Perfekt: "In einem Land, das es nicht mehr gibt"

DVD-Empfehlung Ein Glanzstück des deutschen Films! Bunt, schrill, liebenswert, frei und lustig - dort, wo man es eigentlich wenig erwartet! Bestes Entertainment! Tolle Schauspieler, mit Herz und Seele perfekt inszeniert, ein mega fantastischer Kultfilm!

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Den 80er-Jahre Ostberliner Mode-Underground beleuchtete bereits die ausgefallene Dokumentation "Ein Traum in Erdbeerfolie" und ließ den Zuschauer über sehr viel Kreativität und Einfallsreichtum staunen. Nun legt Aelrun Goette mit ihrem Spielfilm über eben diese sehr spezielle Szene nach. Sie selbst entdeckte man Ende der 80er Jahre auf einer Straße in Ostberlin als Model für die "Vogue des Ostens" (Zeitschrift Sibylle). "In einem Land, das es nicht mehr gibt" basiert teilweise auf wahren Begebenheiten.

Die 18jährige Suzie (sehr überzeugend von Marlene Burow dargestellt) befindet sich im Chaos der Gefühle. Unkenrufen, Kassandrarufen unterlegen, wankelmütig, flatterig - wie man eben ist, als unbedarftes Mädchen - pendelt Suzie hin und her zwischen Abstammung, familiärer Zuversicht und dem Ausleben der eigenen Vorstellungen vom Leben, mitten in der Hauptstadt der DDR Ende der 1980er Jahre.

Kurz vor dem Abitur fliegt Suzie von der Schule, denn sie wird mit dem im Osten "verbotenem" Orwells Buch 1984 in der Tasche erwischt. Der Traum ist aus vom Studium der Literatur und dem Leben als Schriftstellerin. Zur Strafe muss sie in einem Kabelwerk malochen. Sie soll dort umerzogen werden, zu einem funktionierendem Mitglied der sozialistischen Gesellschaft.

Doch das Schicksal will es anders. Coyote (dargestellt vom Hamburger Schauspieler David Schütter, der perfekt den ostdeutschen Dialekt des unangepassten Mode-Fotografen beherrscht) schleicht sich in das Leben der blonden Schönheit, indem er sie heimlich fotografiert. Prompt erscheint sie in der Modezeitschrift Sibylle und das Blatt wendet sich für Suzie enorm!

1989, kurz bevor die Deutsche Demokratische Republik Geschichte wurde, während der Zeiten von Protest, Veränderung, und dem Duft der Freiheit ändert sich auch für Suzie alles. Sie befindet sich auf einmal mitten in der subkulturellen Bewegung, in einer jungen Szene, die ihre eigene Mode kreirt. Androgyn, gay, irre! Aus Duschvorhängen und anderen Materialien werden die schrillsten Looks entworfen (Ohrringe aus Abfluss-Sieben) und Freiheiten ausgelebt, denn in der Modewelt ist die Freiheit möglich und Sehnsucht heilbar!

Jüngere ZuschauerInnen verstehen vieles in diesem filmischen Meisterwerk nicht, wie man einigen kommerziellen Reportagen entnehmen kann. Mit "Germany's next Top Model" lässt sich dieser Film ganz und gar nicht vergleichen, da er in einem völlig anderem System und zu ganz anderen Zeiten spielt!

Die ausgezeichneten und spektakulären Kostüme von Regina Tiedeken machen einem gehörig staunend und sprachlos, vor allem in den Szenen bei der Modenschau, untermalt mit dem hämmernden Beat von den Eurythmics (nein, nicht "Sweet Dreams")! Bewundernswert!

14 Jahre dauerte es, bis die Realisierung von "In einem Land, das es nicht mehr gibt" zum Schluss mit Filmproduzentin Tanja Ziegler gelang. Und diesen langen Vorlauf merkt man dem Film in jeder Sekunde an. Er ist perfekt geworden. Trotz des ostdeutschen Themas weder grau in grau, ein bißchen Feeling von "Cinderella", "Flashdance" und "Little Miss Sunshine" - alles Kult-Filme - so auch dieser! Und ich habe mir sagen lassen, man hat sich von der Leinwand weg in David Schütter verliebt! Wow - Kino verzaubert, was will man mehr!? Der beste Film des letzten Jahres - provokant, berührend - nun auf DVD, BluRay und auf Stream.

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Geschrieben von

Martin Döringer

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