Essener Mescalero: "Bürgerjournalist" bedauert, dass man Ungeimpfte nicht "keulen" kann

Lokalkompass Essen-Süd Die nächste Stufe der Hetze und bewussten Spaltung der Gesellschaft ist erreicht. Jetzt kotzte ein Essener "Bürgerjournalist" seine Massenmord-Träume gegen Ungeimpfte aus: "Keulen [...] ist ja leider nicht möglich"

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Hassprediger(innen) und Hetze haben seit einigen Monaten Hochkonjunktur in Deutschland. Die konzertierte Kampagne von Politik, (Mainstream-)Medien und einzelnen Propagandisten der Corona-Impfkampagne gegen "Ungeimpfte" (d. h. korrekt solche, die sich nicht gegen Corona impfen lassen wollen) hat Dimensionen angenommen, die noch vor einigen Monaten unvorstellbar gewesen wären. Diese Hass- und Hetzkampagne hat die Gesellschaft in einer Weise gespalten, wie wir es seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hatten. Einem zwischen 20 und 30 % (genaue Zahlen gibt es nicht) zählenden Teil unserer Gesellschaft wird immer unverblümter die Zugehörigkeit zu eben dieser Gesellschaft abgesprochen und verweigert. Hierbei denke ich gar nicht an Regelungen wie 2G oder spezielle Lockdowns, sondern daran, dass der Chor der Hetzer nun einstimmig das Lied singt: Ihr gehört nicht zu uns, ihr seid kein Teil dieser Gesellschaft. Wann gab es das zuletzt in Deutschland?

Selbst in der Hochzeit der Rote-Armee-Fraktion und der heftigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zwischen "Rechts" und "Links" in den 1970er Jahren, als sich die verschiedenen feindlichen Lager in vergleichbarer Weise die Zugehörigkeit zu unserer Gesellschaft absprachen da kann man vielleicht noch einmal in den 1977er-Jahrgängen von "Konkret" und dem "Bayernkurier" lesen , war es wohl nicht so schlimm wie jetzt. Und: Damals waren das Spektrum von Politik und Medien und damit auch die ganze Diskussion wesentlich vielfältiger, und letztendlich wurde auch die Spaltung nicht so weit getrieben, wie wir das jetzt erleben. Auch der langhaarige Student, der sich 1977 in eine bayerische Dorfwirtschaft verirrte und dort nicht ausgerechnet am Stammtisch für die "Bader-Meinhof-Bande" agitierte, wurde wohl nicht so angemacht, wie es heute medial pauschal den sogenannten "Ungeimpften" ergeht.

Bisher bewegten sich Hasspredigten und Hetze nur auf der verbalen Ebene, waren Aneinanderreihungen von Beschuldigungen, Verunglimpfungen und Beleidigungen. Dass man mit so etwas mittelfristig immer (es war noch nie anders) Leute nicht nur aufhetzt, sondern dadurch sich auch Gewaltbereite zur Anwendung von Gewalt gegen die derart ausgesonderte(n) Gruppe(n) aufhetzen lassen, weiß man. Keine(r) der in einer Art Gruppendynamik bei der sie sich allein durch ihre wachsende Zahl "Flankenschutz" geben immer schriller werdenden Hassprediger(innen) wird sich, wenn es tatsächlich zu Fällen von Gewalt kommt (man kann darauf warten), mit einem "Das habe ich nie gesagt" oder "Das habe ich nie gewollt" herausreden können...

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Die nächste Stufe der verbalen Eskalation hat sich nun die Webseite eines Essener Wochenblatts erlaubt, das immerhin zur Funke Mediengruppe gehört. Es geht um den beim Lokalkompass Essen-Süd am 23. November eingestellten Artikel "Geimpft, Genesen oder Gestorben das sind die Aussichten für den Winter" (Kommafehler im Original) von einem Thomas Umbehaue, der bei diesem Blatt als "Bürgerjournalist" geführt wird.

Dort steht nach einer Reihe verbaler Rundumschläge (die schon nicht mehr besonders herausragend sind und die hier nicht weiter "gewürdigt" werden sollen) über Leute, die sich nicht gegen Corona impfen lassen wollen, der folgende Satz:

Keulen, wie bei der Vogel- oder Schweinegrippe ist ja leider nicht möglich.

Zum Mitschreiben: Hier bedauert der Schreiber, dass leider etwa ein Viertel oder Fünftel der der deutschen Bevölkerung nicht erschlagen werden kann.

Nun, das finden Andere vielleicht auch und nehmen das halt jetzt mal ein bißchen in die eigene Hand.

