Für den stationären Buchhandel begann das Jahr mit einer Hiobsbotschaft: 2015 verzeichnete er erneut einen deutlichen Umsatzrückgang – um ganze 3,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Sterben der kleinen und mittleren Buchhandlungen geht weiter. Um ein Viertel ist ihre Zahl in den vergangenen zehn Jahren bereits gesunken. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels macht für diesen Rückgang vor allem den Online-Händler Amazon verantwortlich. Tatsächlich aber ist dessen Marktmacht Symptom, nicht Ursache der Krise. Diese ist auch hausgemacht.
Um gemeinsam digitale Bücher zu vermarkten, haben sich unter anderem die Buchhandelsketten Hugendubel, Thalia und Weltbild sowie der Zwischenhändler Libri vor wenigen Jahren zu einem mächtigen Bündnis zusammengeschlossen. Die sogenannte Tolino-Allianz vertreibt den gleichnamigen E-Reader und verspricht vollmundig, dass in ihm „nicht nur exzellente Technik, sondern auch die langjährige Erfahrung unserer Buchhändler“ stecke.
Die Werbeverheißung bringt es auf den Punkt: Der Tolino soll den klassischen Buchhändler überflüssig machen. Auf dem Gerät ist ein Shop vorinstalliert, mit dessen Hilfe die Nutzer digitale Bücher direkt herunterladen können. Verkäufer ist eine der an der Allianz beteiligten Buchhandelsketten, je nachdem, wo der Reader gekauft wurde. Jeder neue Tolino führt so zu Umsatzeinbrüchen im stationären Bereich.
Dieser Digitalstrategie der Branchengrößten können die unabhängigen Buchhändler kaum etwas entgegensetzen. Sie verfügen, wenn überhaupt, nur über einfachste Online-Shops. Die technische Infrastruktur erhalten sie ausgerechnet auch von jenen Zwischenhändlern, die der Tolino-Allianz angehören – gegen eine stattliche Provision, versteht sich.
Den Branchenkannibalismus müssen die Buchhändler offen zur Sprache bringen. Nur dann können sie noch hoffen, gemeinsam mit ihren Handelspartnern ein tragfähiges Geschäftsmodell für das digitale Zeitalter zu entwickeln. Konkret steht die Branche vor drei Alternativen: Sie kann erstens eine Lösung suchen, die für alle Beteiligten Chancen auf dem sich radikal wandelnden Markt bietet. Für den stationären Handel sind dabei zwei Fragen zentral: Wie sieht das Berufsbild der Buchhändler künftig aus? Und welches Geschäftsmodell sichert deren Auskommen? Findet die Branche hier keine schlüssigen Antworten, könnte sie Buchhandlungen als „geistige Tankstellen der Nation“ (Helmut Schmidt) wenigstens noch unter Artenschutz stellen. Ähnlich wie Programmkinos müssten diese dann aus öffentlichen Mitteln gefördert werden. Dieser zweite Ansatz setzt nicht länger auf den Markt, sondern auf finanzkräftige Unterstützung seitens der Politik.
Das dritte Szenario sieht nicht einmal mehr dies vor: Die Branche könnte das Buchhandlungssterben auch als Folge „natürlicher“ Marktprozesse verbuchen und sich weigern, in diese einzugreifen. Auch im Musikhandel wanderte das Geschäft schließlich bis auf wenige Vinylläden ins Digitale ab. Damit stünde aber nicht nur der Großteil der inhabergeführten Geschäfte, sondern auch der Beruf des Buchhändlers endgültig vor dem Aus. Eine Debatte ist gefordert.
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