Til Schweiger stimmt nachdenklich

Filmkritik "Die Hochzeit" ist der neueste Klamauk von und mit Til Schweiger. Es gäbe nichts daran zu meckern, wäre der Film 30 Minuten kürzer.

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"Die Hochzeit" handelt hauptsächlich von Tod und Beerdigung und sprudelt dabei nur so über voller Gags und Schenkelklopfer-Humor am laufenden Band! Die Grenzen des guten Humors wurden spätestens dann überschritten, als man die Totenruhe störte und den Sarg öffnete, um nachzusehen, ob der urplötzlich an einem Sekundentod Verstorbene, wirklich so einen großen "Pferdeschwanz" hatte - und damit ist nicht seine Frisur gemeint. Das Makabere dabei: im Abspann wird der Film dem im September letzten Jahres ebenfalls urplötzlich verstorbenen Film-Mogul Tom Zickler gewidmet. Zickler, ehemaliger Produzent sehr vieler Til-Schweiger-Kinokassen-Magneten.

Aber nun mal der Reihe nach.

Nachdem Til Schweigers Remake "Klassentreffen 1.0" über 1 Million Besucher in die Kinos lockte, produzierte Schweiger mit „Die Hochzeit“ Teil 2 der erfolgreichen dänischen Komödien-Trilogie „Klassenfesten“ und textete 25 Minuten Bonus hinzu. Man muss den ersten Teil der Freunde Thomas (Til Schweiger), Andreas (Milan Peschel) und Nils (Samuel Finzi) noch nicht gesehen haben, um den zweiten, "Die Hochzeit", zu verstehen.

Für den erfolgreichen Hipster-DJ Thomas hagelt es tonnenweise schlechte Musik-Kritiken zu seiner neuesten CD-Veröffentlichung. Stress, denn er will Linda (Stefanie Stappenbeck) heiraten, doch einen Tag vor der Hochzeit stirbt sein Jugendfreund Torben (Thomas Heinze) auf dem Bowlingcenter-Klo einen Sekundentod. Die drei Freunde fahren mit Lindas Tochter Lilli (Lilli Schweiger) zur Beisetzung, und Thomas verpasst wegen etlicher Turbulenzen beinahe seine eigene Hochzeit, die total ausartet. Nicht uninteressant anzusehen, wie Til Schweiger die Szene spielt, als er seine Zukünftige "Multitasking"-technisch mit der Zunge befriedigt, während er auf WhatsApp eintrudelnde schlechte Kritiken liest. Genuss kann so ärgerlich sein! Sehr lustig: mit hoch und runter wackelnden Kopf sah ich Cunnilingus auf diese Art noch nie zuvor, man vermutete erst etwas anderes!

Mir hätte "Die Hochzeit" insgesamt ohne jegliche negative Kritik gefallen, wenn er 90 und nicht 120 Minuten lang wäre. Als die Komödie zum Schluss in eine Schmonzette überwechselt, mit rührseligen Weisheiten und ultimativen Ratschlägen über aufrichtige Freundschaft, tritt Sentimentalität und Langeweile (und eine Ernsthaftigkeit wie in seinem über 7-Millionen-Kinobesucher-Erfolg "Honig im Kopf") ein, die hier total fehl am Platz ist. Die Länge ist in mancher Hinsicht halt doch entscheidend, und dazu muss man keinen Sarg öffnen. Eine Szene im Auto wurde so schnell geschnitten, dass Lilli Schweiger in Echtzeit vier verschiedene Gesichtsausdrücke in den jeweiligen Schnitten hat. Sowas finde ich immer sehr schade, was die technische Film-Qualität betrifft, auch wenn es den meisten wahrscheinlich durch die Schnelligkeit der Schnitte gar nicht auffällt. Katharina Schüttler spielt ihre Rolle mit einer Beflissenheit, als würde sie den Deutschen Filmpreis in Gold gewinnen wollen, was die Klamotte noch lustiger macht.

Insgesamt knüpft "Die Hochzeit" aber da an, wo die guten deutschen Mainstream-Komödien ("Das Trio", "Beim nächsten Mann wird alles anders", "Kondom des Grauens,"Echte Kerle", "Abgeschminkt!", "Die Putzfraueninsel", ...) Ende der 1990er Jahre aufhörten. Unterlegt wurde der Hochzeits-Beerdigungs-Klamauk mit einem Soundtrack vieler 1980er Schlager-Perlen, und spätestens bei Nino de Angelos Textzeile "Wenn selbst ein Kind nicht mehr lacht, wie ein Kind, dann sind wir jenseits von Eden" - bewusst oder unbewusst eingesetzt - weiss man, dass man sich bei diesem Film einfach nur auf den Fun-Faktor einlassen sollte, auch wenn er zum Nachdenken anregt. Vor allem wenn es um die Frage geht: Wo hört guter Humor auf? Pressevorführungs-Verbieter Til Schweiger (der sich selbst auf Social-Media oft "Tilli" nennt) kann sich einiges erlauben, dass sieht man bildlich in den Schluss-Szenen der Hochzeit, wenn er wie ein Junge kichernd strahlt und tanzt, während ein äußerst uncharmanter Schluss-Satz fällt, der auf die aktuelle 32 % Scheidungs-Quote in Deutschland und aber auch auf weitere etliche Ungeschiedene wie die Faust aufs Auge passt und das Ewige-Liebe-Nonsense zum Überschäumen bringt. Auch das macht sehr nachdenklich und beschäftigt einem noch lange, nachdem der Film längst vorbei ist, obwohl die Komödie das sehr wahrscheinlich nicht beabsichtigt. Und man fragt sich, wieso Til Schweiger weiterhin Pressevorführungen zu seinen neuesten Werken verbietet, wo doch alles so lustig und groovy ist!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Döringer

Interviews, Fotos, Rezensionen.

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