Krieg gegen Menschen, Religion und Kultur

Syrien Wer in Syrien gegen wen kämpft, ist kaum durchschaubar. Klar ist, dass fremde Mächte, vor allem die USA und die Saudis, tief verstrickt sind

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Aus Syrien ist man Schreckensnachrichten beinahe schon gewohnt. Die erhebliche Schuld der USA an der syrischen Katastrophe ist ebenso offenkundig wie der katastrophale Einfluss der Saudis. Wie beim Angriff auf den Jemen, arbeiten Amerikaner und Saudis auch in Syrien eng zusammen.

Seit vielen Jahren haben die Amerikaner ein militärisches Eingreifen in Syrien geplant (Mahdi Darius Nazemroaya, The March to War: Syria Preparing for US-Israeli Attacks,

http://www.globalresearch.ca/the-march-to-war-syria-preparing-for-us-israeli-attacks/5748, geschrieben 2007). Selbst wenn man den Amerikanern das Beste unterstellen wollte – und das wäre mehr als naiv, denn um Demokratie und Menschenrechte ging es nie bei dem Eingreifen des Westens in Syrien – muss es als vollkommener Irrsinn erscheinen, in Syrien irgendeine Opposition unterstützen zu wollen. Und das bedeutet in diesem Fall ja immer : eine bewaffnete Opposition gegen die (den Amerikanern) verhasste Assad-Regierung.

Um einen solchen Versuch einer Unterstützung als Irrsinn zu erkennen, reicht ein Blick auf die Liste der kaum zählbaren in Syrien agierenden bewaffneten Organisationen, Gruppierungen und Koalitionen:

http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_armed_groups_in_the_Syrian_Civil_War#cite_note-CIASaid-73.

Das sind Dutzende verschiedener Organisationen, über die manchmal kaum jemand etwas genaueres weiß, die mehr oder weniger islamistisch sind, sich verbünden, zeitweise miteinander operieren, dann wieder sich gegeneinander stellen, die sich auflösen, sich neu formieren, sich neu gruppieren usw. In einen solchen Hexenkessel Waffen zu schicken und dann zu meinen, irgendjemand sei dauerhaft am der Leine zu führen und lasse sich für die eigenen Ziele einsetzen, zeugt von einer geradezu unglaublichen Dummheit, oder aber es müsste einem perfiden, im wahrsten Sinn des Wortes über Leichen gehenden und ganze Länder kalt irgendeinem eigenen Interesse opfernden Plan zugeschrieben werden. Zu begreifen ist das nicht.

Nun hat es der IS geschafft, Palmyra zu erobern, eine der großartigsten Ruinenstädte auf dem großen Gebiet des antiken Römischen Reiches überhaupt.

Für den „Westen“ ist es wahrscheinlich paradox, dass jeder halbwegs zivilisierte Mensch hier auf einen Erfolg der Truppen des (im „Westen“) so verhassten Assad-Regimes hoffen musste, die Palmyra noch eine Zeit lang verteidigen konnten. Nun, jetzt konnten sie es nicht mehr länger, den Amerikanern sei Dank. Nun erwartet also wohl Palmyra seine Zerstörung.

Eher im Schatten dieser Ereignisse führen auch in Syrien die von den Saudis teilweise finanzierten, inspirierten und mit dem wahhabbitischen Bazillus infizierten radikalen Milizen den erbarmungslosen Religionskrieg gegen andere nichtislamische wie islamische religiöse Bekenntnisse weiter, wie er – auch wieder in trauter Zweisamkeit mit den USA – auch im Jemen geführt wird (https://www.freitag.de/autoren/dklose/saudis-und-usa-starten-einen-religionskrieg). Dort hatte ich auf Seiten verlinkt, auf denen deutlich wird, in welch großem Umfang die Saudis und die von ihnen finanzierten und beeinflussten islamistischen Gruppierungen in der gesamten islamischen Welt Heiligtümer anderer islamischer Bekenntnisse zerstören.

