?


Dietrich Leder ist einer der Gründungsautoren des Medientagebuch

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