Trump und Clinton: der amerikanische Alptraum

US-Präsidentenwahl: Beide Kandidaten zusammen verkörpern die heutige USA: Am Endpunkt der neoliberalen Ära mit Ökonomisierung, Aggressivität und Verblödung steht der Verfall der Gesellschaft

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Nun hat also Donald Trump das Rennen gemacht. Allerdings, auch mit einem Wahlsieg von Hillary Clinton würden jetzt äußerst unangenehme Zeiten für die USA und für weite Teile der übrigen Welt anbrechen – bzw., um bei den Tatsachen zu bleiben, es würde noch unangenehmer als bisher schon weitergehen.

Jede(r) Kandidat(in) steht für einen Teil des derzeitigen desolaten Zustands der USA; beide zusammengenommen bilden ihn fast komplett und perfekt ab.

Hillary Clinton verkörpert die nach mehreren Jahrzehnten ungebremster neoliberaler Entwicklung mit der fortschreitenden Ökonomisierung des ganzen Lebens immer mächtiger gewordenen Eliten, ihre vollkommene Rücksichtslosigkeit und ihre moralische Skrupellosigkeit, ihre Gier nach Geld und Macht, ihre Aggressivität gegenüber dem Rest der Welt, wenn es um die eigenen Interessen geht (die immer die Interessen dieser Elite sind).

Donald Trump verkörpert den Zustand derer, deren Unzufriedenheit immer weiter wächst, der von dieser Entwicklung Abgehängten und Bedrohten oder sich auch nur bedroht Fühlenden aus den unteren und mittleren Schichten. Es ist freilich bizarr, dass sich diese Unzufriedenheit mit dem Elitenprojekt ausgerechnet in der Zustimmung zu einem Mann wie Donald Trump manifestiert, zu einem Mann, der als Multimilliardär selbst Teil dieser Elite ist und wohl nur durch eine radikale Rhetorik, durch das Wecken von Ressentiments den Appell an niedere egoistische Instinkte in diese Rolle eines Volkstribuns schlüpfen konnte.

Dass die Menschen ausgerechnet einem wie Trump folgen, ist allerdings überhaupt nur möglich, weil dem Großteil der Menschen des frühen 21. Jahrhunderts in den USA (wie auch in Europa) ein politisches Bewusstsein und die Fähigkeit, in politischen Zusammenhängen zu denken, weitgehend fehlen. Genau das ist der von Trump verkörperte Aspekt der heutigen USA (und das würde ebenso für Europa gelten):

Die (ich gebrauche dieses krasse Wort hier, auch wenn es vielleicht auf Widerspruch stößt) angewachsene systematische Verblödung des größten Teils der Bevölkerung durch die Produkte einer ausufernden omnipräsenten Unterhaltungsindustrie, die durch Computer und Internet noch einmal gewaltig zugelegt hat; durch Konsum oder wenigstens ständig vorgeführte Konsummöglichkeiten¸ wir sind täglich (!) etwa 6.000 Werbebotschaften ausgesetzt, Konsumentscheidungen binden einen großen Teil der geistigen Energie: welches Handy, welche Skiausrüstung, welchen Fernseher, welchen Stromtarif soll ich unter 500 angebotenen wählen?; und durch Nachrichtenmedien, die im Sinn einer neoliberalen Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik und einer aggressiven Politik nach außen jahrzehntelang indoktriniert haben und statt Zusammenhängen Propaganda, ausgewählte Nachrichten-Einzelhäppchen ohne Zusammenhang und Belangloses wie Celebrities und Football berichtet haben.

Das Ergebnis dieser Entwicklung heißt nun Trump und Clinton. Man muss hoffen, dass damit diese Entwicklung an einem Tief-, End- und Wendepunkt angekommen ist. Nur noch durch eine grundlegende gesellschaftliche, soziale und politische Erneuerung könnten die USA (und ebenso auch Europa) aus dieser Sackgasse, in die sie durch das neoliberale Elitenprojekt hereinmanövriert worden sind, wieder herausfinden.

Durch eine weitgehende Um- und Neuorientierung, die bei dem bereits so weit fortgeschrittenen neoliberalen, alles ökonomisierenden Verfall der Gesellschaft allerdings so umfassend und tiefgreifend sein müsste, dass sie einen Großteil der Selbstverständlichkeiten der letzten (neoliberalen) Jahrzehnte, ja wahrscheinlich weit darüber hinaus, grundsätzlich in Frage stellen müsste.

