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SCHADE Ruth Almog zerstört die Poesie ihrer Erzählung

Menschen unterschiedlichster Kulturen und Sprachen wohnen dichtgedrängt, manche haben eine Nummer auf den Arm tätowiert, Kinder beobachten sie, begreifen das Tabu, nach "dort" zu fragen und suchen sich die Erklärungen für seltsames Verhalten der Erwachsenen in ihrer Fantasie. Wie die 1936 in einem Vorort Tel Avivs geborene Ruth Almog die frühen vierziger Jahre in Israel aus Kindersicht beschreibt - als Nebeneinander von Trauma, Liebessehnsucht, Erinnerungsqual und eigener Brutalität - bleibt Lesern des kleinen Büchleins in der Erinnerung haften. Dieser Einblick ist zweifellos ein Gewinn.

Schade nur, dass Mirjam Pressler die alten Ladino*-Lieder und die Personennamen nicht übersetzt, die Botschaften überbringen. Die der Shoah Entkommenen haben ihre Söhne Rachamim (Barmherzigkeit) und Vital Bonfil genannt. Beide Jungs lieben es aber, Schwächere grausam und subtil zu quälen, reproduzieren damit Erlebtes oder Erzähltes. Enttäuschen Hoffnungen auf Neuanfang.

Noch mehr als diese Unterlassungen der Übersetzerin stört jedoch, dass die Autorin ihre eigene Erzählung am Schluss mit Sentimentalitäten zerstört: Sie tritt selbst als Person und auktorialer Erzähler auf, trägt die Erwachsenengeschichte einiger Personen nach und begräbt damit das trotz aller Härte der gesellschaftlichen und sozialen Realität leichte Gespinst der Erzählung unter rosa Zuckerguss.

* Ladino war "das Jiddisch" der spanischen Juden.

Ruth Almog, Ein Engel aus Papier, Erzählung, aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler, Bleicher Verlag, Gerlingen 2000, 144 S., 28,- DM

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