“Wie italienische Bomben Zivilisten im Jemen töteten” – so lautet der Titel zu einem kurz vor Jahreswechsel auf der Webseite der New York Times veröffentlichten Film. MALACHY BROWNE, BARBARA MARCOLINI und AINARA TIEFENTHÄLER haben hier den Weg tödlicher Bomben von Sardinien über Saudi-Arabien bis zu tödlichen Angriffen auf zivile Ziele Jemen verfolgt:
https://www.nytimes.com/video/world/middleeast/100000005254317/civilian-deaths-yemen-italian-bombs.html und auf Youtube https://www.youtube.com/watch?v=PE2Fxnbvk0I
Malachy Brown schreibt dazu:
„Für über ein halbes Jahr haben Babi Marcolini und ich mit Informanten in Italien und im Jemen gearbeitet, um dem Weg der in Sardinien produzierten Bomben zur saudi-arabischen Luftwaffe und Angriffen auf Zivilisten im Jemen zu folgen. Die Geschichte verbindet Facebook-Videos und Satellitenbilder, Twitter-Fotos und Schiffsrouten-Sucher. Wir arbeiteten mit Berufsfotografen und Drohnennutzern zusammen, mit Aktivisten aus dem Jemen, mit Angestellten und Insidern aus dem Schiffsgeschäft.
Die Geschichte ist ein Blick auf das schattenhafte Geschäft des internationalen Waffenhandels […] und deckt eine starke Zunahme bei dem Verkauf von Bomben auf, der nun direkt mit dem Tod von Zivilisten in Verbindung gebracht werden kann.“
In fünf Fällen haben die Filmemacher Reste der Bomben der Serie M8, die durch die Kennnummer A4447 identifizierbar sind, an den Orten von saudischen Luftangriffen auf Ziele im Jemen nachweisen können. Darunter findet sich der Fall einer sechsköpfigen Familie, Eltern und vier Kinder, die nachts im Schlaf Opfer einer solchen Bombe wurden.
Italienische Medien haben diesen Fall sofort aufgegriffen und berichten ausführlich darüber, hier nur drei Links zu den Webseiten von drei großen italienischen Zeitungen:
Diese Bombenfabrik auf Sardinien und der Verkauf der Bomben an Saudi-Arabien waren in Italien immer wieder Thema in den Medien, Gegenstand von Forderungen, diese Verkäufe zu beenden, von politischer Debatte und von Rechtfertigungsversuchen der italienischen Regierung. In den „Jemen-Mosaiken“ hier im Freitag wurde immer wieder darauf verlinkt, wie die Suche nach „Sardegna“ und „bombe“ auf der Freitag-Webseite ergibt. Auf immerhin 17 „Jemen-Mosaike“ wird hier verwiesen:
https://www.freitag.de/@@search?SearchableText=Sardegna+bombe
Aber die Geschichte dieser Bomben aus Sardinien ist keineswegs nur eine italienische Angelegenheit, sondern betrifft Deutschland mindestens genauso. Der Titel des aktuellen Films hätte mit derselben Berechtigung auch lauten können: “Wie deutsche Bomben Zivilisten im Jemen töteten”.
Und doch ist bei deutschen Medien im Gegensatz zu den italienischen bisher: Nichts. 0,0. Soweit eine Google-Suche nach „Rheinmetall“ und dann noch nach der Kombination „Rheinmetall“ und „Jemen“, für die letzten 24 Stunden am 30.12.2017 um 11.00 Uhr, 24 Stunden nach der Veröffentlichung des Films auf der Seite der New York Times und auf Youtube. (Nachtrag: Noch einmal 24 Stunden später, am 31.12.2017 um 10.45, immer noch: Nichts. Gar nichts. 0,0).
Die Bombenfabrik auf Sardinien gehört dem deutschen Fahrzeug- und Rüstungsunternehmen Rheinmetall. Es sind zwar italienische Arbeiter, die die Bomben zusammenbauen, es ist die Fluggesellschaft des Präsidenten von Aserbeidschan, die die Bomben von Sardinien nach Saudi-Arabien bringt, es ist die italienische Regierung, die über die Ausfuhrgenehmigung nach Saudi-Arabien entscheidet, aber es ist ein deutsches Unternehmen, das dahinter steht.
Über Rheinmetall lesen wir in der deutschen Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Rheinmetall , der kurze Passus über die Produktion von Bomben für den Jemenkrieg ist jedoch veraltet.
