Ein abweichender Kommentar im MDR und seine Folgen

Ukrainekrieg und Pluralismus: Rommy Arndt hat im MDR einen Kommentar zum Thema Ukrainekrieg gesprochen. Abweichend vom Mainstream lehnte sie Panzerlieferungen ab und drückte ihre Sorge vor einer Eskalation aus. Die Folge: Ein Shitstorm und eine Distanzierung des Senders

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Zu den Ereignissen um den Kommentar von Rommy Arndt zum Ukrainekrieg schrieb ich an den Mitteldeutschen Rundfunk:

Sehr geehrte Damen und Herren,

dieser Kommentar ist meiner Ansicht nach sehr gut und trifft die derzeitige Lage samt der Stellung Deutschlands in diesem Konflikt sehr genau.

Leider ist er jedoch die ganz große Ausnahme – in allen wichtigen Themen bekommt man vor allem vom Öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer nur dieselbe Einheitsmeinung serviert. Eine kontroverse Diskussion, wie es die Aufgabe des ÖRR wäre, findet zu allen wichtigen Themen (etwa: Migration; Corona; Klimawandel; Ukrainekrieg; USA und NATO u.a.m.) so gut wie nicht mehr statt bzw. nur einem einem ganz eng begrenzten zulässigen Rahmen, der jede deutlichere Kritik tabuisiert und ausgrenzt. Leider ist der gesamte ÖRR hierin Vorreiter – im negativen, anti-pluralistischen Sinn.

Umso erfreulicher und wichtiger ist gerade dann ein solcher Kommentar wie der von Frau Arndt, zumal es dabei um eine so zentrale Frage wie Krieg und Frieden geht.

Der daraufhin sich über Frau Arndt ergießende Shitstorm war dann fast absehbar, wenn diejenigen, die ihre Einheitsmeinung für die einzige und echte Wahrheit halten, dann auch einmal etwas Anderes zu hören bekommen. Was hierbei z. T. ablief, war in manchen Fällen die Selbstdemaskierung einer völlig undemokratischen Gesinnung, die abweichende Meinungen grundsätzlich unterdrücken will.

Unter diesen Umständen begrüße ich es, dass der MDR sich in einer Erklärung grundsätzlich hinter Frau Arndt gestellt hat.

Was ich daran jedoch kritisieren muss, ist, dass der MDR in diesem Zusammenhang erklärt, dass „unsere journalistischen Qualitätskriterien bzgl. der Äußerungen zu der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Frau Strack-Zimmermann, nicht ausreichend berücksichtigt“ seien. Frau Arndt hatte in dem Kommentar von der „FDP-Politikerin Strack Zimmermann, die in ihrer Freizeit viel Kontakt zur Rüstungsindustrie pflegt“ gesprochen. An dieser Aussage ist nichts Kritikwürdiges, sie ist in der Sache vollkommen korrekt.

Leider – auch hier wieder ein „Schwarzer Peter“ an den ÖRR – bekommt Frau Strack-Zimmermann in den Medien bei den Themen Russland, Ukraine, Bundeswehr ständig eine Bühne als „Expertin“ oder als Politikerin, OHNE dass dabei auch ihre enge Verbindung zur Rüstungsindustrie thematisiert würde. So KANN ein Zuhörer die Aussagen einer angeblichen „Expertin“ oder Nur-„Politikerin“ überhaupt nicht richtig einordnen.

Denn tatsächlich IST Frau Strack-Zimmermann eine LOBBYISTIN (1) für die Rüstungsindustrie. Denn sie ist Mitglied in den Präsidien des Förderkreises Deutsches Heer (2) und der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (3).

Aus der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom 8. Mai 2022: "Beides sind von der Rüstungsindustrie stark beeinflusste Organisationen, wo wir es kritisch sehen, wenn Abgeordnete des Bundestages dort leitende Funktionen übernehmen - auch wenn es ehrenamtlich geschieht", sagte Lobbycontrol-Sprecher Timo Lange der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Die Rüstungsindustrie würde so über "sehr enge und privilegierte Zugänge ins Parlament verfügen".

"Solche Gespräche sollten im parlamentarischen Raum stattfinden, nicht außerhalb", sagte Lange. Besonders kritisch bewertet der Verein im Fall Strack-Zimmermann, dass sie in beiden Vereinen Mitglied im Präsidium ist. "Damit steht und spricht sie auch für die Organisation. Mehr Abstand wäre für eine Ausschussvorsitzende wünschenswert." (4)

Außerdem ist Frau Strack-Zimmermann Vizepräsidentin der Deutschen Atlantischen Gesellschaft (5) und damit auch noch eine Lobbyistin für die NATO und die enge Bindung an die USA.

