Trump erpresst die Welt – ohne viel Erfolg

UN-Votum zu Jerusalem: In der UN-Generalversammlung haben die meisten Staaten in der Jerusalem-Frage trotz Trumps Drohungen gegen die USA und Israel gestimmt. Ostjerusalem ist kein Teil Israels

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Das Abstimmungsergebnis auf einen Blick

Jetzt hat die UN-Vollversammlung über den Antrag der Türkei und des Jemen über Trumps Botschaftsverlegung nach Jerusalem abgestimmt. Das Ergebnis fiel wenig schmeichelhaft für die USA aus: 128 Staaten stimmten für die Resolution, mit den USA nur acht weitere dagegen, 35 enthielten sich, 21 blieben der Abstimmung fern.

Es war klar, dass Israel mit den USA gegen die Resolution stimmen würde. Mit den USA und Israel stimmten sonst nur einige pazifische Kleinstaaten, die ihre Außenpolitik ohnehin von den USA führen lassen, Guatemala und Honduras in Lateinamerika (1) sowie Togo in Afrika.

Vor der Abstimmung hatte Trump noch versucht, die Staatengemeinschaft zu erpressen und damit zu einer Ablehnung des Antrags zu zwingen. Er drohte, den Staaten, die für den Antrag stimmen, die Unterstützung (gemeint war vor allem die finanzielle) der USA zu entziehen. „Lasst sie gegen uns stimmen. Damit sparen wir eine Menge“, erklärte Trump. (https://www.timesofisrael.com/trump-threatens-to-slash-aid-to-countries-backing-un-jerusalem-vote/ und https://twitter.com/nikkihaley/status/943596585270824960 ).

Trumps UN-Botschafterin Nikky Haley, die sich aufgrund ihrer eigenen Interessen klar als Vertreterin israelischer Interessen positioniert hat (https://www.rt.com/usa/413778-nikki-haley-gaffes-un/ und https://www.thenation.com/article/the-trump-administration-is-putting-the-us-on-a-path-to-war-with-iran/ und https://ahtribune.com/us/israelgate/2069-nikki-haley.html), legte noch nach: “In der UN wird immer von uns verlangt, mehr zu tun und mehr zu geben. So, wenn wir eine Entscheidung treffen, nach dem Willen des amerikanischen Volkes, darüber, wo wir UNSERE Botschaft hinsetzen, dann erwarten wir, dass diejenigen, die wir unterstützt haben, nicht gegen uns zielen. Am Donnerstag wird es eine Abstimmung geben, die unsere Entscheidung kritisiert. Wir werden die Namen [der Länder, die gegen uns stimmen,] notieren.” Nikky Haley spielt die Lehrerin in der Schulklasse “Welt 1a”. Das Klassenbuch liegt bereit.

So sieht also die Trumpsche Außenpolitik aus; in einem anderen Zusammenhang (politische Lösung für den Jemenkrieg) hatte der stellvertretende Staatssekretär im US-Außenministerium Tim Lenderking von “aggressive diplomacy” gesprochen. Das trifft es ganz gut, vor etwas über hundert Jahren hätte man das unter “Kanonenbootpolitik” (https://de.wikipedia.org/wiki/Kanonenbootpolitik ) abgebucht.

Aber eigentlich müßten wir Trump für diese offene und direkte Erpressung sogar dankbar sein, zerrt er selbst doch damit nur ganz klar ans Licht der Öffentlichkeit, was die USA immer schon deutlich, aber diskreter, eher im Hintergrund und eben “diplomatischer” betrieben haben.

Das Zitat „Wir brauchen das stärkste Militär der Welt und müssen gelegentlich den Arm von Ländern umdrehen, die nicht das tun, was wir von ihnen wollen. Wenn es nicht die verschiedenen wirtschaftlichen oder diplomatischen oder, in einigen Fällen, militärischen Druckmittel gäbe, die wir haben, wenn wir diese Dosis Realismus nicht hätten, würden wir auch nichts erledigt bekommen … die amerikanische Führung kommt teilweise aus unserer Anpackmentalität,“ stammt von – raten Sie mal! – Barack Obama (http://www.nachdenkseiten.de/?p=41252 zitiert ein Interview vom 11. Februar 2016).

