Spielen, was das Zeug hält

Medientagebuch Es gibt unangenehmere Arten, den Abend zu verbringen: zu den Vorzügen von "Schlag den Raab!"

Er galt für die Älteren unter den Zuschauern und den Kritikern lange Zeit als Hallodri, als Tunichtgut, als Beelzebub, der den guten Geschmack aus dem Fernsehen herausprügelte, bis es allen schmerzt vor und auf dem Bildschirm. Die Sündenliste des Stefan Raab ist denn auch lang. Da finden sich Schmerzensgeldzahlungen an Menschen, die er in seiner Show TV total beleidigt hat, weil sie ein dummer Zufall (oder unüberlegte Absicht) in ein Fernsehprogramm verschlagen hatte, wo sie Raab fand und dann damit ausstellte. Da gab es eine Reihe von Beleidigungen, die sich am Rande dessen bewegten, was juristisch zu ahnden wäre. Da sind Bußgelder zu nennen, die wegen Schleichwerbung verhängt wurden.

Dennoch ist dieser Mann einer der wenigen, der in der Unterhaltungsabteilung des deutschen Fernsehens, sei es privat- oder öffentlich-rechtlich organisiert, etwas Neues wagt und ausprobiert. Erinnert sei daran, dass er den Schwachsinn, den RTL unter dem Titel Deutschland sucht den Superstar veranstaltet, nicht nur mit allen ihm zu Verfügung stehenden Mitteln abgestraft, sondern mit Gegenveranstaltungen, auf denen die Popmusik und die Talente ernst genommen wurden, konterkariert hat. Darüber hinaus hat er mit Schlag den Raab! die einzige neue Unterhaltungsshow kreiert, die beim Publikum ankommt. Sie basiert auf der Idee, die Raab zuvor bei seinen Sport-Ereignissen, bei denen es um Boxen, Wok-Fahren, Springreiten, Autorennen oder Pokern ging, erfolgreich getestet hatte. Denn bei all diesen Ereignissen trat er selbst an, stets mit dem Bewusstsein, der Beste zu sein, und stets mit dem Willen zu siegen.

Damit provozierte er nicht nur seine Fans, die ihm die Daumen selbst dann drückten, wenn er gegen eine Box-Weltmeisterin antrat (und einmal das Nasenbein gebrochen bekam), sondern auch die, die ihn nicht mögen. Diese fiebern dann mit seinen Konkurrenten mit und wünschen jede erdenkliche Niederlage inklusive der Kopfschmerzen, die manche Treffer beim Boxen erzeugt haben müssen. Bei Schlag den Raab! hat er diese Idee verfeinert. Gegen ihn tritt nach Vorauswahl durch das Publikum, was der Show eine überlange Einleitung und dem Sender Pro Sieben die obligatorischen Gelder durch die anrufenden Zuschauer beschert, ein Gegner an. Gekämpft wird in 15 Runden. Die Wettspiele basieren auf klassischen Sportarten, Quizformen und Kinderspielen. Der Sieger einer Runde erhält genau die Punktzahl, mit der die jeweilige Runde nummeriert ist. Ein Sieg in der ersten Runde bringt also gerade mal einen Punkt, der in der fünfzehnten genau 15 Punkte, so dass meistens bis zum Schluss die Spannung erhalten bleibt.

Gewinnt der Herausforderer in der ersten Sendung einer dreiteiligen Staffel, erhält er 500.000 Euro. Verliert er, stehen in der zweiten Sendung 1 Millionen Euro für den neuen Herausforderer bereit. Verliert auch dieser, locken den dritten Herausforderer in der dritten Show anderthalb Millionen Euro. Ob es dieser gewaltigen Geldsumme, mit der eine Arbeitszeit von vier bis fünf Stunden honoriert wird, überhaupt bedarf, kann nach anderthalb Jahren sogar bezweifelt werden. Denn der Reiz ergibt sich aus den unterschiedlichen Spielen und Wettkämpfen. Es reicht nicht aus, um Raab zu schlagen, dass man besonders stark ist oder intelligent. Man muss auch geschickt sein oder auch nur einfach Glück haben. Bevorzugte die Redaktion in der ersten Ausgabe noch Spiele, in denen ihr Chef und der Protagonist in Personalunion bekanntermaßen fit ist, überrascht sie ihn zunehmend mit Wettbewerben, die auch ihn vor große Herausforderungen stellen.

In der letzten Ausgabe vom 9. Juni ging es nach Mitternacht in einem Geschicklichkeitsspiel darum, wer ungewollt einen Turm, der aus Holzquadern aufgestapelt war, zum Einsturz brachte. Nacheinander mussten Raab und sein Herausforderer, der zu diesem Zeitpunkt dank seiner besseren Fitness und auch seiner größeren Allgemeinbildung führte, einen der Quader aus dem Turm ziehen. Dabei mussten sie auf der einen Seite darauf achten, dass ihnen bei dieser Aktion der Turm nicht einstürzte. Auf der anderen Seite sollten se versuchen, durch ihre Aktion die nachfolgende des Konkurrenten zu erschweren. Ein simples Spiel, das es in allerlei Varianten auf dem Spielemarkt in kleinerer Ausführung gibt. Aber es war von enormer Spannung. In dieser Runde siegte Raab, aber in der nächsten, in der es erneut um Wissensfragen ging, unterlag er wie so oft an diesem Abend. Und der Herausforderer siegte und zog mit einer Millionen Euro von dannen.

Ein einfaches und doch variables Spielkonzept, klare Regeln und Strukturen, Identifikationsmöglichkeiten für Raabfans und Raabgegner sowie mit Matthias Opdenhövel einen Moderator, der mittlerweile auf viele einstudierte Flapsigkeiten verzichtet, statt dessen spontan über Raab witzelt und dessen Versuche treffend karikiert, ohne ihn bloß zu stellen. Man muss das nicht sensationell nennen, man muss es auch nicht mögen. Aber es gibt im deutschen Fernsehen unangenehmere Sendungen, mit denen man den Abend verbringen kann. Und Stefan Raab hat mit dieser Show bewiesen, dass er mehr ist als ein Hallodri, nämlich ein gewiefter Produzent und Entertainer. Verglichen mit den letzten Ausgaben von Wetten, dass...! ist Schlag den Raab! von unerhörter Spannung. Und im Wettstreit mit den neuen Showideen von ARD (Deutschland lacht mit Bernd Stelter) und ZDF (Der Grand-Prix der Chöre mit Carmen Nebel) ist Raabs Show ein Ausbund an Intellektualität.


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