Es war schon öfters der Fall, dass Frau Strack-Zimmermann, wenn in einer Gesprächsrunde ein Mit-Diskutant auf Frau Strack-Zimmermanns enge Verbindungen zur Rüstungsindustrie hingewiesen hat (was in der Sache korrekt und zur Einordnung von Strack-Zimmermanns Aussagen für die Zuschauer zu wissen auch unverzichtbar war), darauf ausgesprochen verschnupft reagiert hat und verneint, eine Lobbyistin zu sein, ebenso bei schriftlichen Anfragen (6). Das steht in deutlichem Widerspruch zu ihren oben genannten Mitgliedschaften. Es ist klar, dass sie ihre derartigen Verbindungen nicht erwähnt haben will, weil dadurch ihre gesamten Aussagen in einem ganz anderen Licht erscheinen und viel an Glaubwürdigkeit verlieren würden.

Die Formulierung von Frau Arndt, dass Frau Strack-Zimmermann „viel Kontakt zur Rüstungsindustrie pflegt“, ist damit völlig korrekt. Dabei wäre sogar eine deutlichere Formulierung angebracht gewesen. Aber da es offensichtlich Frau Arndt in ihrem Kommentar nur nebensächlich um Frau Strack-Zimmermann ging, hat sie es bei diesem kurzen Nebensatz als nähere Ausführung belassen.

Fraglich ist für mich lediglich, ob Frau Strack-Zimmermann diese Kontakte tatsächlich nur „in ihrer Freizeit“ gepflegt hat. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat sie das auch im Rahmen ihrer Tätigkeit als Abgeordnete des deutschen Bundestages getan. Aber das können nur Vermutungen sein. Die Formulierung von Frau Arndt „in ihrer Freizeit“ bedeutet dabei sogar noch eine gewisse Entlastung von Frau Strack-Zimmermann.

Ich appelliere abschließend an den MDR, in dieser Frage nur die Fakten und nicht die Befindlichkeiten von Frau Strack-Zimmermann zu berücksichtigen.

Ich kritisiere weiterhin die Frau Arndt schon recht in den Regen stellende Aussage: "Aus Gründen der Transparenz haben wir uns entschieden, den Kommentar nicht zu bearbeiten". Nur aus „Gründen der Transparenz“??? Hätten Sie ansonsten den kommentar "bearbeitet?" Zählen Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt nicht mehr beim MDR? So stellen Sie den Kommentar von Frau Arndt eher als einen „Unfall“ als einen Beitrag zur Meinungsvielfalt dar.

Ich gratuliere dem MDR auf jeden Fall zu dem Kommentar von Frau Arndt und wünsche mir für die Zukunft endlich mehr Ausgewogenheit in der Berichterstattung und damit endlich auch mehr Berichte und Kommentare, die neue, vom sog. „Mainstream“ abweichende Standpunkte berücksichtigen.

Links

Hier noch der Kommentar im Wortlaut: https://weltwoche.ch/daily/mdr-kommentar-herr-bundeskanzler-scholz-sagen-sie-zur-abwechslung-mal-nein-keine-deutschen-kampfpanzer-an-die-ukraine/

Hier als Audiodatei mit angehängter Stellungnahme des MDR: https://www.mdr.de/mdr-aktuell-nachrichtenradio/audio/audio-2235940.html

Hier etwas vom medialen „Mainstream“: https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_100116176/mdr-distanziert-sich-von-debuet-kommentar-zu-waffenlieferungen-heftige-kritik-10602536.html

https://www.saechsische.de/fernsehen/mdr-kommentatorin-loest-heftige-debatte-mit-kommentar-zu-panzern-aus-5811790.html

und ein differenzierender Artikel auf Telepolis: https://www.telepolis.de/features/MDR-Shitstorm-nach-Panzer-Kommentar-7468615.html?seite=2

(1) https://www.lokalkompass.de/duesseldorf/c-politik/frechheit-siegt-wie-die-fdp-politikerin-marie-agnes-strack-zimmermann-ihre-naehe-zur-ruestungslobby-verharmlost_a1825561. Zum Lobbyismus im Bundestag auch https://www.abgeordnetenwatch.de/recherchen/lobbyismus/abgeordnete-als-lobbyisten

(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Förderkreis_Deutsches_Heer und https://lobbypedia.de/wiki/Förderkreis_Deutsches_Heer

(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Gesellschaft_für_Wehrtechnik; https://lobbypedia.de/wiki/Deutsche_Gesellschaft_für_Wehrtechnik

(4) https://www.presseportal.de/pm/58964/5216301

(5) https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Atlantische_Gesellschaft

(6) https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/marie-agnes-strack-zimmermann/fragen-antworten/sie-haben-die-frage-ob-sie-lobbyistin-sind-verneint-sie-sind-praesidiumsmitglied-des und jetzt auch ihre pikierte Reaktion auf Frau Arndt: https://twitter.com/MAStrackZi/status/1616562735353065472

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dietrich Klose

Vielfältig interessiert am aktuellen Geschehen, zur Zeit besonders: Ukraine, Russland, Jemen, Rolle der USA, Neoliberalismus, Ausbeutung der 3. Welt

Dietrich Klose

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