Einige Beobachtungen zum Ergebnis:

(A) Alle islamischen Länder haben gegen die USA gestimmt.

(B) Die meisten direkten und näheren Nachbarn der USA haben sich enthalten, sie wollten offensichtlich wegen Jerusalem keinen Ärger mit ihrem bulligen großen Nachbarn riskieren (Kanada, Mexiko, sechs karibische Kleinstaaten, Panama, sowie auch vier pazifische Kleinstaaten). Den USA nahestehende konservative Regierungen in Lateinamerika haben sich nur zum geringen Teil enthalten (Kolumbien, Argentinien), aber selbst Brasilien und Peru stimmten für die Resolution.

(C) In Europa ließen sich offensichtlich einige osteuropäische Staaten, die sich in ihrer Konfrontation mit Russland in besonders enger Beziehung zu den USA sehen, von Trumps Drohungen beeindrucken und enthielten sich der Stimme (Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien, Lettland, auch Kroatien und Bosnien-Herzegowina). Die Ukraine und Georgien zogen sich aus der Affäre, indem sie der Abstimmung fernblieben.

(D) Selbst die große Mehrheit der NATO-Bündnis-Partner der USA in Westeuropa hat diesmal gegen die USA gestimmt (Deutschland; Frankreich; Großbritannien; Italien; Spanien, um nur die wichtigsten zu nennen).

Um das Ganze noch in einen größeren Rahmen zu stellen:

Die Annexion von Ostjerusalem und immer mehr Teilen des Westjordanlandes durch Israel ist völkerrechtswidrig. Diejenigen Staaten, die für den türkisch-jemenitischen Antrag gestimmt haben, haben damit ihre Ablehnung einer völkerrechtswidrigen Annexion bekräftigt. Damit wäre es dann natürlich auch konsequent, wenn bzw. dass sie das in anderen Fällen auch tun. Das gilt vor allem im Fall der „Annexion“ der Krim durch Russland.

Die Staaten, die sich enthalten haben, haben damit bekundet, dass sie völkerrechtswidrigen Annexionen neutral gegenüberstehen. Das müsste sie verpflichten, auch in anderen Fällen (wie dem der Krim) neutral zu bleiben und hier einfach die Klappe zu halten.

Die Staaten, die gegen den Antrag gestimmt haben, haben damit bekundet, dass für sie völkerrechtswidrige Annexionen kein Problem darstellen, ja, mehr noch, dass sie einen solchen Völkerrechtsbruch im Einzelfall sogar gutheißen! Sie müssten also im Fall der Krim, wenn auch nicht unbedingt den russischen Standpunkt vertreten, aber sie haben damit zumindest keinerlei Recht mehr, sich gegen Russland hier wie auch immer zu positionieren. Das wäre vor allem im Fall der USA nur konsequent. Was die USA freilich ständig abliefern, ist ein politischer Zickzackkurs je nach eigener Interessenlage.

Nun könnte man auch Russland im Fall der aktuellen Abstimmung Inkonsequenz vorwerfen, hat es doch trotz Krim-„Annexion“ gegen Israel und die USA gestimmt.

Freilich: Die Völkerrechtswidrigkeit der russischen Annexion (der Angliederung, je nach Standpunkt) der Krim ist keineswegs so eindeutig ein Völkerrechtsbruch, wie es uns unsere Politik und unsere Medien seit Jahren vormachen wollen. Ja, im Fall der Krim ist die Völkerrechtswidrigkeit ein ganzes Stück weniger eindeutig als im Fall der Annexion von Ostjerusalem und des Westjordanlandes durch Israel.

