Borissow setzt auf neue Gesichter

Bulgarien Nach dem Kantersieg der Konservativen kündigt Bulgariens künftiger Regierungschef Borissow den großen Kehraus mit dem Regierungsstil der Sozialisten an

Nach seinem Wahlsieg am vergangenen Sonntag will Bojko Borissow von der Gerb-Partei ein Kabinett aus Politikern und Experten zusammenstellen, denen bisher keine Ministerwürde zuteil wurde. So ist der 38-jährige Ökonom Simeon Djankov als neuer Finanzminister im Gespräch. Seine Nominierung werde sich positiv auf das Investitionsklima in Bulgarien auswirken, wird in Sofia allenthalben kolportiert. „Wir müssen viel Personal in der Verwaltung streichen und dabei mit der Schließung von den Ministerien beginnen, die sich als nicht effizient erwiesen haben“, hatte Djankov vor den Wahlen vom 5. Juli in einem Interview für Zeitung 24 Stunden erklärt.

Die Bulgaren erteilten den Sozialisten (BSP) und der von ihnen geführten Regierung eine klare Absage. Nur 18,2 Prozent gaben der BSP ihre Stimme. Damit wurde für eine Wende zu einer Mitte-rechts-Politik grünes Licht gegeben. Die Oppositionspartei "Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens" (Gerb) wurde mit 41,5 Prozent der Stimmen stärkste Partei. Gerb nahm bereits am Montag Koalitionsgespräche mit Vertretern anderer Volksparteien des Bündnis "Blaue Koalition" auf, Borrissows Partei fehlen im Parlament fünf Sitze zur absoluten Mehrheit.

Vertrauen der EU zurückgewinnen

Sollte die vom designierten Premier Bojko Borissow angestrebte Mitte-Rechts-Regierung zustande kommen, wird sie sofort auf eine zugespitzte Wirtschaftskrise reagieren müssen. Die zweite Mission ergibt sich aus der Notwendigkeit, das Vertrauen der EU zurück zu gewinnen. Die hatte zuletzt ihre Zahlungen an Sofia drastisch gekürzt, weil der Kampf gegen Korruption Ergebnisse schuldig blieb, wie sie von der Kommission in Brüssel erwartet wurden. Daran ist der bisherige Regierungschef Sergej Stanischev von der Sozialistischen Partei gescheitert, und daran wird Bojko Borissow gemessen. Schließlich gab es für seine Wahlkampagne nur die eine Parole: Es müsse mit dem gegenwärtigen Modell des Klientelismus in der bulgarischen Politik gebrochen werden. Nur so werde das Land wieder dafür prädestiniert sein, EU-Gelder für Infrastruktur- und Landwirtschaftsprojekte zu erhalten. Borissow: „Die Menschen wollen von uns eine Veränderung des Status quo – wir schulden ihnen das.“

Die Bulgaren seien mehrheitlich nicht bereit, noch länger den zynischen Konsens der politischen Eliten zu dulden, meint der Politologe Ognjan Mintschew. Sie hätten das „System der Ringe befreundeter Firmen“ abgewählt, das darin bestehe, die regierende Partei zu unterstützen und im Gegenzug mit Aufträgen versorgt zu werden. Mit der sich abzeichnenden Ernennung von Miroslav Najdenow zum Agrarminister könnte Borissow seinen versprochenen Kurs mit der nötigen Glaubwürdigkeit ausstatten. Der Name Najdenow kursierte gerade erst in den Medien, als Missstände beim Tausch von staatlichen Grundstücken bekannt wurden.

Anklage gegen Sozialisten

Während die ersten Verhandlungen zur Kabinettsbildung begannen, wurde bekannt, dass der Vizeminister für außerordentliche Situationen, Alexander Philipow von der liberalen Partei NDSW, wegen des Verdachts auf Korruption und Stimmenkauf verhaftet wurde. Er soll seinen Einfluss bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen mit bulgarischer und europäischer Finanzierung missbraucht haben und in Wahlmanipulationen involviert gewesen sein. Viele der nun abgewählten Amtsinhaber müssten sich vor ähnlichen Konflikten mit der Justiz fürchten, ließ Borissow mitteilen.

Der Vorsitzende der Sozialisten und abgewählte Ministerpräsident, Sergej Stanischev, äußerte deshalb die Befürchtung, dass nach den vollzogenen Machtwechsel eine Zeit des Revanchismus folgen könnte. In der Wahlnacht räumte er zwar Fehler seiner Regierung ein, bestand jedoch darauf, dass über seine eigene Verantwortung ein Plenum der Partei später befinden müsse.

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