Khashoggi-Mord: Audioaufnahme veröffentlicht

"Du erstickst mich!" Die türkische Zeitung "Sabah" hat am 9. September ein Transkript der Audioaufnahmen vom Mord an Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul veröffentlicht

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Die türkische Zeitung "Sabah" hat am 9. Sept. am frühen Nachmittag ein gekürztes Transkript der Audioaufnahmen vom Mord an Jamal Khashoggi am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul veröffentlicht.

Immer wieder war von dieser Aufnahme die Rede - zeitweise auch von angeblichen Filmaufnahmen, die es aber nicht gab - und es wurden nur tröpfenweise Einzelheiten daraus gestreut. Offenbar hatte der türkische Geheimdienst das Konsulat abgehört. Unklar ist, wie "Sabah" - die Zeitung steht der Regierung von Präsident Erdogan nahe - an die Aufnahmen gekommen ist.

Hier der Link:

https://www.dailysabah.com/investigations/2019/09/09/saudi-hit-squads-gruesome-conversations-during-khashoggis-murder-revealed

Zitieren wir "Sabah" (hier in deutscher Übersetzung):

Eine Aufzeichnung der Gespräche zwischen Maher Abdulaziz Mutreb, der Nr. 2 des Todeskommandos, und Dr. Salah Muhammed Al-Tubaigy, dem Chef der Gerichtsmedizin der Saudischen Allgemeinen Sicherheitsabteilung, ist mit dem Zeitstempel um 13:02 Uhr versehen, nur 12 Minuten bevor Khashoggi im Konsulatsgebäude ankommt, um die Heiratsformalitäten zu erledigen.

Das Gespräch zwischen den beiden, die zu den fünf Verdächtigen gehören, die in Saudi-Arabien wegen des Mordes mit der Todesstrafe bedroht sind, ist wie folgt:

Mutreb: Kann man die Leiche in einen Sack stecken?

Al-Tubaigy: Nein. Zu schwer, auch sehr groß. Eigentlich habe ich immer an Leichen gearbeitet. Ich bin sehr gut darin, sie zu zerlegen. Ich habe zwar noch nie an einem warmen Körper gearbeitet, aber das schaffe ich auch problemlos. Normalerweise setze ich meine Kopfhörer auf und höre Musik, wenn ich Leichen schneide. In der Zwischenzeit trinke ich einen Schluck Kaffee und rauche. Nachdem ich die Leiche zerlegt habe, wickelst du die Teile in Plastiktüten, steckst sie in Koffer und schaffst sie raus [aus dem Gebäude].

Man hört Al-Tubaigy auch sagen: "Mein Vorgesetzter bei der Gerichtsmedizin weiß nicht, was ich tue. Es gibt niemanden, der mich beschützt.", in der Hoffnung, Protektion in der bis nach ganz oben zu Kronprinz Mohammed bin Salman reichenden Hierarchie zu erhalten für die Verantwortung, Khashoggis Körper zu zerstückeln.

Am Ende des Gesprächs fragt Mutreb, ob das "Tier, das geopfert werden soll", eingetroffen ist. Um 13:14 Uhr meldet ein unbekanntes Mitglied des Todeskommandos: "[Er] ist hier."

Khashoggi betritt das saudische Konsulat.

Laut den veröffentlichten Aufnahmen wird Khashoggi von einem vertrauten Gesicht oder von jemandem, den er kennt, begrüßt, gemessen an seiner Reaktion. Ihm wird gesagt, dass Generalkonsul Mohammad al-Otaibi ebenfalls im Gebäude anwesend ist. Zunächst wird er höflich in das Büro des Konsuls im zweiten Stock gebeten. Als er misstrauisch wird, wird er am Arm gezogen. Dann sagt er: "Lass mich gehen, was denkst du, machst du?"

Sobald Khashoggi den Raum betritt, sagt Mutreb: "Bitte setzen Sie sich. Wir müssen Sie zurückbringen [nach Riad]. Es liegt eine Anweisung von Interpol vor. Interpol hat gefordert, dass Sie zurückgebracht werden. Wir sind hier, um Sie mitzunehmen." Darauf antwortet Khashoggi: "Es gibt keine Anklagen gegen mich. Meine Verlobte wartet draußen auf mich."

Während dieser Gespräche fordert ein anderes, nicht identifiziertes Mitglied des Todeskommandos, das wahrscheinlich den "bösen Polizisten" während des Verhörs darstellen sollte, Khashoggi wiederholt auf, "sich kurz zu fassen".

Um 13:22 Uhr fragt Mutreb Khashoggi, ob er Mobiltelefone bei sich habe. Khashoggi antwortet mit "Ich habe zwei Handys." Mutreb fragt "welche Marke" und Khashoggi sagt "iPhone".

Nach diesen Gesprächen in den letzten 10 Minuten vor Khashoggis Tod verläuft der Dialog so:

Mutreb: Hinterlassen Sie Ihrem Sohn eine Nachricht.

Khashoggi: Was soll ich meinem Sohn sagen?

Mutreb: Sie werden eine Nachricht schreiben, lassen Sie uns uns proben. Zeigen Sie es uns.

Khashoggi: Was soll ich sagen, "Bis bald"?

Unbekanntes Mitglied des Todeskommandos: Fassen Sie sich kurz.

Mutreb: Sie werden so etwas schreiben wie "Ich bin in Istanbul. Mach dir keine Sorgen, wenn du mich nicht erreichen kannst.“

Khashoggi: Ich sollte nicht sagen, "entführt".

Unbekanntes Mitglied des Todeskommandos: Ziehen Sie Ihre Jacke aus.

Khashoggi: Wie kann so etwas in einem Konsulat stattfinden? Ich schreibe nichts.