Die bei den Luftangriffen auf Saada am 9. Mai absichtlich angegriffene al-Hadi Moschee sei „das derzeit letzte Opfer dieser saudischen Art von wahhabbitischem Terror gegen andersgläubige Moslems“, schrieb ich vor einer Woche. Das ist jetzt schon wieder überholt. Bei der syrischen Ortschaft Ishtabraq, die überwiegend von Angehörigen der Glaubensrichtung der Alewiten bewohnt wird, haben islamistische Kämpfer einer Gruppierung, die sich „Armee der Eroberung“ – Jaish al-Fatah nennt ( http://en.wikipedia.org/wiki/Army_of_Conquest) nennt, den Schrein des alewitischen Scheichs Sayyedna al Kudr gesprengt (https://twitter.com/Terror_Monitor/status/601328882256490496). Diese Gruppe oder auch nur Koalition hat sich überhaupt erst im März 2015 gebildet – eine weitere Neuschöpfung in dem dauernden Hin und her dieser kämpfenden Gruppen. Es ist klar, dass die von den USA und ihren Verbündeten (Saudis, Golfstaaten) nach Syrien gelieferten Waffen bei diesem Grüppchen-Wechsel-Dich-Spiel immer schön mitwandern von einer vielleicht mal weniger radikalen Gruppierung zu einer radikaleren: Knarre, Knarre, du musst wandern. Den Amerikanern sei Dank!

Jaish al-Fatah wird in der Liste http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_armed_groups_in_the_Syrian_Civil_War#cite_note-CIASaid-73 unter den Gruppierungen aufgeführt, die mit den von den USA und den Saudis unterstützten und finanzierten Gruppierungen zumindest Allianzen bilden. Die Verbindung der Jaish al-Fatah zu den auch von den Amerikanern als terroristisch eingestuften Organisationen wie Al Nusrah und Al Qaida möge man hier nachlesen: http://www.longwarjournal.org/archives/2015/03/al-qaeda-and-allies-form-coalition-to-battle-syrian-regime-in-idlib.php. Und man erfährt auch, dass Al Nusrah amerikanische TOW-Geschosse verwendet. Die (immer nur brüchigen und zeitweisen) Koalitionen in Syrien richten sich eben nicht danach, welche Organisationen nun die Amerikaner gerade als „Terroristen“ definiert haben oder nicht.

Und wer steht hinter der Jaish al-Fatah? Sara Hussein schreibt am 28. April in einem Artikel mit dem Titel: „'Army of Conquest' rebel alliance pressures Syria regime“: "'Gruppen in der Armee der Eroberung' werden von einer Reihe auswärtiger Mächte unterstützt, einschließlich Katar, Saudi-Arabien und die Türkei, die um Einfluss auf die syrische Opposition konkurriert haben. Die Reihe der internationalen Unterstützer hat Spekulationen über eine bevorstehende Entspannung zwischen Katar, Saudi-Arabien und der Türkei hervorgerufen." (http://news.yahoo.com/army-conquest-rebel-alliance-pressures-syria-regime-090529121.html)

Die Zerstörung ihres Schreins war für die Einwohner von Ishtabraq freilich noch ein kleiner Vorfall im Vergleich mit dem Albtraum, den der Ort bei einem von Ansar al Dine und anderen diesen nahestehenden Terrorgruppen veranstalteten Massaker mit 54 Toten und 85 Vermissten durchmachen musste: (https://urs1798.wordpress.com/2015/04/29/massaker-an-den-einwohnern-eines-alawitischen-dorfes-durch-ansar-al-dine-und-ihnen-nahestehende-terrorgruppen-ishtabraq-idlib/). Es geht auf dieser Seite noch weiter um Vernichtungsfeldzüge der Radikalislamisten gegen Andersgläubige, hier die Alewiten. Deren Hoffnung: Die syrische Armee von Präsident Assad…

Wer mit wem und wer gegen wen, scheint auf diesem Kriegsschauplatz kaum durchschaubar. Die Amerikaner wie auch ihre saudischen Freunde stecken tief mit drin in dem syrischen See aus Blut, gegen den der saudisch-amerikanische Krieg im Jemen noch ein kleiner Teich ist. Sicher ist nur: Es werden noch mehr unschuldige Menschen sterben, mehr reiligöse Stätten und Altertümer vernichtet. Ja, und das empfehle ich noch: http://www.chbeck.de/fachbuch/zusatzinfos/Leseprobe_Wer-den-Wind-s%C3%A4t.pdf (Michael Lüders, Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet: Besprechung: http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/150410_Was_westliche_Politik_im_Orient_anrichtet.pdf).

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dietrich Klose

Vielfältig interessiert am aktuellen Geschehen, zur Zeit besonders: Ukraine, Russland, Jemen, Rolle der USA, Neoliberalismus, Ausbeutung der 3. Welt

Dietrich Klose

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