Kohle für alle und immer

Grundeinkommen Robin ist acht Jahre alt. Auf sein Konto werden jeden Monat eintausend Euro überwiesen. Er ist der bisher jüngste Empfänger eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE)

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Möglich ist das durch die Crowdfunding-Aktion des Vereins Mein Grundeinkommen, der mittlerweile fünf in Deutschland lebenden Menschen ein Jahr lang eintausend Euro monatlich auszahlt. Sobald die nächsten 12.000 Euro gesammelt sind, wird von Micha und seinem Team das sechste Grundeinkommen verlost.

Micha ist ein privilegierter Typ. Nicht nur, weil er in Berlin wohnt, jung und männlich ist. Vor allem genießt er den vermeintlichen Luxus, von der Beteiligung an einem Internet-Startup leben zu können, das er 2006 mitgegründet und mittlerweile verlassen hat. Doch anstatt sich auf die Couch zu setzen und zuzuschauen wie Jauch die Million verteilt (oder auch nicht), treibt ihn der Geschäftssinn an: „Ich bin nicht nur kreativer und ein besserer Vater, ich lebe auch gesünder“, erklärt er gutgelaunt in einem Video zu seinem Experiment. Er glaubt, dass es Anderen genauso ginge, wenn sie sich keine Sorgen machen müssten, wovon sie am Ende des Monats leben sollen. Auch um das herauszufinden, hat er Mein Grundeinkommen gestartet, das mittlerweile von beinahe 15.000 Menschen finanziell unterstützt wird.

Mitmachen können alle. Wer an der nächsten Verlosung teilnehmen will, muss lediglich beantworten, was sie*er mit dem Einkommen anstellen würde und eine Crowdbar installieren. Mit diesem Add-On wird das Experiment bei Online-Einkäufen finanziert, ohne dass die Nutzer*innen einen Cent dazuzahlen müssen. Stattdessen zahlen die Onlineshops pro Einkauf einen Centbetrag an Michas Experiment, als Dank, dass die Käufer*in vermeintlich über dessen Crowdbar auf die Seite gelotst wurde. Dasselbe geht offline (rewe, aral, dm, uvm.) mit der Crowdcard, die nach dem Prepaid-Prinzip funktioniert. Der Löwenanteil der Finanzierung kommt aber immer noch über klassische Spenden zusammen, wobei letztendlich diejenigen, die auf ein Grundeinkommen hoffen, ihr eigenes Gehalt bezahlen.

Mit dieser „Politik am eigenen Leib“ wird zwar nur eine kleine Zahl von Menschen kurzfristig mit einem Grundeinkommen ausgestattet, mehr will Micha aber auch gar nicht erreichen. Er beobachtet, wie sich das Leben dieser wenigen Menschen verändert. Will zeigen, dass Menschen auch ohne den extrinsischen Leistungsdruck Antrieb haben. Sich weiterhin kreativ und produktiv ausleben und somit der Allgemeinheit von Nutzen sind. Dass im Herbst 2014 auch die Losnummer des achtjährigen Robin gezogen wurde, hat seine Familie aus Baden-Württemberg ziemlich in Aufruhr versetzt. Soll er es überhaupt erfahren? Soll ihm das Einkommen ausgezahlt werden? Haben die Eltern das Recht, es zurückzuhalten und über den Willen des Kindes hinweg zu verwalten? Fragen wie diese mussten sich Robins Eltern als Pioniere des bedingungslosen Grundeinkommens stellen. Als Robin letztendlich von seinem Gewinn erfährt, ist seine Frage „bekomme ich jetzt jeden Monat ein Buch?“, ein idealer Werbeslogan für Micha. Diese Geschichten zeugen vom Erfolg des Experimentes im Kleinen.

Dennoch ist es weiterhin unwahrscheinlich, dass das bedingungslose Grundeinkommen auf die politische Agenda kommt. In Deutschland wird es bisher kaum ernsthaft diskutiert. Weder Die Grünen, noch Die Linke haben bisher eindeutig Position bezogen. Und wenn Heiner Flassbeck, der ehemalige Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, mäkelt, mit dem BGE werde „eine sinnlose Umverteilungsmaschine in Gang gesetzt“, offenbart das eine Angst der Privilegierten, ihre gesellschaftliche Vormachtstellung einzubüßen. Wer sich jedoch bewusst ist, dass das BGE an sich noch lange keine kommunistische Idee ist, muss sich keine Sorgen um sein Lohn und Gut machen. Womöglich würde die Einkommensschere durch zwangsläufig steigende Löhne zwar kleiner werden, doch von Umverteilung kann keine Rede sein. Gutverdienende könnten weiterhin absahnen und den heutigen Geringverdienden und Empfänger*innen von Sozialleistungen würde durch finanziell faire Ausgangsbedingungen vertikale, soziale Mobilität vereinfacht. Somit steigert das BGE sogar den Anreiz, einen heutzutage unbeliebten, weil schlecht bezahlten und anstrengenden Beruf auszuüben.

Das Prinzip Grundeinkommen ist einfach. Monatlich soll ein existenzsichernder Betrag an alle Bürger*innen eines Staates ausgezahlt werden. Schlüsselbegriff ist hier die Bedingungslosigkeit. Alter, Geschlecht, Religion, Herkunft und Arbeitsleistung spielen keine Rolle. Wenn erst einmal alle mit dem Nötigsten versorgt sind, können Menschen individuell entscheiden, ob, wie und wie viel sie arbeiten wollen. Künstler beispielsweise müssten keine Cocktails mehr servieren, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können, sondern könnten sich zu hundert Prozent in den Dienst ihres künstlerischen Schaffens und somit der Gesellschaft stellen. Trotz der simplen Grundidee gibt es zahlreiche verschiedene Modelle, die sich teils am Menschen, teils am wirtschaftlichen Nutzen orientieren. Sicher ist, dass bisherige Sozialleistungen wie Hartz IV, Kindergeld oder BAföG wegfallen würden. Menschen mit starken gesundheitlichen Einschränkungen würden zusätzlich zum Grundeinkommen unterstützt.

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Zuerst die Industrialisierung, dann die Digitalisierung. Laut einer Studie der Universität Oxford fallen in den nächsten 15 Jahren etwa die Hälfte aller Arbeitsplätze in den USA weg. Wer hätte gedacht, dass der Kapitalismus eines Tages die Arbeit und damit sich selbst vertilgt? Doch dass Arbeit komplett verschwindet, ist ein Trugschluss. Offen bleibt, wer die unliebsamen, nicht automatisierbaren Aufgaben übernimmt. Dabei geht es vor allem um medizinische Dienstleistungen, Pflege, Erziehung und andere soziale Arbeiten. Heute werden diese Tätigkeiten (Kinder erziehen, Eltern pflegen) abseits der Lohnarbeit oder fahrlässig unterbezahlt (Toiletten putzen, Senioren pflegen) geleistet.

Es ist unwahrscheinlich, dass Robin bis zu seiner Volljährigkeit nochmals in den Genuss eines Grundeinkommens kommt. Wenn es Micha und seinen Mitstreiter*innen jedoch gelingt, langfristig ein umfassendes (bundesweites?) BGE durchzusetzen, sollten sie unbedingt die Fragen nach den bisher Schwachen in der Gesellschaft stellen.

Foto: Flickr

Zunächst erschienen bei http://www.doktorpeng.de
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Geschrieben von

Doktor Albahaca

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