Nur gegen Aufgeld

Medientagebuch RTL wird exklusiv die Qualifikationsspiele der Fußballnationalmannschaft zur EM 2016 und WM 2018 übertragen. Ein Minusgeschäft. Warum also kauft der Sender die Rechte?
Ausgabe 29/2013
Nur gegen Aufgeld

Foto: Laurence Griffiths/ AFP/ Getty Images Sport

Für den Privatsender RTL, der zum Bertelsmann-Konzern gehört und lange Zeit dessen größte Einnahmequelle darstellte, war es eine gute Nachricht. Er wird exklusiv die Qualifikationsspiele der deutschen Fußballnationalmannschaft der Männer zur Europameisterschaft 2016 und zur Weltmeisterschaft 2018 übertragen. Seit den 1950ern waren diese Spiele stets bei ARD und ZDF gelaufen. Auch in der laufenden WM-Qualifikation wechseln sich beide Sender ab. Solche Übertragungen sind Garanten des Zuschauererfolgs, egal wie die Nationalmannschaft spielt.

Die Freundschaftsspiele der Nationalmannschaft sowie die Endrundenpartien der nächsten Europa- und Weltmeisterschaften haben sich ARD und ZDF längst gesichert. Wie konnte also RTL die Rechte an den Qualifikationsspielen erwerben? Bislang waren diese von den Nationalverbänden vermarktet worden und landeten dank eines Vertrags zwischen Deutschem Fußball-Bund und den öffentlich-rechtlichen Sendern bei ARD und ZDF. Diesmal vergab die Rechte die Europäische Fußball-Union, die die WM-Qualifikationsspiele veranstaltet, und sie entschied sich angesichts eines großzügigen Angebots für RTL. Der Kölner Privatsender soll unbestätigten Meldungen zufolge etwa 10 Millionen Euro pro Partie geboten haben. Diese Summe wird RTL nur bei besonders wichtigen Partien durch Werbung rund um die Übertragung refinanzieren können, sodass der Rechteerwerb langfristig ein Minusgeschäft darstellt.

Aber der Sender, dessen Akzeptanz bei den Zuschauern seit Längerem sinkt, muss auf sich aufmerksam machen. Da er sich auf der Programmseite extrem ausgedünnt hat, sind in den Bereichen der Fernsehunterhaltung oder -serie kaum neue Attraktionswerte zu erwarten. Hier bedarf es einer mittelfristigen Personalpolitik und risikoreicher Investitionen, für die man bei RTL auch wegen des Renditedrucks von Bertelsmann keine Geduld und kein Kapital aufbringen will. Für Fußballüber-tragungen kann man das Personal anmieten; es steht ausschließlich für die etwa 20 Qualifikationsspiele zur Verfügung und belastet jenseits davon nicht den Etat. Da die Kommentatoren ohnehin seit Jahren von Sender zu Sender wechseln, je nachdem, wer Rechte an Fußballspielen besitzt, dürfte es für RTL kein Problem sein, fachkundiges Personal zu engagieren, sodass der Zuschauer sich nicht über den Deal ärgern müsste – wären da nicht die Verluste auf dem Sektor der Bildqualität.

RTL bietet, anders als ARD und ZDF, sein Programm in hochauflösender Qualität via Kabel und Satellit nur gegen ein Aufgeld an. Der frei empfangbare Sender wird so zu einem Abonnementsender. Nicht viele Zuschauer haben sich zu einer solchen vertraglichen Bindung mit jährlichen Mehrkosten von mehr als 50 Euro entschlossen. Das könnte nun anders werden – der zweite Grund für die Investition. Denn beim Sport sind die Unterschiede zwischen herkömmlicher und hochauflösender Übertragungstechnik signifikant. Noch schlimmer kommt es für Zuschauer, die ihre Fernsehsignale terrestrisch, also über DVB-T empfangen. Denn die RTL-Familie steigt bis 2014 aus dieser günstigsten Technik aus. Pünktlich zum Start der Qualifikationsspiele. Wer sie sehen will, muss zum Kabel- oder Satellitenempfang wechseln, was mit Mehrkosten verbunden ist, und zudem für HD-Qualität zahlen.

Dietrich Leder lehrt an der Kunsthochschule für Medien in Köln

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