Wenn etwas die Grüne Woche von einer x-beliebigen Produktschau unterscheidet, dann sind es nicht Aufwand und Plot, sondern die Darsteller. Zwischen Tütensuppen-Glücksrädern und Dampfbügeleisen indischen Reis anzubieten schafft schließlich jede niederrheinische Kleinmesse; erst das alljährliche Auftauchen der hohen Politik verleiht dem Berliner Event jene Bedeutungsschwere, an der er seit 1926 wächst und gedeiht. Gern zeigen die Veranstalter daher ein historisches Foto mit dem staunenden Konrad Adenauer vor Landschaften aus holländischem Gemüse. Der Mann war wirklich beeindruckt - das Rezept funktioniert bis heute.
Neuerdings auch mit der grünen Bundestagsfraktion. Deren geballter Auftritt könnte auch auch auf dem Biomarkt namens "L
namens "Land der Sinne" Probe für zukünftige Oktoberfeste gewesen sein: Rezzo Schlauch erschien da zum Ökobier-Fassanstich, Bärbel Höhn zum Backen und Cem Özdemir probierte den ersten "Bio-Döner" - selbstverständlich ohne Fleisch. Während Jürgen Trittin und Renate Künast beim Fototermin "Kochen mit Kindern" spielten, probierte Kerstin Müller auf der Bühne Ökowein. Ein stiller Protest gegen die von ihrer Partei gegeißelte "industrialisierte, anonyme Massenproduktion von Futter- und Nahrungsmitteln"?Auch wenn sie am kommenden Sonntag die Pforten schließt: Den Öko-Anschlag im "Land der Sinne" wird die aus zahllosen Kleinmärkten hervorgegangene Messe überleben, sie hat schon ganz anderes überlebt. Die Industrialisierung Berlins in den Zwanzigern. Die "Eingriffe" durch den NS-Nährstand, die 1934 - wie der Katalog vermerkt - "dem Messegeschehen einen deutlich braunen Anstrich" gaben. Den Zweiten Weltkrieg. Die "Abriegelung" vom "natürlichen Umland" mit dem Mauerbau 1961 und den damit verbundenen Besucherrückgang um fast 50 Prozent. Zweifellos wird sie auch über BSE hinwegkommen. Denn die allseits vorgetragene Politiker-Losung des Jahres lautete: Alles wird gut.Als neue Ernährungsministerin versprach Künast "Vertrauen" und "Sicherheit" fürs ganze Volk. Sie wolle in der Landwirtschaft "keine Revolution" anzetteln, wohl aber "Marktchancen für Ökoprodukte" ausloten. Und Gerd Sonnleitner bot alle Lyrik auf, die einem Präsidenten des deutschen Bauernverbands angesichts eines "BSE-Problembergs" zur Verfügung steht: "Ein Stück Lebensfreude" sei die Grüne Woche trotz allem, "ein Vorbote für den Frühling".Letzterer lässt indes auf sich warten. Der gerade gegründete Verband der Fleischwirtschaft (VDF), dessen Firmen 90 Prozent der Schlachtungen in Deutschland abwickeln, schmollte sich im Kongresszentrum schon mal in Stellung: "Unverschuldet" seien die Firmen in eine "existenzbedrohende Notlage gebracht" worden, nun müsse die Politik wenigstens die Kosten für BSE-Tests und die Entsorgung von Kadavern tragen. Zwar gaben die Verbandssprecher unumwunden zu, "Hochrisikomaterial" - d. h. möglicherweise BSE-haltige Fleischabfälle - an die Tiermehlproduktion weiterverkauft zu haben, doch das sei legal gewesen. Das vom VDF jetzt propagierte "Qualitätsmanagementsystem" für eine "gläserne Produktion" von Rindfleisch, wie es EU-weit schon seit einem Jahr obligatorisch sein sollte, wird den Verband noch einiges an PR-Arbeit abverlangen: Wurst- und Rindfleischstände blieben auf der Schau schlecht besucht, mancher blieb gleich ganz geschlossen.Von der Misere am deutschen Rind profitieren nicht nur die Anbieter von afrikanischem Straußen- und schwedischem Elchfleisch, auch die jahrelang von Tierschützern angegriffenen Geflügelproduzenten nutzen die Gunst der Stunde. Auf dem "Erlebnis-Bauernhof" präsentierten sie etwa einen "ausgestalteten Käfig", der sich von anderen Massenkäfigen vor allem durch propagandistische Raffinesse unterscheidet: Eine zusätzliche "Sitzstange" und ein als "Nest" deklarierter Vorhang aus gelber Plastikplane, so belehren Schautafeln, sollen künftig für mehr "Komfort" bei der Massentierhaltung sorgen. Die Resonanz auf das "Modellvorhaben" sei "gut" - sicher mehr in der Öffentlichkeit, als bei den Hühnern."Was zählt, ist Qualität" - In Halle 23a hat das Bundesverbraucherministerium einen überdimensionalen Bioladen eingerichtet. Ein freundliches, helles Ambiente in Mint- und Gelbtönen, geräumig, gut durchlüftet, die reinste Wohltat im Messerummel. Große Raps- und Wirsingkohlbeete als "informative Höhepunkte". Wer hier Informationen zu BSE sucht, hat Pech gehabt und wird mit dem Agrarbericht der Bundesregierung vertröstet. Der schert ein Rentnerehepaar wenig. "Nach Tschernobyl hamse gesagt: Keine Pilze essen! Dann waren de Würmer im Fisch. Jetzt BSE. Da kräht im Sommer doch kein Hahn mehr nach." Und dann schwirrt das Paar ab in Richtung Pflanzenschau. Das größte Arrangement dort trägt den Titel "Blumenhölle am Vulkan".