Unbekanntes Mitglied des Todeskommandos: Fassen Sie sich kurz.

Khashoggi: Ich schreibe nichts.

Mutreb: Schreiben Sie es, Mr. Jamal. Beeilen Sie sich. Helfen Sie uns, damit wir Ihnen helfen können, denn am Ende werden wir Sie zurück nach Saudi-Arabien bringen. Wenn Sie uns nicht helfen, wissen Sie, was am Ende passieren wird.

Khashoggi: Da ist es ein Handtuch. Willst du mich unter Drogen setzen lassen?

Al-Tubaigy: Wir werden dich einschläfern.

Nachdem er unter Drogen gesetzt wurde, sagt Khashoggi "Halte mir nicht den Mund zu", bevor er das Bewusstsein verliert.

"Ich habe Asthma. Tu es nicht, du wirst mich ersticken." Dies waren Khashoggis letzte Worte.

Seine Mörder hatten ihm bereits eine Plastiktüte über den Kopf gezogen, und er würde schließlich ersticken. Gerangel und Kämpfen dominieren dann die Aufnahmen, mit gelegentlichen Fragen und Anweisungen vom Todeskommando, die zwischendurch zu hören sind.

"Schläft er?" "Er hebt den Kopf," "drück weiter," "drück gut."

Bevor Khashoggi seinen letzten Atemzug macht, sind noch eine Weile Geräusche von Kämpfen und Ersticken zu hören. Dann beginnt die Phase nach dem Tod, als Khashoggis Körper zerlegt wird.

Genau um 13:39 Uhr ist das Geräusch einer Knochensäge zu hören. Dieser grausame Vorgang dauert eine halbe Stunde.

Soweit "Sabah".

Auch Gespräche aus den Tagen vor dem Mord wurden aufgezeichnet, Auszüge finden sich in dem "Sabah"-Artikel. Demnach kam der Befehl zum Mord an Khashoggi von ganz weit oben in der saudischen Hierarchie, vom Chef der (hier im englischen Wortlaut) "State Security".

"Sabah" zieht daraus den Schluss: "Diese Aussagen sind ein Beweis dafür, dass der Mord an Khashoggi nicht ohne die Zustimmung des saudischen Kronprinzen geschehen ist."

Vor dem Mord wurde für das Todeskommando noch ein fünftägiger Trainingskurs abgehalten.

Nahöstliche und englischsprachige internationale Medien griffen das Thema auf, ein paar Links:

https://www.aljazeera.com/news/2019/09/audio-jamal-khashoggi-gruesome-murder-revealed-190909163642769.html

https://www.trtworld.com/turkey/audio-transcripts-of-khashoggi-s-murder-released-29661

https://www.aol.com/article/news/2019/09/10/in-last-words-khashoggi-asked-killers-not-to-suffocate-him/23810924/

https://abcnews.go.com/Politics/newly-released-transcripts-moments-saudi-columnist-killed-embassy/story

https://www.bbc.com/news/world-europe-49657908

Filme: https://www.youtube.com/watch?v=1hmkeikSWek

https://www.youtube.com/watch?v=zYUJMBXzEJo

Und deutschsprachige Medien? Ich habe "Khashoggi" gegoogelt, am 11. September um 9.30 Uhr, mit zeitlicher Eingrenzung auf den 9. bis 11. September, und dann ein zweites Mal noch mit weiterer Eingrenzung auf "Deutsch". Und dann noch einmal um 10.30 eingegrenzt auf "letzte Stunde".

Die einzigen zwei Resultate kamen aus Österreich:

https://www.oe24.at/welt/Khashoggi-Das-Protokoll-eines-Mordes/396905704

https://www.krone.at/1994030.

Sonst Nichts, nade, niente.

Das ist wieder ein krasses Beispiel vom Versagen unserer Medien, die uns wichtige Nachrichten vorenthalten, wenn sie nicht in den Kram passen. Und oft übernehmen die Medien einfach fast wie mit Copy and Paste Regierungsverlautbarungen, führen sich vor allem in außenpolitischen Fragen wie Regierungsamtsblätter auf.

Im Moment möchte ja die Bundesregierung die Polizeizusammenarbeit mit Saudi Arabien wieder aufnehmen, und demnächst soll auch überprüft werden, ob die Rüstungslieferungen an die Saudis wieder aufgenommen werden können. Da passen Details zur Khashoggi-Geschichte schlecht. Und die Medien spielen mit.

Nachtrag 15 Uhr: Mittlerweile sind noch dazugekommen:

Nur ein paar Zeilen lang:

https://www.nau.ch/news/ausland/protokoll-zeigt-khashoggis-letzte-worte-65582540

Telepolis versucht eine politische Einordnung:

https://www.heise.de/tp/features/Tuerkische-Attacke-auf-den-saudischen-Kronprinzen-4519956.html

Und das war's um 15 Uhr.

Krachendes Versagen der Konzernmedien.

Am Abend kam noch ein Artikel bei "Bild":

https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/tuerkei-mord-an-khashoggi-jetzt-gibt-es-neue-details-zum-tod-des-saudi-kritikers-64568566.bild.html

und OE24 stellte noch einen kurzen Film ein.

Das wars. Am nächsten Tag am Morgen, nichts weiteres mehr.

Dann um 14.15 Uhr, nichts neues mehr.

Das war's dann wohl. Der "Mainstream" (außer <ausgerechnet, mit zweitägiger Verspätung, "Bild") nimmt keine Notiz.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dietrich Klose

Vielfältig interessiert am aktuellen Geschehen, zur Zeit besonders: Ukraine, Russland, Jemen, Rolle der USA, Neoliberalismus, Ausbeutung der 3. Welt

Dietrich Klose

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