Fantasy-Thriller mit märchenhaftem Plot, komödiantischen Elementen, einer rauschhaften Ästhetik zwischen trashigem Glanz und Neon-beschienener Coolness: Mit ihrem dritten Spielfilm Mona Lisa and the Blood Moon entzieht sich die iranisch-amerikanische Regisseurin Ana Lily Amirpour einmal mehr den eindeutigen Genre-Kategorien und wagt einen wilden Stilmix mit viel Gespür für Atmosphärisches. Diese kreative Schmelztechnik brachte ihr schon 2014 beachtliches Lob ein für ihr Spielfilmdebüt A Girl Walks Home Alone at Night, eine anmutige Vampirromanze in Schwarz-Weiß mit Anleihen aus dem Western- und Horrorgenre, die in der fiktiven iranischen Stadt „Bad City“ spielte und in der ausschließlich Farsi gesprochen wurde. Amirpour stieg da
de. Amirpour stieg damit augenblicklich in den Ruf eines der vielversprechendsten weiblichen Regietalente des amerikanischen Independent-Films auf.Für ihren nachfolgenden Film The Bad Batch (2016), in dem sie dann mit prominenter Besetzung (darunter Keanu Reeves, Jim Carrey, Jason Mamoa) und einem originellen dystopischen Szenario irgendwo zwischen Kannibalen-Horror und in der Wüste situiertem Selbstfindungsdrama aufwartete, konnten sich jedoch schon deutlich weniger Herzen erwärmen. Es erscheint deshalb fast wie ein Zugeständnis, dass sich der Plot von Amirpours neuem Film Mona Lisa and the Blood Moon in einer real anmutenden Gegenwart im berüchtigten Süden der USA abspielt.Hier, genauer: im Bundesstaat Louisiana, fristet die 22-jährige Mona Lisa Lee (Jeon Jong-seo, bekannt aus Burning) seit über zehn Jahren ihr Dasein in einer Jugendpsychiatrie. Sie leide unter psychotischer Schizophrenie, werden die Behörden später verkünden, doch die Eingangsszene malt ein anderes Bild: Mona Lisa hat die Fähigkeit, kraft ihrer Gedanken die Motorik anderer Menschen gegen deren Willen zu steuern. Nachdem eine gewalttätige Pflegerin die Tragweite dieser Fähigkeiten zu spüren bekommen hat, gelingt es Mona Lisa, aus dem Hochsicherheitstrakt der Psychiatrie auszubrechen. Spärlich umhüllt von einer Zwangsjacke und in einem Paar unterwegs ergatterter Chucks flieht sie in die nächstgelegene Metropole: New Orleans, das hier in einer gelungenen Überlagerungssequenz aus Straßenbeleuchtung und Elektrobeats (der Soundtrack wurde von Daniele Luppi zusammengestellt) als düster flimmernder Moloch präsentiert wird, in dem abgebrühte Einheimische auf vergnügungssüchtige Touristenhorden treffen.Der nun beginnende zweite Akt von Mona Lisa and the Blood Moon droht bald in jene elegante Inhaltsleere abzudriften, die schon The Bad Batch einige „Style over Substance“-Vorwürfe einhandelte. Mona Lisa, wortkarg und fremdelnd, gelangt nachts zu einem Kiosk, vor dem Drogendealer herumlungern. Einer von ihnen ist der im grellen 90er-Style umhertigernde Fuzz (Ed Skrein), der in erster Linie als DJ gesehen werden will. Mit dem Aufeinandertreffen zwischen ihm und Mona Lisa entfaltet der Film in unverhoffter Weise eine in Amirpours vorangegangenen Werken absente Komik.Voodoo und KomikFür schrägen Humor sorgt auch der anständige, aber etwas schwerfällige Polizist Harold (Craig Robinson, bekannt aus dem US-Remake von The Office), der der flüchtigen Mona Lisa bald auf der Spur ist. Nach einem ersten für ihn in schmerzhafter Selbstverletzung endenden Zusammentreffen mit ihr ermittelt Harold wie besessen. In seiner Verzweiflung sucht er gar eine Voodoo-Priesterin auf, die ihm, genervt von seiner Skepsis, ein Hühnerbein zum Schutz hinwirft (schützen wird es ihn später nicht). Mona Lisa wird unterdessen von Bonnie (grandios: Kate Hudson) unter die Fittiche genommen, einer von den Härten des Lebens gänzlich bedienten und gewieften Stripperin, die diesem Film weitere sarkastische Glanzmomente verleiht.Eingebetteter MedieninhaltNachdem Bonnie Mona Lisas Kräfte in Aktion gesehen hat, gewährt sie ihr Unterschlupf in ihrem Haus, in dem auch ihr vernachlässigter elfjähriger Sohn Charlie (Evan Whitten) lebt. Während Charlie ernsthaft an Mona Lisas Wohl interessiert scheint und eine Freundschaft zu ihr aufbaut, nutzt Bonnie deren Gedankenkräfte schamlos aus, um geizigen Strip-Club-Besuchern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Und obwohl darin eine ungehemmte, rücksichtslose Gier zum Vorschein kommt, kann man Bonnie nie wirklich böse sein, da Hudsons herrlich mürrische Darbietung den beschwerlichen Weg dieser Figur sichtbar hält. „Shit ain’t all roses in my life“, wird sie den Vorwürfen des noch immer nach Mona Lisa fahndenden Polizisten Harold später entgegnen. Was in den deutschen Untertiteln mit „Mein Leben ist nicht gerade rosig“ etwas unzulänglich übersetzt ist, nimmt man dieser Figur, die sich ihrer Fehler durchaus bewusst ist, gänzlich ab.Und so entwickelt sich Mona Lisa and the Blood Moon zum unerwartet vergnüglichen Reigen sonderbarer Charaktere, die alle – wie es die Voodoo-Priesterin natürlich stimmig voraussagt – durch das Aufeinandertreffen mit Mona Lisa Lee verändert werden. Dass die Titelfigur dabei im Verlauf des Films einigermaßen unzugänglich und blass bleibt, während die wenigen Sätze, die sie spricht, kaum Aussagekraft haben, kann man dem Film verzeihen. Anders als noch A Girl Walks Home Alone at Night und The Bad Batch nimmt er sich nicht allzu ernst und lässt die Heldin in den Hintergrund treten, ohne den eklektischen Style Amirpours ganz in den Vordergrund zu drängen. Mona Lisa and the Blood Moon will ein Plädoyer für die Akzeptanz des Außergewöhnlichen sein. Getreu der Glückskeksbotschaft, über die Harold sich zu Beginn und Ende des Films den Kopf zerbricht: „Vergiss, was du weißt.“Placeholder infobox-1