Von Hause aus Schriftsteller

Medientagebuch Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises an Günter Gaus, Alexander Kluge und Gerd Ruge

Als sie so im Gewitter der Blitzlichter dastanden und souverän in die vielen Foto- und Fernsehkameras blickten, spürte man das, was sie verbindet: Eine große Portion an Lebens- und Berufserfahrung und zugleich ein gehöriges Maß an Selbstbewusstsein. Die drei Männer, zusammengerechnet fast 210 Jahre alt, kennen die Medien und ihre Regeln. Aber sie unterwerfen sich ihnen nicht. Das verbindet sie mit dem Mann, der dem Preis, den sie an diesem Abend erhielten, den Namen gab, über die gemeinsame Haarfarbe hinaus. Auch wenn es an diesem Abend schien, als sei für den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis, den ein Freundeskreis des 1995 verstorbenen Fernsehjournalisten gestiftet hat und der alljährlich im Oktober verliehen wird, so etwas wie ein schlohweißer Haarschopf Pflicht, wirkten die älteren Herren überaus kregel. Und in ihrer Argumentations- wie auch Spottlust erschienen sie zudem wacher und radikaler als viele Kollegen, die gerade mal halb so alt sind.

Dass Günter Gaus, Alexander Kluge und Gerd Ruge gemeinsam der Friedrichs-Preis in diesem Jahr zuerteilt wurde, hat allerdings eine Vorgeschichte. Im letzten Jahr hatten die Preisträgerinnen Gabi Bauer, Maybritt Illner und Sandra Maischberger darüber gespottet, dass man den Preis wohl nur dann an Frauen vergeben könne, wenn man ihn wenigstens drittele. Der Einwand war berechtigt. In den Jahren zuvor war jeweils nur ein Preisträger ausgezeichnet worden. Wohl um diesen Makel wett- und vergessen zu machen, hatte die Jury, die aus den Stiftern besteht, diesmal auf die drei älteren Herren gesetzt. Und sie hatten damit - wie im Vorjahr - eine exzellente Wahl getroffen. Das wurde noch einmal in den kleinen Einspielfilmen deutlich, die im Bericht über die Veranstaltung im WDR Fernsehen gezeigt wurden. Ein kleiner Exkurs in die (west-)deutsche Fernsehgeschichte.

Gerd Ruge beispielsweise ist die rare Ausnahme eines Reporters, der die persönliche Perspektive seiner Berichte betont, ohne damit den Blick auf das von ihm Gesehene zu verstellen. Der von Gefühlen und Wahrnehmungen sprechen kann, ohne klebrig zu werden. Der sich fremden Kulturen ohne Besserwisserei, aber auch ohne eine falsche Demutshaltung annähert. Der immer noch neugierig ist, hinschaut, staunt, sich ärgert. Auch Günter Gaus hat sich die Neugier auf die Menschen bewahrt, die er nun seit über 37 Jahren vor Fernsehkameras befragt. Der Einspielfilm zitierte ein Gespräch mit dem damaligen Bundeskanzler Ludwig Erhard aus dem Jahr 1964 ebenso wie eines, das er erst gerade mit dem Fußball-Trainer Eduard Geyer führte. Seiner Methode ist Günter Gaus treu geblieben, auch wenn das Gestühl im Studio oder die Fernsehtechnik sich verändert haben. Die Eingangsfrage wird den Gästen im Vorhinein bekannt gegeben, der Rest kommt überraschend und gründet sich auf eine genaue Kenntnis der jeweiligen Biographie. Mitunter wisse er über die zu befragende Person mehr als diese selbst, sagt er. Und das wirkt nicht kokett.

Alexander Kluge wurde für seine Kulturmagazine gelobt. Das bot der Moderatorin Gabi Bauer wie dem Laudator Harald Schmidt Anlass für Skepsis und Spott. Aber Kluge wäre falsch gewürdigt, wenn man ihn in diesem Zusammenhang allein als den Interviewer und Produzenten von Sendungen wie News Stories lobte. Es war entscheidend Kluges Medienpolitik, die dank geschickter Gesetzeskonstruktionen eine Bresche in die Mauer des Privatfernsehens schlug und so ein wenig (wirklich klitzekleine) Vielfalt in das Potpourri des Immergleichen brachte. Im Publikum saß mit dem ehemaligen RTL-Chef Helmut Thoma jemand, der lange gegen diese ihm von der Medienpolitik aufgeherrschte Fensterregelung polemisierte. Heute hat er nicht nur mit Alexander Kluge, sondern nach seinen Erfahrungen im Hause Bertelsmann auch mit Kluges Medienpolitik seinen Frieden gemacht.

Leider blieb für eine Diskussion der drei "Titanen", so nannte Harald Schmidt Hölderlin zitierend das Triumvirat, untereinander kaum Zeit. Doch die Ansätze ihres Gespräches über das, was und wie das Fernsehen in den letzten Wochen seit den Anschlägen in New York und Washington und seit den Bomben auf Afghanistan berichtet, war vielversprechend. Nicht, dass sich die Herren einig gewesen wären. Aber die Anstrengung, die übermächtigen Bilder des Anschlags zu verstehen und die nichtssagenden Bilder vom Kriegsschauplatz zu durchleuchten, verband sie. Deutlich wurde nebenbei, dass sie alle drei in hohem Maße vom Wort geprägt sind. Wenn Kluge sagt, von Hause aus sei er Schriftsteller (in Wirklichkeit natürlich erst einmal Jurist), dann trifft das modifiziert auch auf Gaus und Ruge zu. Besonders Günter Gaus misstraut den Bildern auf eine schon fast pietistisch zu nennende Weise, während Kluge sie be- und durcharbeiten will. Ruge wiederum glaubt, sie durch das Wort des Kommentars, der nachfolgenden Diskussion und der Fachleute in ihrer Wirkung domestizieren zu können. Es war der Beginn einer Diskussion, die zu führen ansteht.

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