So etwas kann (und zweifelsohne auch wollte) weder ein Donald Trump noch eine Hillary Clinton anstoßen. Beide verkörpern ja eben genau den Zustand, den die USA und ebenso die mit ihr verbündete westliche Welt jetzt überwinden muss. Und es ist klar, dass diese notwendige Umgestaltung kein Elitenprojekt sein wird – und vor allem zu Lasten dieser Elite, zu Lasten ihres die Gesellschaft dominierenden Einflusses, ihrer politischen (neoliberalen) Ideologie, und ihrer Möglichkeiten, sich hemmungslos weiter zu bereichern, gehen muss. Und daran wird nach wie vor – trotz Trump im Weißen Haus – bei den von dem jetzigen Zustand besonders profitierenden Eliten keinerlei Interesse bestehen.

So muss man leider befürchten, dass der Tiefpunkt des neoliberalen Desasters noch lange nicht erreicht ist. Denn es sind ja auch hinter einer Clinton, aber auch hinter einem Trump die mächtigen Vertreter der Eliten, die die entscheidenden Fäden in der Hand halten – und behalten. So muss man befürchten, dass es ungehemmt so weiter geht wie bisher – und dass man dann in vier oder acht Jahren angesichts eines dann an die Regierung gekommenen Nachfolgers noch sehnsüchtig zurückblicken mag auf einen im Vergleich intellektuellen, maßvollen und besonnenen Präsidenten namens Donald Trump.

Nun also Donald Trump. Ich muss gestehen, ich gönne diesen Präsidenten geradezu all denen, die in diesem Wahlkampf so hemmungslos für Hillary Clinton Partei ergriffen haben, in der Politik wie in den Medien. Und das ja nicht nur in den USA, sondern ebenso in Europa und bei uns. Mit welchem – durch nichts zu begründendem – moralisierenden Hochmut haben fast alle deutschen Politiker für Clinton und gegen Trump Partei ergriffen.

Wie hemmungslos haben die Journalisten-Darsteller (der Begriff „Journalisten“ passt hier eher weniger) auch der deutschen Mainstreammedien statt Berichterstattung und Journalismus Propaganda für Clinton gemacht und damit einmal mehr den Vorwurf einer „Kampfpresse“ bestätigt.

Erinnern wir uns auch: Wie hemmungslos haben sie das bereits getan, als es noch bei den Demokraten in den Vorwahlen um die Entscheidung Hillary Clinton gegen Bernie Sanders ging. Nicht anders war es auch damals schon: pro-Clinton, gegen Sanders. Was wurde nicht alles an Negativem über Sanders ausgegossen, wie wurde er nicht geradezu zur lächerlichen Figur heruntergeschrieben.

Was nun? Sanders verkörperte – wenn auch sicher unvollkommen – eine gewisse gesellschaftliche Veränderung und Erneuerung im oben geforderten Sinn, etwas, das dem neoliberalen Elitenprojekt zumindest teilweise zuwider gelaufen wäre; Sanders hätte zumindest einen Teil der Veränderung, die die Welt und die USA so dringend brauchen, verkörpern können.

Es wirft ein beschämendes Licht auf eben unsere Eliten in Politik und Medien, bei der Demontage von Sanders so sehr mitgemacht zu haben. Clinton wurde, ganz egal was an neuen Verfehlungen und Vorwürfen bekannt wurde, immer mit Samthandschuhen angerfasst. Sie war trotz allem immer die „richtige“ Kandidatin, sie wurde mit allen denkbaren Mitteln hoch-, und erst Sanders, dann Trump, heruntergeschrieben.

Ein Kandidat der Demokraten Bernie Sanders hätte mit einem wirklichen (und nicht nur so etikettierten) sozialdemokratischen Programm sicher zumindest einen Teil der Abgehängten, Enttäuschten und sich bedroht Fühlenden auffangen können, die nun zu Donald Trump abgewandert sind. (Man hätte dann natürlich auch von Sanders erwarten müssen, dass er dieses Programm tatsächlich auch umsetzt). Aber einen Kandidaten oder gar Präsidenten Sanders und die dann möglichen Veränderungen wollte die Elite samt ihren Fanfaren in den Medien eben von Anfang an nicht.

Nun haben sie Trump bekommen.

All diejenigen bei uns, für die die USA der Nabel der Welt ist und in deren geistigen Koordinatensystem sie den Bezugspunkt für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft darstellt (auch als „Transatlantiker“ bekannt), die so gut wie alle Clinton herbeigeredet und herbeigeschrieben und erst Sanders und dann Trump verteufelt haben, müssen nun sehen, wie sie damit klarkommen. Viel Spaß damit.

Alle anderen sollten sich noch einmal bewusst werden, dass die USA eben doch nicht der Nabel der Welt sind, sondern ein Land unter mehreren. Das gilt auch für die Bedeutung der Präsidentenwahl und den Hype, der bei uns von den USA-bezogenen Medien um dieses Thema gemacht wurde.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dietrich Klose

Vielfältig interessiert am aktuellen Geschehen, zur Zeit besonders: Ukraine, Russland, Jemen, Rolle der USA, Neoliberalismus, Ausbeutung der 3. Welt

Dietrich Klose

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