Nie trivial

Nachruf Zum Tod von Egon Monk (1927-2007)

Egon Monk, der am 28. Februar nach langer Krankheit in Hamburg starb, gehört zu den wichtigen Regisseuren, die das Fernsehen in Deutschland mitbestimmt haben.

In den letzten beiden Kriegsjahren wird er wie viele seiner Generation als Flakhelfer in den Abwehrkampf der Nazis gegen die heranrückenden Alliierten geworfen. Nach dem Krieg geht er zur Schauspielschule und hospitiert bei der DEFA. Drei Jahre arbeitet er als Schauspieler, ehe er 1949 zu Bertolt Brecht und dessen Berliner Ensemble wechselt - als Regieassistent, bald auch als Regisseur. 1953 kommt es zum politischen Krach. Monk zieht in den Westen der Stadt. 1957 geht er als Dramaturg zur Hörspielabteilung des NDR. Drei Jahre später wird er dort Leiter der Fernsehspielabteilung des Hamburger Senders. Noch sind die Abteilungsgrenzen einer Rundfunkanstalt durchlässig.

In den nächsten acht Jahren stülpt Egon Monk das fiktionale Angebot des Deutschen Fernsehens nachhaltig um. Er inszeniert zwar weiterhin Theaterstücke für das Fernsehen, gleichzeitig erweitert er aber die NDR-Produktionen um filmische Formen. Beispielhaft kann man die Veränderungen an Monks Verfilmungen der Texte des Schriftstellers Christian Geissler beschreiben. Anfrage von 1962 ist noch sehr dem Theater verhaftet; erzählt wird, wie ein junger Mann auf die Spur eines Naziverbrechers gerät. Schlachtvieh von 1963, eine Parabel auf den politischen Opportunismus, gerät schon filmischer, erkundet bereits den Raum aus unterschiedlichen Perspektiven. Wilhelmsburger Freitag von 1964 ist ein dokumentarisch anmutendes Porträt eines jungen Arbeiterpaares, das sich über die Frage des Kinderwunsches streitet; gedreht an realen Schauplätzen im Hamburger Vorort - den Filmen der Nouvelle Vague näher als den Inszenierungen der deutschen Theater.

Monk wichtigste Regiearbeit in den 1960er-Jahren ist die Beschreibung der Situation in einem Konzentrationslager: Ein Tag (1965). In diesem eindringlichen und die junge Bundesrepublik berührenden Film spielt der Schauspieler Eberhard Fechner mit. Ihn fordert Monk zu eigenen Arbeiten auf. So entstehen dessen erste Filme wie Selbstbedienung (1967) oder Vier Stunden von Elbe 1 (1968). Monk ermutigt auch den Schriftsteller Dieter Meichsner, für den Fernsehfilm zu schreiben. So entsteht Der Preis der Freiheit, in dem 24 Stunden im Leben eines DDR-Volksarmisten erzählt werden. Gemeinsam ist all diesen sehr unterschiedlichen Filmen etwas, was man als das Credo der Monk-Dramaturgie bezeichnen kann: Unbändige Neugier auf das unverstellte Leben und präzise Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse.

1968 wagt Monk den Sprung zurück zum Theater. Er wird Intendant am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Doch er ist es nur kurz. Seine Inszenierungen werden vom konservativen Publikum ausgebuht, die etablierten Schauspieler des Hauses, die noch unter Gründgens spielten, intrigieren gegen ihn. Nach nur drei Monaten wirft er das Handtuch. In den nachfolgenden Jahren ist er als freiberuflicher Regisseur tätig. Es entstehen große historische Filme, in denen die gesellschaftliche Entwicklung minutiös und nachvollziehbar beschrieben werden.

Der Fünfteiler Bauern, Bonzen und Bomben, gedreht nach dem gleichnamigen Roman von Hans Fallada, beschreibt die Situation auf dem Land in der Schlussphase der Weimarer Republik. 1983 entsteht für das ZDF der Zweiteiler Die Geschwister Oppermann nach dem Buch von Lion Feuchtwanger. Am Beispiel einer Berliner Familie werden die ersten Tage der nationalsozialistischen Herrschaft und der Beginn der systematisch betriebenen Verfolgung der deutschen Juden rekonstruiert. Fünf Jahre später verfilmt Monk in fünf Teilen die Autobiografie von Ralph Giordano, Die Bertinis, ebenfalls für das ZDF. Diesmal wird das Leben einer jüdischen Familie in den Zeiten der Verfolgung und des Untertauchens geschildert.

Allein diese drei großen epischen Filme zusammengenommen ergeben ein Panoptikum der deutschen Geschichte von 1929 bis 1945. Sie erzählen zwar von der Allgemeingeschichte aus der Perspektive von Einzelpersonen, aber sie stilisieren ihre Figuren nicht zu Heroen. Es fehlen - anders als bei den derzeit über den Bildschirm tobenden historischen Mehrteilern - alle Elemente des Kitsches und der Trivialerzählung. Es geht um kleine Leute, Arbeiter, Angestellte, Kaufleute, und wie sich in den Verhältnissen einzurichten versuchen. Und es geht darum, weshalb sich die Verhältnisse so ändern, wie sie sich 1933 so massiv geändert haben. Man kann die Absicht in einfache Worte fassen: Fernsehen der Aufklärung. Dafür stand Egon Monk.


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