Wo laufen sie denn?

Medientagebuch Angebot und Nachfrage: Was ist der Preis der Bundesliga?

Im Rechtegeschäft des Fernsehens darf man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Hier wird viel gepokert, also geblufft und mit Drohgebärden gearbeitet. Doch das, was die Chefs der Fußball-Bundesliga in der Gestalt des ansonsten stets zerstrittenen Paares Gerd Niebaum (Borussia Dortmund) und Uli Hoeness (Bayern München) in der letzten Woche abgeliefert haben, bedarf schon eines genaueren Nachprüfens. Der Ausgangspunkt ist klar: In den nächsten Tagen und Wochen steht die Frage an, ob SAT 1, zur Zeit im Besitz der Erstsenderechte der Zusammenfassungen, die Option auf eine Vertragsverlängerung nutzt. Der Sender möchte gerne, aber nicht zum ehedem ausgehandelten Preis von 80 Millionen Euro.

Die vor zwei Jahren ausgehandelte Summe kam damals nur zu Stande, weil sich zwei heute weitgehend insolvente Rechtehändler namens Kölmel (Kinowelt) und Kirch (Sat1 und Premiere) in einem absurden Preiskampf hochgehandelt hatten. Kirch, der für seine Gruppe die Rechte schließlich erwarb, hatte Kölmel überbieten müssen, weil er sein Pay-TV-Geschäft Premiere ohne Bundesliga-Rechte (an Live-Spielen) schon damals hätte abschreiben müssen. Ohne Fußball hätte kaum Abonnenten. Im internen Machtgefüge hatte SAT 1 wiederum längst seine Rolle als Kirch-Flaggschiff an Pro Sieben und eben Premiere abgeben müssen. So kann man die Kostenverteilung, nach der SAT 1 rund ein Drittel der gesamten Rechtekosten zu übernehmen hatte, nicht als betriebswirtschaftliche Lösung sondern nur als Ausweis einer (dann doch katastrophal gescheiterten) Konzernpolitik bezeichnen.

Derzeit befindet sich der Kirch-Konzern in Auflösung. Die Insolvenzverwalter suchen nach Käufern und haben sie für die Pro Sieben SAT 1 Media AG im Bauer-Verlag und für Premiere in der Permira wohl auch gefunden. Damit ist die interne Aufteilung der Fußballkosten je nach Konzernstrategie perdu. Jeder der neuen Besitzer achtet nun bereits im Vorfeld darauf, dass ihm nicht überproportional Kosten aufgehalst werden. So ist die Strategie der Sendeleitung von SAT 1 vollkommen plausibel, die Kosten der Bundesligarechte zu minimieren. Mehr als 50 Millionen Euro will der mittlerweile in Berlin angesiedelte Sender für eine Saison nicht zahlen und hat dafür gute Gründe. Schließlich wird sich selbst diese Summe nicht refinanzieren, weshalb langfristig der neue Besitzer und eingefleischte Pfennigfuchser Heinz Bauer wohl ganz auf das teure Vergnügen verzichten wird.

Dass die Bundesliga-Chefs in dieser Situation nervös wurden, ist verständlich. Schon die Verluste der letzten Saison, als die Kirch-Gruppe die letzte Rate nicht zahlen konnte, hat eine Reihe von Bundesliga-Vereinen schwer getroffen. Ein Rückgang der Einnahmen um 30 Millionen Euro pro Saison, wäre für viele eine Katastrophe. Nicht zuletzt, weil die meisten Vereine über ihre Verhältnisse gelebt haben. Und nun stellen sich selbst diese Verhältnisse als das Ergebnis einer blindwütigen Spekulation heraus. Anstatt nun ihre Kollegen zur Besinnung aufzurufen, droschen Niebaum und Hoeness auf SAT 1 ein. Der Sender würde durch seine Geschäftspolitik das Produkt Bundesliga schlecht reden. Dieses Produkt sei eher zu billig als zu teuer verkauft worden. Die Bundesligasendung ran dauere zu lange und sei mit zu viel Werbung vollgestopft. Wenn man es nicht besser wüsste, glaubte man, die beiden Herren hätten einen Dachschaden. Der Preis der Fernsehrechte, muss man beiden sagen, wird nicht von der Bundesliga festgesetzt, sondern vom Fernsehmarkt. Und der dümpelt in einer doppelten Krise (Kirch-Insolvenz und allgemeine Werbeverluste) vor sich hin. Wer glaubt, mit billiger Mundpropaganda sein Produkt im Wert zu steigern, irrt gewaltig. Es sei denn, die ARD würde sich in einem Aberwitz von Wahnsinn durch die Politik in die Position bringen lassen, jeden gewünschten Preis für die Rückkehr der Bundesliga ins Erste Programm und in die Sportschau zu zahlen. Wer ran vorwirft, die Sendung sei zu lang und sei übervoll mit Werbung, hat ja durchaus Recht. Aber das darf nicht ausgerechnet derjenige sagen, der mit seinem Preispoker dafür sorgte, dass die Rechte so teuer wurden, dass sie selbst eine ganztägige Zusammenfassung des Bundesligaspieltages mit insgesamt 48 Werbeblocks nicht refinanzierte. Die Kritik von Gerd Niebaum erinnert denn auch einen alten Spruch aus dem Ruhegebiet, bei dem ein junger Mann einer alten Frau, die er gerade die Treppe herunterschubst hat, hinterher ruft: "Oma, wat löppste denn so schnell?".

Aus dem ganzen Gerede der beiden Fußball-Strategen bleibt allein eine einzige Überlegung relevant. Niebaum hatte darauf hingewiesen, dass SAT 1 unter anderem auch deshalb Zuschauer von ran verloren habe, weil Premiere seit Beginn dieser Spielzeit im Anschluss an seine Live-Übertragungen ein sechzigminütiges Magazin sendet (und das dann in den nächsten Stunden wiederholt), das den Spieltag unter der Überschrift Alle Spiele, alle Tore zusammenfasst. Wer diese von Monica Lierhaus oder Sebastian Hellmann jeweils live aus einem Bundesligastadion moderierte Sendung gesehen hat, braucht ran in der Tat nicht mehr. Hier spielt der Pay-TV-Sender seine Vorteile aus, weil er nicht wie ran an eine Sperrfrist (derzeit: 18.15 Uhr) gebunden ist und weil er weitgehend auf Werbung verzichtet. Aus der Sicht von SAT 1 müsste Premiere diese Sendung einstellen, was allerdings wiederum die Attraktivität für potentielle Abonnenten schwächte, oder aber wesentlich mehr zu zahlen haben. Eine Lösung: Premiere zahlt 30 Millionen Euro mehr, SAT 1 30 Millionen weniger. Georg Kofler, der umtriebige Premiere-Chef, fürchtet eine solche Lösung, weshalb er prompt verlauten ließ, er könne die Wut der Bundesliga-Chefs auf SAT 1 verstehen. Die ehemaligen Kirch-Partner sind nun Konkurrenten und lassen sich das wechselseitig spüren. Mit Sport hat das alles nichts zu tun.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Verändern Sie mit guten Argumenten die Welt. Testen Sie den Freitag in Ihrem bevorzugten Format — kostenlos.

Print

Die wichtigsten Seiten zum Weltgeschehen auf Papier: Holen Sie sich den Freitag jede Woche nach Hause.

Jetzt kostenlos testen

Digital

Ohne Limits auf dem Gerät Ihrer Wahl: Entdecken Sie Freitag+ auf unserer Website und lesen Sie jede Ausgabe als E-Paper.

Jetzt kostenlos testen

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden