Rom und andere Imperien

Medientagebuch Statt deutscher Ware bieten die Sender wieder verstärkt amerikanische Serien im Abendprogramm an

Über Jahre hinweg wurden Fernsehserien, die in den USA produziert worden waren, auf dem deutschen Markt ignoriert. Die Zeiten, in denen Dallas (ARD) und der Denver-Clan (ZDF) einmal in der Woche das Abendprogramm bestimmten, waren lange vorbei. Die letzte Serie, die es in den Hauptabend des Ersten Programms geschafft hatte, wurde mangels Erfolges abgesetzt. Ihr Titel: Home Improvement. Als Hör mal, wer da hämmert tourt sie seit dem erfolgreich durch die privaten Sender. Zur Zeit ist sie bei Vox zu sehen.

Mitte der 1990er Jahre setzten dann fast alle Sender ausschließlich auf deutsche Produktionen. Sie kamen schneller beim Publikum an, selbst wenn sie ungelenker zu Werke gingen. Statt amerikanischer Detektive gingen nun deutsche zu Werke, obgleich es einen solchen Beruf in Deutschland kaum gibt, geschweige denn eine Branche ernährt. Den kriminalistischen Zweig des "Profiler" erfanden gar die deutschen Fernsehproduzenten, die blank auf Deutschland übertrugen, was in den USA existierte. Und siehe da, kaum waren die Profiler im deutschen Fernsehen erfolgreich, gab es sie auch in der Wirklichkeit des deutschen Beamtenwesens.

Nur der Sender Pro Sieben, der all die teuren Rechte, die Leo Kirch für sein Abonnementfernsehen Premiere eingekauft hatte, nach einer gewissen Zeit nutzen durfte, strahlte wacker amerikanische Serien aus. Allerdings nur am späten Nachmittag. Eine Serie wie Friends wurde hier täglich präsentiert, obgleich sie in den USA zu den erfolgreichsten und teuersten wöchentlichen Abendangeboten zählte. Erst nach mehreren Jahren versuchte Pro Sieben, die Serie am Abend auszustrahlen. Dass es dann gelang, hat mit der Erfahrung eines Konkurrenten zu tun. Der Kölner Sender Vox hatte zweimal versucht, die Serie Ally McBeal im deutschen Fernsehen zu etablieren. Trotz teurer Reklameanstrengungen vergeblich. Erst beim dritten Versuch entdeckten die Zuschauer die Serie um die leicht hysterische Rechtsanwältin und schlossen sie mit ihren bildreichen Phantasien in ihr Herz. Seit diesem Überraschungserfolg setzte Vox verstärkt auf US-Serien. Mittlerweile wird das Hauptabendprogramm des zur Bertelsmann-Gruppe gehörenden Senders von solchen Angeboten bestimmt.

Der messbare Zuschauererfolg gibt Vox recht und beförderte seine Chefin, Anke Schäferkordt, im September 2005 an die Spitze des größten Senders der Bertelsmann-Familie: RTL. Dort führte Schäferkordt als erste Maßnahme ein, dass der Sender eine amerikanische Serie im Hauptabend zeigt: CSI Miami. Die von Jerry Bruckheimer produzierte Krimis sind eine Weiterentwicklung des Formats CSI, das Vox in und für Deutschland entdeckte und auch weiterhin pflegt. RTL will im Frühjahr mit einem Remake von Kojak (nun gespielt von Ving Rhames) und Polizeibericht L.A., hier ist der Hauptdarsteller Ed O´Neill, der einst als Al Bundy zu Serienruhm kam, das Publikum auf seine Seite ziehen. Auch ist geplant, eine Krankenhausserie zu übernehmen.

Bei Pro Sieben hatte Sex and the City den Durchbruch im Hauptabendprogramm geschafft. Seit diesem Erfolg zeigt der ehemalige Kirch-Sender abends verstärkt amerikanische Serien. Neben Desperate Housewives sind es im neuen Jahr Produktionen wie Las Vegas, Medical Investigations oder Grey´s Anatomy. Selbst RTL2, der Ramschsender von Bertelsmann, bleibt einer teuren US-Serie treu, nämlich "24". Derzeit läuft die vierte Staffel der jeweils an einem Tag spielenden Serie, in der Kiefer Sutherland die Welt, sprich also: die USA, vor finsteren Bösewichten rettet. Selbst das ZDF, das vor Jahren verzweifelt die Mafia-Serie The Sopranos seinem Publikum näher zu bringen versuchte und daran kläglich scheiterte, hat vor, eine amerikanische Serie ins Programm zu nehmen. Und Premiere zeigt seit dem 15. Januar in einem seiner Spielfilmkanäle Rom, ein auf zwölf Teile gestreckter Sandalenfilm um Cäsar, Cicero und Konsorten.

Nun könnte man medien- und standortpolitisch diese Verlagerung von deutschen zu amerikanischen Serien beklagen. In der Tat werden nun Gelder, die bislang deutschen Produzenten zuflossen, in Lizenzrechte der großen amerikanischen Medienkonzerne gesteckt. Aber diese Klage übersieht, dass die amerikanischen Serien bei aller berechtigten Kritik an manchen Stereotypen besser produziert sind als deutsche. Das ist allerdings auch kein Wunder. Die Serien, die es nach Deutschland schaffen, haben sich auf dem harten US-Markt gegen eine Vielzahl von Konkurrenten durchgesetzt. Ihre jeweilige Grundidee hat sich als tauglich erwiesen. Regieeinfälle und Spezialeffekte sind nicht nur erprobt, sondern machen so etwas wie die Besonderheit jeder Serie aus. Und ihre Produzenten wissen, wie sie ihre Produkte verkaufen, also an das Publikum bringen können. Hinter den besten Serien wie Desperate Housewives oder Six Feet Under stecken im Übrigen Drehbuchautoren wie Marc Cherry oder Alan Ball. Wenn man so will, hat bei ihnen die Idee des Autorenfilms im harten Seriengeschäft überlebt.

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