Die Wahlrechtsreform – Eine Niederlage für die Demokratie

Ampel gegen Union und Linke Mit der Mehrheit der "Ampel" hat der Bundestag die umstrittene Wahlrechtsreform verabschiedet. Das bedeutet eine Niederlage für die Demokratie: Die Parteiapparate werden gestärkt, die Verbindung der Bürger zu ihren Abgeordneten geschwächt

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Mit der Mehrheit der Ampel-Parteien hat der Bundestag am 17. März 2023 die umstrittene Wahlrechtsreform verabschiedet:

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundestag-stimmt-fuer-umstrittene-wahlrechtsreform-a-5c05ff7e-ea42-4be7-8cf5-67e7a7402342

Kritik an dieser Reform finden Sie etwa hier:

https://www.focus.de/politik/deutschland/analyse-von-ulrich-reitz-heute-will-die-bundesregierung-unsere-erststimme-entwerten_id_188489428.html

https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/das-ende-deutschlands-wie-wir-es-kennen/

https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/ampel-sichert-sich-mehrheit-per-wahlrechtsaenderung/

Grundsätzliches auch hier, sehr lesenswert: https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/spahns-spitzwege/wahlrechtsreform-von-der-buergerdemokratie-zur-parteienoligarchie/

Nicht ohne Grund heißt es Erst- und Zweitstimme. Dass ein mehrheitlich PERSÖNLICH gewählter Kandidat nicht mehr unbedingt ins Parlament kommen soll, ist undemokratisch. Und der Typ des unabhängigen Einzelkandidaten u. Abgeordneten wird damit einfach beerdigt.

Das neue Gesetz bedeutet eine Stärkung der Parteiapparate, die ohnehin schon viel zu mächtig sind. Die Abgeordneten auf Listenplatz sind nur ihren Parteiapparaten verantwortlich und nicht den Wählern. Schönes Beispiel: Die SPD-Listenplatz-Abgeordnete aus meinem Wahlkreis, die einmal pro Monat (!!) zwei Stunden Bürgersprechstunde im Wahlkreis hat, im Urlaubsmonat fällt auch das aus. Solchen Abgeordneten sind die Wähler eben egal. Sie orientieren sich an ihrem Parteiapparat und das war’s.

Über die Zusammensetzung der Listen, über die Besetzung der Listenplätze bestimmen die Parteiapparate. Demokratie bedeutet aber mehr Einfluss der Bürger vor Ort und eine engere Beziehung der Abgeordneten zu den Bürgern!

Direkt gewählte Abgeordnete haben in der Regel doch noch mehr Bürgerkontakt. Sie müssen immer an erster Stelle stehen!

Zur Begrenzung der Zahl der Abgeordneten auf 597 schlage ich vor, dass die mit Erststimme gewählten Abgeordneten AUF JEDEN FALL gewählt sind und der für ein Bundesland dann noch verbleibende Anteil entsprechend den Zweitstimmen auf die anderen Parteien aufgeteilt wird - wobei natürlich der durch die Erststimmen schon abgedeckte Anteil abgezogen wird. Das könnte etwa in Bayern tatsächlich heißen, dass die CSU mit einem guten Erststimmen- und einem schlechteren Zweitstimmenergebnis eben dann auch mehr Abgeordnete hätte, als ihr nur nach den Zweitstimmen zustehen würde. Aber: Aus gutem Grund ist das die ERSTstimme.

Über die Regelung, mit der es die Linke diesmal noch geschafft hat, mit vollem Zweitstimmenanteil mit 39 Abgeordneten in den Bundestag zu kommen und nicht nur mit den 3 Direktmandaten, könnte man natürlich diskutieren. Mir erscheinen hierfür 3 doch etwas wenig, ich würde hier mindestens 5 Direktmandate für diese Ausnahme bevorzugen. Mir erscheint die 5 %-Hürde allerdings auch zu hoch, ich würde 4 % vorschlagen. Dann käme doch auch eine Partei in den Bundestag, für die immerhin jede(r) 25te gestimmt hat.

Die aktuelle Regelung zur Ermittlung der Zusammensetzung des Bundestages mit der Berechnung der Sitzkontingente der Länder finden Sie hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Sitzzuteilungsverfahren_nach_der_Wahl_zum_Deutschen_Bundestag#Schritt_1.1_%E2%80%93_Sitzkontingente_der_Länder

Kompliziert!

Mein Vorschlag, der bewusst die Erststimmen bevorzugt, hier am Beispiel Bayern für die Bundestagswahl 2013 durchgerechnet, an der der zitierte Wikipedia-Artikel die aktuelle Regelung demonstriert:

Bayern 91 Abgeordnete, davon 45 Direktmandate.

Die CSU hat alle 45 Direktmandate errungen. Es bleiben 46 Sitze, sie werden auf die Parteien entsprechend den Zweitstimmen verteilt.

Ergebnisse bei den Zweitstimmen: CSU 49,3 %; SPD 20 %; Grüne 8,4 %; Linke 3,8 %; FDP 5,1 %, aber im Bund insgesamt unter 5 %, daher kein Sitz; Sonstige, alle unter 5 %: 13,4 %.

Die Gesamtprozentzahl der Parteien, auf die die Sitze aufgeteilt werden: 81,5 % der abgegebenen Wählerstimmen, 100 % der für die Sitzverteilung zu berücksichtigenden Parteien. Davon hat die CSU 60,49 %, die SPD 24,54 %, die Grünen 10,31 % und die Linke 4,66%.

91 Sitze insgesamt sind aufzuteilen: CSU 55 (darin enthalten alle 45 Direktmandate), SPD 22,33; Grüne 9,38; Linke 4,24.

Die 0,33fachen, 0,38fachen und 0,66fachen Abgeordneten könnten dann über Ergebnisse in anderen Bundesländern ausgeglichen werden. Vielleicht hat ja die SPD in NRW 0,54 Abgeordnete zu viel, dann würde etwa in NRW noch ein weiterer Abgeordneter für die SPD in den Bundestag rutschen und in Bayern dann nicht mehr.

Wenn die CSU über die Zweitstimmen weniger Mandate bekäme, als sie Erststimmen hat, dann sollten in erster Linie die Erststimmen zählen und in diesem Fall die CSU auch mehr Abgeordnete haben, als ihr nach den Zweitstimmen zustehen würden, also alle 45 direkt gewählten Abgeordneten. Die übrigen 46 Abgeordneten, die auf die Listenplätze verteilt werden, würden dann den anderen Parteien zukommen, die CSU bekäme hiervon nichts mehr.

Nach dieser Regelung wären die Erststimmen tatsächlich das, was sie dem Namen nach sein sollen: ERSTstimmen, und der Bundestag wäre dauerhaft auf 597 Abgeordnete verkleinert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dietrich Klose

Vielfältig interessiert am aktuellen Geschehen, zur Zeit besonders: Ukraine, Russland, Jemen, Rolle der USA, Neoliberalismus, Ausbeutung der 3. Welt

Dietrich Klose

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