Auf der Webseite von Rheinmetall (https://www.rheinmetall.com ) bekommen wir schöne Propaganda zu lesen, etwa unter „Corporate Governance“:
„Rheinmetall bekennt sich traditionell zu einer verantwortungsbewussten, fairen, verlässlichen und transparenten Unternehmenspolitik“ (https://www.rheinmetall.com/de/rheinmetall_ag/group/corporategovernance_4/index.php ) und siehe auch oder unter „Corporate Compliance“: (https://www.rheinmetall.com/de/rheinmetall_ag/group/corporate_compliance/index.php ).
oder unter: „Gesellschaft“:
"Rheinmetall kommt seiner gesellschaftlichen Verantwortung weltweit aktiv nach, ohne dabei unternehmerische Ziele aus den Augen zu verlieren."
oder unter "Corporate Social Responsibility“:
„Die Erwartungen an Unternehmen, einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten, steigen. Als ein Technologiekonzern mit einer über 125-jährigen Geschichte ist Nachhaltigkeit für uns kein Modewort des 21. Jahrhunderts, sondern schon seit vielen Jahren ein fester Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Unternehmerisches Handeln hat weitreichende Auswirkungen. Dauerhaften Erfolg hat ein Unternehmen nur, wenn es ökonomische, ökologische und soziale Kriterien aufeinander abgestimmt in die Geschäftstätigkeit integriert und Mehrwert für sich, seine Mitarbeiter und die Gesellschaft schafft.“
https://www.rheinmetall.com/de/rheinmetall_ag/corporate_social_responsibility/index.php
In der Tat, gerade auch für Rheinmetall gilt: „Unternehmerisches Handeln hat weitreichende Auswirkungen!“. Es bleibt also festzuhalten, dass die Produktion und der Verkauf von Bomben, mit denen zivile Ziele im Jemen zerstört und Zivilisten getötet werden, nach dem Selbstverständnis eines Unternehmens wie Rheinmetall bedeutet, dass es „soziale Kriterien aufeinander abgestimmt in die Geschäftstätigkeit integriert“ und dass es durch die Produktion und den Verkauf dieser Bomben „Mehrwert für die Gesellschaft schafft.“
Ja hoppla!
Den Aktionären wird die Rheinmetall-Aktie mit fünf Argumenten angepriesen, das erste ist: „Wachstum“: http://ir.rheinmetall.com/websites/rheinmetall/German/1000/aktie.html?_ga=2.185449641.1016075556.1514620995-1740821894.1514620995.
Ja bitte! Hier liegt der Hase im Pfeffer. Mehr Bomben für den Jemen bedeuten dann eben auch: Mehr „Wachstum“ für die Aktionäre
Schauen wir auch noch auf die Aktionärsstruktur: „Der Aktionärskreis der Rheinmetall AG besteht aus einem relativ stabilen und hohen Anteil institutioneller Investoren, der sich in den vergangenen Jahren nur geringfügig geändert hat.“ Dazu gibt es nähere Zahlen.
http://ir.rheinmetall.com/websites/rheinmetall/German/1040/aktionaersstruktur.html
Aha.
Der aktuelle Film der New York Times zeigt die Familie von Hosni Ali Jaber, die am 8. Oktober 2016 nachts beim Schlaf in ihrem Haus von einer Rheinmetallbombe getötet wurde. Mehr hierzu können Sie in dem Film hier sehen: https://www.youtube.com/watch?v=1UnOmcYvbsw
Und in den Fotos hier: https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=1125788610845110&id=881240811966559
Erinnern Sie sich noch an die Aufregung und die Auseinandersetzung um den Slogan “Nestlé tötet Babys?“ Damals ging es um Nestlés Verkauf von künstlicher Babynahrung in Entwicklungsländer. Man kann Babys und Kinder freilich auch unzweifelhaft direkt umbringen. Und auch Deutschland ist dabei.
Ältere deutschsprachige Artikel zu Rheinmetall, Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und Jemenkrieg
https://boerse.ard.de/aktien/rheinmetall-und-die-saudi-connection100.html
http://www.zeit.de/2016/45/rheinmetall-ruestungskonzern-internationalisierung-export-kontrollen
http://faktencheckhellas.org/rheinmetall-und-die-sardinien-saudi-jemen-connection/
https://www.weser-kurier.de/startseite_artikel,-RheinmetallBomben-im-Jemen-_arid,1485044.html
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