Hier argumentieren Völkerrechtler auch zugunsten Russlands, etwa Reinhard Merkel (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-krim-und-das-voelkerrecht-kuehle-ironie-der-geschichte-12884464.html; zu Merkel: https://de.wikipedia.org/wiki/Reinhard_Merkel ). Bei Merkel kann man die Argumente nachlesen, hier sei noch zusätzlich erwähnt, dass die Krim ja überhaupt erst 1956 von Russland abgetrennt und der Ukraine zu geschlagen wurde: auf Betreiben des damaligen sowjetischen Parteichefs Chruschtschow, ein undemokratischer Akt der Sowjetführung, bei dem die Bevölkerung nicht gefragt wurde.

Was die Krim-Annexion gegenüber der israelischen Annexion in Ostjerusalem und dem Westjordanland ebenfalls in einem freundlicheren Licht erscheinen lässt, ist das Verhalten der neuen Herren gegenüber der dort lebenden Bevölkerung. Wie die Israelis sich in den annektierten Gebieten gegenüber der dort bislang lebenden palästinensischen Bevölkerung Raum verschaffen, ist hinreichend bekannt und braucht hier nicht näher ausgeführt zu werden. Das Gebiet wird nicht nur staatsrechtlich annektiert, indem es dem eigenen Staat zugeschlagen wird, sondern die dort lebende Bevölkerung wird brachial enteignet und vertrieben, um stattdessen Platz für Siedlungen für das Staatsvolk des annektierenden Staates freizumachen.

Insoweit könnte Russland doch mit einiger Berechtigung gegen den Vorwurf argumentieren, sich mit seinem aktuellen Abstimmungsverhalten inkonsequent verhalten zu haben - anders als die USA, wenn man ihr nicht in Übereinstimmung zu bringendes Verhalten gegenüber der russischen und der israelischen Annexion betrachtet.

Inkonsequent erscheinen da eher noch westliche Länder wie die USA und die EU einschließlich Deutschlands, die die "Annexion" der Krim durch Russland als völkerrechtswidrig brandmarken und mit Sanktionen belegen, im Fall der Annexionen Israels im Westjordanland und in Ost-Jerusalem an Sanktionen gegen Israel nicht einmal denken.

Und zum Abschluss noch eine Bemerkung zur „Weltgemeinschaft“ oder „internationalen Gemeinschaft“ – Begriffe, die in unseren Medien immer gerne dann bemüht werden, wenn ein Staat sich angeblich gegen diese „Weltgemeinschaft“ stellt oder angeblich aus ihr ausgeschlossen wurde oder von ihm Vorleistungen und Wohlverhalten erwarten werden, um sich dieser „Weltgemeinschaft“ wieder nähern zu dürfen. Ist Ihnen einmal aufgefallen, dass diese Begriffe bzw. die dahinterstehende Idee eigentlich immer nur dann gebraucht werden, wenn es um angebliche „Schurkenstaaten“ geht, sehr beliebt ist hier der Iran?

Tatsächlich ist diese „Weltgemeinschaft“, so wie wir mit diesem Begriff konfrontiert werden, wenig mehr als die USA und ihre Verbündeten vor allem in der Ersten Welt. Die Welt besteht aber aus wesentlich mehr Ländern und Kontinenten und versammelt sich eher selten als eine Gemeinschaft hinter dem Standpunkt der USA, wie es unsere Medien suggerieren, wenn sie diesen Begriff gebrauchen.

Tatsächlich zeigt ein Ereignis wie diese Abstimmung gerade besonders deutlich, welche Staaten sich immer wieder außerhalb der „Weltgemeinschaft“ stellen – wenn wir tatsächlich auf die Welt schauen und nicht auf die in der transatlantischen Propaganda zugrunde gelegte Verfälschung des Begriffs.

(1) Hier spielten noch ganz andere Interessen eine Rolle: https://amerika21.de/2017/12/192175/honduras-guatemala-israel-trump-jerusale

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dietrich Klose

Vielfältig interessiert am aktuellen Geschehen, zur Zeit besonders: Ukraine, Russland, Jemen, Rolle der USA, Neoliberalismus, Ausbeutung der 3. Welt

Dietrich Klose

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