Ich hatte an den zuständigen Redakteur geschrieben und ihn aufgefordert, sich dazu zu äußern und den Artikel von der Seite zu nehmen. Letzteres ist jetzt geschehen, nachdem er immerhin mehrere Tage online war (Ausdruck, Screenshots gesichert). Auf eine Erklärung des Redakteurs, wie es sein konnte, dass so etwas auf seiner Seite erschienen ist, warte ich immer noch.

Das von Herrn Umbehaue ausgedrückte Bedauern, dass Corona-Impfunwillige nicht mit der Keule erschlagen werden können, erinnerte mich spontan an einen Fall, wo nach einem "erfolgreichen" politischen Mord jemand seine "klammheimliche Freude" daran zum Ausdruck brachte. "Klammheimliche Freude" an einem Mord oder ein "leider" zu einem nicht auszuführenden Mord, wo ist da der Unterschied? Da gibt es keinen.

Worum ging es damals?

1977 ermordete die "Rote Armee Fraktion" den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback. In einem anonym unter dem Decknamen "Mescalero" in der Zeitung des AStA [Allgemeiner Studentenausschuß] der Universität Göttingen veröffentlichten Text "Buback Ein Nachruf" fiel der Satz: "Meine unmittelbare Reaktion, meine 'Betroffenheit' nach dem Abschuß von Buback ist schnell geschildert: Ich konnte und wollte (und will) eine klammheimliche Freude nicht verhehlen". Der Autor versucht das dann zu begründen, wendet sich schließlich aber zumindest teilweise doch gegen politische Gewalt. Der ganze Rest des Textes interessierte schon damals weniger, das, was große Aufregung und Empörung hervorrief, war die "klammheimliche Freude" an dem Buback-Mord.

Lesen wir bei Wikipedia nach:

Vier Tage nach der Veröffentlichung stellte der RCDS [Ring Christlich-Demokratischer Studenten] Strafantrag. Die Göttinger Justizbehörden leiteten ein Ermittlungsverfahren ein. Auch der Präsident des Niedersächsischen Landtages, Heinz Müller (CDU), erstattete Strafanzeige. Es gab Durchsuchungsaktionen von schwerbewaffneten Polizeieinheiten beim AStA der Universität in Göttingen und bei Mitgliedern verschiedener linker Gruppen in Göttingen. Der Artikel wurde von den Sicherheitsbehörden als Unterstützung des Terrorismus und der Mörder an Buback gewertet. Es kam zu Ermittlungen gegen eine Anzahl der vermuteten Herausgeber und Autoren wegen angeblicher Unterstützung des Terrorismus und des Mordes an Buback.

In den Medien gab es heftige Kritik an dem Mescalero-Artikel. Die Affäre des "Göttinger Mescalero", wie der dann hieß, führte zu einer heftigen, kontrovers geführten öffentlichen Debatte über "Sympathisanten" und das Verhältnis der extremen Linken zum Terrorismus. Näheres darüber und über weitere Strafverfahren in dieser Sache kann man ebenfalls bei Wikipedia nachlesen.

Nun, der "Göttinger Mescalero" versteckte sich hinter diesem Pseudonym und gab sich erst 2001 zu erkennen. Der "Essener Mescalero" von 2021, Thomas Umbehaue, entblödete sich nicht, ganz offen mit seinem Namen als Autor zu erscheinen und sein Bedauern darüber zu bekunden, dass man "Ungeimpfte" nicht "keulen" kann.

Finde den Unterschied! Es gibt keinen. Oder doch: Was 1977 erbitterte Empörung, Verdacht auf Sympathie mit Terrorismus, Strafverfolgung und Polizeirazzien auslöste, ist heute, wo es nicht gegen einen Vertreter des Staates, sondern gegen herabgewürdigte Bürger geht, so "normal" und so sehr "Mainstream", dass man es offen mit Klarnamen kundtun kann und es passiert: Nichts.

Umbehaue-Artikel, vom Netz genommen: https://www.lokalkompass.de/essen-sued/c-ratgeber/geimpft-genesen-oder-gestorben-das-sind-die-aussichten-fuer-den-winter_a1659973

Wikipedia zum "Göttinger Mescalero": https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6ttinger_Mescalero

Nachtrag: Dieser Artikel fiel nicht nur mir auf. Zwei weitere Kommentare dazu finden sie hier:

https://www.unmaskiert.is/2021/11/30/propaganda-opfer-ungeimpfte-keulen/

und hier, dabei auch der ganze kritische Absatz im Screenshot:

https://tapferimnirgendwo.com/2021/11/30/wenn-ein-vorsorgliches-toeten-leider-nicht-moeglich-ist/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dietrich Klose

Vielfältig interessiert am aktuellen Geschehen, zur Zeit besonders: Ukraine, Russland, Jemen, Rolle der USA, Neoliberalismus, Ausbeutung der 3. Welt

Dietrich Klose

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