Autoritäre Rebellen gegen Diktatur

Querdenker Um die anhaltenden Proteste gegen die Corona-Maßnahmen und ihre TeilnehmerInnen zu verstehen, hilft ein Blick auf den Begriff des Autoritären Charakters.

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Sie nennen sich Querdenker, Corona-Rebellen und Widerständler. Sie erheben sich gegen die Diktatur, kämpfen für Freiheit und Selbstbestimmung, lassen sich keinen Maulkorb verpassen und manch einer fühlt sich gar wie Sophie Scholl. Die sogenannten KritikerInnen gegen die Corona-Maßnahmen, die seit Monaten zu Tausenden auf die Straße gehen, erscheinen als das komplette Gegenteil einer autoritären Persönlichkeit. Gleichzeitig finden wir in ihren Reihen jedoch eine Vorliebe für starke und autoritäre Führungspersönlichkeiten wie etwa Wladimir Putin oder Donald Trump. Nicht nur die Reichsbürger innerhalb der Bewegung verehren das militaristisch-monarchistische deutsche Kaiserreich und auch Befürworter eines faschistischen Führerstaates sind fester Bestandteil der selbsternannten FreiheitskämpferInnen. Wie passt das zusammen?

Klarheit verschafft uns nur ein genaueres und tieferes Verständnis vom Wesen des Autoritären-Charakters. Der autoritäre Charakter ist ein Begriff des Soziologen und Psychoanalytikers Erich Fromms. Auch er verweist schon auf diese widersprüchliche Seite des Phänomens. Einen autoritären Charakter hat ein Mensch, dessen Denken, Fühlen und Handeln im Wesentlichen von Strebungen des sich Unterwerfens und des Beherrschens bestimmt werden. Ein solcher Mensch hat einen starken psychischen Drang sich einer Autorität zu unterwerfen und für andere eine Autorität zu sein. Sein Motto ist:“ Nach oben buckeln, nach unten treten“.

Wie passt diese Beschreibung, aber nun zu unseren Corona-Rebellen, die sich doch vor allem dadurch auszeichnen, dass sie sich nichts befehlen und verbieten lassen wollen? Hierfür müssen wir verstehen, was solch ein Mensch mit seinen autoritären Strebungen bewusst oder unbewusst zu erreichen versucht. Der Autoritäre Charakter ist geplagt von einem schmerzenden Gefühl der Ohnmacht, Minderwertigkeit und Bedeutungslosigkeit. Sowohl das sich Unterwerfen als auch das Beherrschen sind Versuche diesen Schmerz zu lindern. Darum ist sein Verhältnis zur Autorität widersprüchlich. Er versucht sein Gefühl der Ohnmacht etwa loszuwerden, indem er die Verantwortung für sein Lebens, die Last der freien Entscheidung an eine Autorität delegiert. Ebenso wird aber auch ein Teil von ihm sich gegenüber Autoritäten zu wehren versuchen, um so die Ohnmacht loszuwerden. Dies können subtile Formen sein wie unbewusste Fehleistungen, innere Distanzierung oder aber auch Trotz bis hin zur Rebellion. Im Gegensatz zu antiautoritären Persönlichkeiten wird jedoch niemals das Prinzip von Herrschaft und Macht selbst abgelehnt. So sehr auch gegen eine bestimmte Autorität rebelliert wird, so bereitwillig wird sich einer anderen Macht unterworfen. Sei es der eigene Chef, Trump, Gott oder das Schicksal. Der autoritäre Rebell ist besonders gut daran zu erkennen, dass er sich selbst gegen Autoritäten und Befehle auflehnt, die nicht zu seiner Beherrschung gedacht sind, ja sogar, wenn die Autorität in seinem Interesse handeln sollte. Dass es im Leben allein um herrschen und beherrscht werden geht, ist für ihn so selbstverständlich, dass er in einem solchen Fall verdeckte herrschsüchtige und unterdrückerische Absichten der Autorität herbeiphantasiert. Eine Mund-Nasen-Schutzmaske ist dann nicht ein sinnvolles Mittel zum Schutz gegen eine gefährliche Pandemie, sondern Ausdruck der sadistischen Gelüste der Machthabenden.

Heimspiel für die Faschisten

Menschen mit autoritärem Charakter glauben nicht an die schöpferische Kraft des Menschen. Der Mensch ist verdammt sich dem Schicksal oder einer anderen höheren Macht zu unterwerfen. Das Leben selbst in die Hand zu nehmen, gesellschaftliches Miteinander zu planen und zu gestalten scheint ihnen ein verrückter Versuch zu sein. Viel lieber ertragen sie das Leiden welches eine unkontrollierte Pandemie verursacht und akzeptieren sie Tausende Tote, als selbst im Namen der Vernunft tätig zu werden. Heldenhaft ist für sie nicht auf sich und andere zu achten und schwächere zu schützen, sondern Krankheit und Tod zu erleiden, selbst wenn es die eigenen Angehörigen oder sie selbst treffen sollte. Das ist der Grund warum eine eigene Erkrankung oder der Tod von ihnen nahestehenden Personen durch das Corona-Virus bei ihnen keinen Lerneffekt auslösen wird.

Weil der Autoritäre-Charakter nicht an schöpferisches Handeln und planende Vernunft glaubt, liegen erstrebenswerte Ziele meist in der Vergangenheit. So verwundert es auch nicht, dass die in der Querdenkerbewegung angebotenen Gesellschaftskonzepte aus der Naziherrschaft, dem Kaiserreich oder den germanischen Stämmen entspringen. Sie sind konservativ und reaktionär.

Weder bedeutet das Gesagte, dass Menschen mit autoritärem Charakter alle dieselbe Position in der Coronakrise einnehmen, noch dass der autoritäre Charakter bei jedem Querdenker anzutreffen ist. Es bedeutet auch nicht, dass die Charakterstruktur des Autoritären eine erschöpfende Erklärung für das Phänomen der Bewegung gegen die Corona Maßnahmen darstellt. Sie erklärt jedoch die psychische Grundlage für die deutliche Mehrheit der Bewegung. Diese Grundlage macht die Bewegung in ihrer Tiefenstruktur weitaus weniger heterogen, als sie oftmals beschrieben wird. Faschisten treffen hier mit ihrer Ideologie auf fruchtbaren Boden. Es handelt sich bei ihrer Teilnahme an den Protesten deshalb auch nicht um ein Unterwandern einer ansonsten braven Bürgerbewegung mit berechtigtem Anliegen, sondern um ein Heimspiel der Faschisten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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